Als die polnische Reisegruppe sich nach dem Besuch der orthodoxen Kathedrale dem Festsaal der Vereinigung zuwandte, blieben alle plötzlich wie gebannt stehen. Unter den Klängen von Marschmusik näherte sich eine Truppe von helm- und rüstungsbewehrten Männern, mit Fahnen und Flaggen, Speeren und Schilden, Pfeil und Bogen ausgerüstet, so wie man das nur aus Geschichtsbüchern kennt. Karlsburg /Alba Iulia „feierte römisch“, weil es seine 2000jährige Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen will, und das hatte diesmal seinen besonderen Grund.
Im Zentrum der Vauban-Festung, vor dem Vereinigunssaal, wurde heuer am 2. Mai das „Museum Principia“ eingeweiht, eine der wichtigsten Ausgrabungsstätten aus der Zeit der Römerherrschaft. Hier befand sich einst das Castrum der „Legio XIII Gemina“ im römischen Apulum. Es handelt sich um das größte Castrum im Römischen Dakien, und es stammt aus der Zeit von Kaiser Hadrian (117-138). Nach einer aufwendigen Restaurierung mit EU-Geldern war es soweit: Die Stadt hat eine neue Sehenswürdigkeit vorzuweisen. Diesem Festakt waren alle übrigen Programmpunkte angepasst. Es gab Kampfspiele, Gladiatorenwettstreit, Truppenschau und Barbarenfehde, Waffenspiele und Wettkämpfe aller Art. Sogar ein Sklavenmarkt fand seine Anhänger und viel Zugang hatten die antiken Werkstätten. Dort waren echte Handwerker im Einsatz: man spitzte Pfeile oder schmiedete Metallspitzen, arbeitete in Holz, Leder und Wolle, alles so wie anno dazumal. Faszinierend waren die antiken Bekleidungen, die stilecht nachgemacht worden waren. Weibliche Wesen als dakische Nymphen erfreuten das Auge mit ihren Tänzen. Die Ausführenden waren bekannte Kampftruppen aus mehreren Städten des Landes. Außer Karlsburg, auch aus Klausenburg/Cluj, /Thorenburg/Turda, Zillenmarkt/Zalau, Ludus, Diemrich/Deva. Und aus Bulgarien war die Truppe der Legion IV Scytica angereist. Es war beeindruckend, was es da alles zu sehen gab, kein Misston störte das Geschehen, die Stadt hatte sich als Organisator selbst übertroffen.
Das „Festival Apulum“ in Karlsburg fand diesmal zum dritten Mal an den freien Maitagen statt und war ein Kulturereignis besonderer Art. Diese kulturträchtige Stadt am Rande der Westkarpaten, in der sich tausendjährige Geschichte mehrerer Zivilisationen auf kleinsten Raum paart,wie kaum anderswo, hat es endlich geschafft, aus dem Schatten der Vergangenheit ans Licht zu dringen. Seit drei Jahren findet hier ein Festival statt, das Aufsehen erregt und dank seiner einmaligen Denkmäler immer mehr Kunstliebhaber und Touristen anzieht. Etwas abseits der Hauptstraßen gelegen und in den letzten Jahrzehnten vom Verfall bedroht, wurde erst vor 15 Jahren mit einer großangelegten Restaurierung der Festungsanlagen begonnen. Das Ergebnis ist Aufsehen erregend: das ganze Bauensemble gehört bestimmt zu den schönsten im Land!
Die Geschichte dieses Ortes beginnt mit den Dakern und Römern. Hier bauten die Römer nach der Besetzung Dakiens das Castrum Apulum. Die Legion XIII Gemina hatte die Aufgabe, den Weg zu den Goldbergwerken in den Westkarpaten zu sichern.
Im Mittelalter waren es die Ungarn, die sich hier niederließen und unter anderem den bedeutendsten romanischen Kirchenbau Siebenbürgens errichteten, die Römisch-Katholische Kathedrale „St. Michael“, deren Gründung auf Stefan den Heiligen zurückgeht. Nach 1699 beginnt die Herrschaft der Österreicher. Um sich den Türken zur Wehr zu setzen, wird beschlossen, die Festung „Alba Carolina“ im Vauban Stil aufzubauen. Kaiser Karl VI. und Prinz Eugen von Savoyen überwachen die Arbeiten von 1715 bis 1728. Architekt ist General Visconti, der die bestehenden Anlagen in eine mächtige Festung mit 12 km langen Mauern und 7 Basteien eingliedert. Auf der weiträumigen Fläche innerhalb der Festungsmauern, und durch mehrere Tore zugänglich, stehen die ansehnlichen Gebäude aus der österreichischen Zeit, die heute Museen, Unis, Festsäle, Hotels und Restaurants beherbergen.
Die Zeit der Rumänen beginnt tragisch: Horia, Cloşca und Crişan bezahlen mit ihrem Leben ihre Revolte um Freiheit und Gleichberechtigung. Auch Avram Iancu endet tragisch. Eine Sternstunde war der Einzug Michaels des Tapferen in die Stadt . Und dann viele Jahre später die große Nationalversammlung am 1. Dezember 1918, wo es zur Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien kam. Die Krönungsfeierlichkeiten von König Ferdinand und Königin Maria im Oktober 1922 besiegelten danach diesen historischen Akt in der neuerrichteten Krönungskathedrale.
In Karlsburg scheint man verstanden zu haben, dass historische Vielfalt keinen Grund zu Zwistigkeiten, sondern einen kulturellen Reichtum darstellt, der im Vereinigten Europa voll ausgeschöpft werden kann.