Hermannstadt - Über 200 Delegierte, 96 Kirchen aus über 30 Ländern Europas und Südamerikas, die Vertretung von 40 Millionen evangelischer Christinnen und Christen: In diesem Jahr tagt auf Einladung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) vom 27. August bis 2. September die Vollversammlung der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zum neunten Mal – diesmal in Hermannstadt/Sibiu. Nicht zuletzt wegen der hier seit Jahrhunderten gelebten religiösen Toleranz wurde der Ort als Tagungsort gewählt.
Die Themen, die diesmal im Fokus stehen, lauten Migration, Minderheiten, Interreligiöser Dialog, sowie Demokratie und Kirchen. Weichen für eine gemeinsame Zukunft sollen gestellt werden – innerkirchliche und theologische Fragen, aber auch aktuelle europaweit wichtige Herausforderungen stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Auch Themen, die sich aus der Lebensrealität des Gastgeberlandes ergeben, wie „Migration aus der Perspektive der Länder, aus denen Menschen auswandern“, und „religiöse, sprachliche und ethnische Minderheiten“ rücken in den Fokus.
Auf der Versammlung, die alle sechs Jahre stattfindet, werden die Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Jahre festgelegt. Über die abgeschlossene Arbeit der vergangenen Jahre wird reflektiert. Auch Organisatorisches steht auf dem Programm: Denn ein neuer, dreizehnköpfiger Rat wird gewählt, der die Arbeit der Gemeinschaft zwischen dieser Vollversammlung und der nächsten leiten soll.
Schon am Dienstagmorgen beginnt die Stadt zu pulsieren. Überall im Stadtzentrum sieht man die „Stewards“, Freiwillige aus den verschiedenen Ländern der Mitgliedskirchen, die sich um den Ablauf der Veranstaltung kümmern, Wege weisen, unterstützen. Die Registrierung beginnt um 13 Uhr im Brukenthal-Gymnasium. Überall auf dem Huetplatz, dem Großen und dem Kleinen Ring hört man Deutsch, Englisch, Französisch und weitere Sprachen. Langsam füllt sich das Zentrum mit den Delegierten der Mitgliedkirchen.
Am späten Nachmittag ist die Stadtpfarrkirche von Hermannstadt in rotes Licht getaucht. Feierlich präsentiert sich der Ort, an dem in den kommenden Tagen die Plenarsitzungen, der Eröffnungs- und Abschlussgottesdienst sowie die Mittags- und Abendgebete stattfinden. Um fünf beginnt der Eröffnungsgottesdienst – die Delegierten haben im Mittelschiff Platz genommen. Die Kirchenbänke sind so umfunktioniert worden, dass die Bänke gleichzeitig als Tische nutzbar sind.
Ein bewegender Moment – als das Glaubensbekenntnis in den „Sprachen Siebenbürgens“ gesprochen wird: Rumänisch, Ungarisch, Deutsch, Sächsisch. John Bradbury, geschäftsführender Präsident der GEKE, ging in seiner Predigt zum Thema der Generalversammlung „Im Licht Christi – zur Hoffnung berufen“ auf die Hoffnung ein, die in Gottes Auferstehungskraft gefunden werden kann. Er forderte die Versammlung zunächst auf, sich vorzustellen, dass sie sich in einem Haus irgendwo in der Region Ephesus in den ersten Jahrzehnten des ersten Jahrhunderts in Anwesenheit einer fremden Gesellschaft befände: „Juden und Heiden, Menschen aus verschiedenen Orten rund um das Mittelmeer, Frauen und Männer, Menschen, die Sklaven sind, Menschen, die frei sind, Menschen, die vielleicht Sklaven besitzen“, die einen Brief lesen, der eher einer Predigt gleicht, die die Umstehenden in Erstaunen versetzt. Und weiter, die Parallele zum Heute ziehend, hieß es: „Schaut euch heute um. Wir kommen aus so vielen Ländern Europas. Wir repräsentieren Kirchen aus ganz unterschiedlichen Orten und Traditionen. Frauen und Männer. Jung und Alt. Menschen aus verschiedenen konfessionellen Traditionen. Riesige Mehrheitskirchen. Winzige Minderheitskirchen, Diaspora-Kirchen.“
Nach der Predigt des Präsidenten wurden die vier neuen Mitgliedskirchen, nämlich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und im Südkaukasus, die Evangelisch-Lutherische Kirche von Island, die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine und die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland von Pfarrer Marcin Brzoska, Präsident der GEKE, und Pfarrer Dr. Mario Fischer, Generalsekretär der GEKE, begrüßt.
Auf dem anschließenden „Abend der Begegnung“ ergriffen auch der Staatssekretär für Kultusgemeinschaften der Republik Rumänien, Dr. Ciprian Vasile Olinici, und die Oberbürgermeisterin von Hermannstadt, Astrid Cora Fodor, das Wort. Zum Abschluss des Abends präsentierte die Regionalgruppe Südosteuropa einen Film, der die Gemeinsamkeiten der verschiedenartigen Kirchen hervorhob.
Die GEKE-Vollversammlung dauert noch bis 2. September. Unter anderem wird sich der Hauptvortrag dem Thema „Gimme Hope – Unterwegs zu einer neuen Theologie der Hoffnung“ von Dr. Christine Schliesser widmen. In den kommenden Tagen treffen sich im Brukenthal-Gymnasium außerdem die Arbeitsgruppen zur Erarbeitung von Leitlinien und aktuellen Themen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Zusatzprogramm für Gäste und Beobachter lädt zum Kennenlernen der Orthodoxie und des Zentrums für Evangelische Theologie Ost (ZETO), zum Gespräch mit jungen Theologinnen und Theologen zum Thema Kirchenentwicklung sowie zu einer Einführung in die Strategie der GEKE für die Jahre von 2024 bis 2030 ein. Auf dem Programm stehen unter anderem Exkursionen zu den Kirchengemeinden rund um Hermannstadt.