Gedenken an das Leiden der Sathmarer Schwaben

Vor 80 Jahren fand die Russlanddeportation statt

Klara Lini, die 100-jährige Überlebende der Russlanddeportation bei der Gedenkveranstaltung in Sathmar. Fotos: László Ilyés

Kranzniederlegung an der Gedenktafel im Kirchhof

Sathmar – Vor 80 Jahren, im Januar 1945, wurden rund 5000 junge Frauen und Männer aus dem Kreis Sathmar/Satu Mare nach Russland verschleppt. Etwa 1000 von ihnen überlebten die unmenschlichen Bedingungen in den Arbeitslagern nicht. Am vergangenen Sonntag gedachten das Demokratische Forum der Deutschen aus Sathmar (DFDR) und die Deutsche Jugendorganisation Sathmar Gemeinsam diesem tragischen Ereignis mit einer Gedenkmesse, einer Kranzniederlegung sowie einer anschließenden Gedenkveranstaltung.

Die Gedenkmesse fand in der Kalvarienkirche statt und wurde von zahlreichen Angehörigen der ehemaligen Russlanddeportierten, Vorsitzenden von Ortsforen sowie Bürgermeistern aus dem Kreis Sathmar besucht. Besonders geehrt wurde die Anwesenheit von Klara Lini aus Großkarol/Carei, einer Überlebenden der Russlanddeportation, sowie von zwei in Russland geborenen Sathmarer Schwäbinnen, Maria Bauer aus Erdeed/Ardud und Eva Novak aus Sathmar. Zu den Ehrengästen der Veranstaltung zählten zudem Csaba Pataki, Vorsitzender des Sathmarer Kreisrats, Robert Laszlo, Leiter des Zentrums für die Erhaltung und Pflege der traditionellen Kultur in Sathmar, Istvan Vilmos, Bürgermeister aus Wahlei/Vállaj (Ungarn), sowie Agnes Huszti Nagy, Vorsitzende der deutschen Selbstverwaltung in Saiten/Zajta (Ungarn).

„Unser Schicksal, unsere in Russland verbrachten schweren Jahre, in denen wir für die unsägliche Politik der Mächtigen büßen mussten, verdient es, dass vor uns und vor allen Deportierten wenigstens einmal der Hut gezogen wird!“ – Mit diesen Worten eines Russlanddeportierten wurde in der Gedenkmesse an das Leiden der Sathmarer Schwaben erinnert. Der Ausspruch stammt aus dem Buch „Und keiner weiß warum. Eine deportierte Geschichte“ von Helmuth Berner und Doru Radosav. Zu Beginn der Messe trugen Schülerinnen und Schüler des Johann-Ettinger-Lyzeums Ausschnitte aus den Erinnerungen ehemaliger Deportierter vor.

Erst nach der politischen Wende konnte öffentlich über die Russlanddeportation gesprochen werden, weshalb viele der Überlebenden keine moralische Wiedergutmachung für ihr erlittenes Leid erleben durften. Während der Gedenkmesse zündeten die anwesenden Gläubigen Kerzen der Erinnerung vor dem Altar an – auch im Gedenken an jene, die nicht zurückkehrten. Begleitet wurde dies von historischen Bildern, die Szenen der Deportation sowie Eindrücke von früheren Gedenkveranstaltungen zeigten.
„Ihre einzige ‚Schuld‘ war es, Schwaben zu sein. Das Deutsche Forum erinnert jedes Jahr an dieses tragische Ereignis, denn wir dürfen das Leid unserer Eltern und Großeltern nicht vergessen – jenes Leid, das sie nur aufgrund ihrer Herkunft erdulden mussten. Heute ist es eine Anerkennung und ein Stolz, Schwabe zu sein. Die Schwaben gelten als fleißige, zuverlässige und angesehene Menschen. Doch auch heute verleugnen manche ihre Nationalität. Das Leiden unserer Vorfahren in den Lagern des Donbass darf nicht vergessen werden, denn wenn wir vergessen, könnten sich solche Ereignisse wiederholen. Wir müssen der Welt zeigen, dass wir keinen Krieg wollen“, betonte Johann Leitner, Vorsitzender des Kreisforums Sathmar, in seiner Ansprache bei der Gedenkveranstaltung.
Auch Stefan Kaiser, Vorsitzender des Stadtforums Sathmar, erinnerte in seiner Rede an die Verpflichtung, das Andenken an die Opfer wachzuhalten: „An das Leid vieler unserer Vorfahren zu erinnern, die 1945 zwangsweise ihre Heimat verlassen mussten und nach Russland verschleppt wurden, ist unsere Pflicht. Nur so können auch junge Generationen von ihrem Schicksal erfahren. Wir sollen vergeben, denn das ist unsere christliche Pflicht, aber vergessen dürfen wir niemals.“

Pfarrer Josef Fanea rief in seiner Predigt zur Versöhnung auf und mahnte zur Verantwortung: „Die Tragödie der Sathmarer Schwaben ist die Tragödie der gesamten christlichen Gemeinschaft. Es ist unsere Pflicht zu erinnern und gleichzeitig die Gegenwart und Zukunft zu gestalten. Versöhnung ist nicht einfach, aber sie ist notwendig. Wir müssen den Mut aufbringen, Mitgefühl zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen – auch für die, die heute noch unter den Folgen von Krieg leiden.“ Im Anschluss segnete Pfarrer Fanea die Gedenktafel der Russlanddeportierten im Hof der Kalvarienkirche.

Während der schwäbische Männerchor Großkarol-Petrifeld-Sathmar das „Russlandlied“ und die Blaskapelle aus Fienen das Lied „Näher, mein Gott, zu Dir“ spielten, legten zahlreiche Teilnehmer Kränze und Blumen an der Gedenktafel nieder.
Die Gedenkveranstaltung wurde im Wendelin-Fuhrmann-Saal des Kulturtreffpunkts fortgesetzt. Das Programm begann mit dem Heimatlied der Sathmarer Schwaben sowie einem Volkslied, dargeboten vom schwäbischen Männerchor. Der Air-Chor des DFDR Sathmar beeindruckte mit dem Gefangenenchor aus „Nabucco“ von Verdi und einem Stück aus Dvoráks „Sinfonie Nr. 9 – Aus der Neuen Welt“.

Schülerinnen und Schüler des Nationalkollegs Kölcsey Ferenc trugen Ausschnitte aus den Erinnerungen eines Russlanddeportierten vor. Die Kinder- und Jugendtanzgruppe des Johann-Ettinger-Lyzeums sowie der Jugendorganisation Gemeinsam zeigten traditionelle Tänze wie den Auagner Landler und den „Uf’m Wasa“-Walzer.

Zum Abschluss konnten die Teilnehmer eine Ausstellung über die Russlanddeportation besichtigen.