Hermannstadt – Dass allzu deutlich nörgelnde Stimmen drauf und dran sind, das Siebenbürgen-Bild der Gesellschaft Rumäniens politisch über Gebühr zu manipulieren, ist keine neue Gewohnheit. Verlockungen, zugunsten der jeweils eigenen Teilgesellschaft am kollektiven Selbstverständnis zu basteln, haben auch im toleranten Siebenbürgen längere Tradition als zumeist vermutet. Alexandru-Ilie Munteanu weiß es aus unbestreitbar sicheren Quellen. Denn Donnerstag, am 20. Oktober, hat der leitende Bibliothekar des Brukenthalmuseums im Kartographischen Kabinett des Palais am Großen Ring/Piața Mare die von ihm selbst erdachte und auf fast sieben Wochen befristete Ausstellung „Transilvania altfel. Istorii culturale din Principat“ eröffnet. Natürlich ohne Vernissage, um der pandemisch extrem angespannten Ausnahmesituation nicht unabsichtlich in die Karten spielen zu können. Bis zum Vorabend des Nikolaustages 2021 dafür besteht genügend Zeit, ein nicht auf den Kopf gestelltes, aber doch unerwartet anderes Siebenbürgen-Bild zu erfahren.
Oder muss man sich auf falschem Fuß erwischt eingestehen, dass rückblickend manches trotzdem mit der Realität übereinstimmt? Links und rechts der Eingangstüre zur Ausstellung hängen je vier kleine Farbzeichnungen aus Künstlerhand, auf denen Siebenbürger Sachsen einerseits und Rumänen andererseits in Sonntags-Kleidern des 18. Jahrhunderts dargestellt werden. Im bäuerlichen Aufzug an Festtagen zeigten sich die Siebenbürger Sachsen dem bürgerlichen Auftreten ihrer städtischen Landsleute zwei-felsohne ebenbürtig. Wo Siebenbürger Sachsen auch auf dem Dorf mit fein geputzten Stiefeln aus schwarzem Leder zum Kirchgang schritten, nahmen Rumänen auch in größeren Ortschaften mit Opanken vorlieb. So zu erkennen auf den Farbzeichnungen von „Walachin-nen“ und „Walachen“ aus der Kronstädter Vorstadt/Scheii Bra{ovului und bei Fogarasch und Hermannstadt.
Wichtigst für heute, sich drei Jahrhunderte danach der gerechteren Sprache anzupassen und im allerbesten Fall noch auf die Walachei zu reden zu kommen, hingegen stellvertretend für ihre Bewohner das latent verächtliche Wort „Walachen“ eher nicht in den Mund nehmen. Geschweige denn, mitten in einem Dialog gar von der siebenbürgisch-sächsisch scheltenden Vokabel „Bloch“ Gebrauch zu machen.
1791 hatte Joseph Karl Eder ein Bittschreiben der orthodoxen und griechisch-katholischen Rumänen Siebenbürgens an die Hauptstadt des Habsburgischen Imperiums zu Papier gebracht, für das Martin Hochmeister finanziell, drucktechnisch und verlegerisch großzügig Hilfe leistete. Die Absender ihrerseits schlugen darin zivilrechtliche Gleichbehandlung sowie Teilhabe an der Ämterverteilung für die Verwaltung und Gesetzgebung im Großfürstentum Siebenbürgen vor. Ein Schritt, der zu einem Zeitpunkt unternommen wurde, als das Wörterbuch „Deutsch-Walachische Sprachlehre“ von Johann Molnar (rumänisch: Ioan Piuariu-Molnar), „Königlicher Landes Augen Arzt im Großfürstentum Siebenbürgen“, bei Joseph von Kurzbeck in Wien gedruckt, schon drei Jahre auf dem Büchermarkt kursierte.
Zu den überzeugenden Hinguckern der Ausstellung „Transilvania altfel“ im Kartographischen Kabinett des Brukenthalmuseums zählt auch der Hinweis auf das politisch gewählte Motto „Das Alt und Neue Teutsche Dacia“ von Hermannstädter Johann Tröster, der das Heimrecht der Siebenbürger Sachsen auf dem Boden der Region durch ihre zeitgeschichtlich bedingte Leidenschaft für die römische Antike zu legitimieren suchte. Ein vielleicht nützlicher Hinweis für den taktischen Ansatz, dem ultranationalistisch rumänischen Hass auf Samuel von Brukenthal und seine nicht mehr ganz neue Statue vor dem Museum den Wind zumindest teilweise aus den Segeln zu nehmen?