Hermannstadt - Im Rahmen eines Projekts zur Sichtbarmachung der Brukenthal-Inkunabeln ist seit Mitte Juli eine der schönsten Boethius-Inkunabeln im Brukenthalmuseum zu sehen: Es handelt sich um die Schrift „Über den Trost der Philosophie mit der Darstellung des seligen Thomas von Aquin“/„De consolatione philosophiae cum expositione beati Thomae de Aquino“, Nürnberg, Anton Koberger, 1473.
Anicius Manlius Severinus Boethius wurde um 480 n. Chr. in Rom geboren. Er gilt heute als einer der wichtigsten Überlieferer der antiken griechischen Wissenschaft und Philosophie an die mittelalterlichen europäischen Gesellschaften und als Begründer der Scholastik. Obwohl viele seiner Schriften nicht erhalten sind, standen sie während des gesamten Mittelalters auf den Lehrplänen der Universitäten – darunter auch die Schrift „Über den Trost der Philosophie“ (523 n. Chr.).
Den Text verfasste der Universalgelehrte in Haft. Boethius wurde zwischen 524 und 526 hingerichtet, weil er wegen Hochverrats angeklagt war: Er soll eine Verschwörung zugunsten des oströmischen Kaisers unterstützt haben, die gegen die Ostgotenherrschaft gerichtet war. Der Text enthält Gedanken über Gut und Böse, Vorbestimmung und freien Willen, Glück und Göttlichkeit. Der Text ist in Dialogform verfasst – mit der personifizierten Philosophie, die durch eine Frau verkörpert wird.
Samuel von Brukenthal besaß in seiner Bibliothek mehrere Ausgaben dieser Boethius-Schrift: Straßburg 1504, Amsterdam 1640, Leiden 1671, Leipzig 1753 und Nürnberg 1473 – die älteste von ihnen, gedruckt von Anton Koberger. Es handelt sich um das erste zweisprachige Buch der Nürnberger Druckerei – auf Latein und Deutsch. Es gehört zu den ältesten in Europa.
Brukenthal erwarb die Schrift vermutlich vor 1780 in Wien. Einem Manuskript im Archiv des Brukenthalmuseums zufolge scheint der Freiherr das Buch für die sehr günstige Summe von nur 4 Gulden und 30 Kreuzer erworben zu haben. Sie enthält neben dem Text des Werkes selbst auch Kommentare des berühmten Scholastikers Thomas von Aquin (1224 bis 1274). Die besondere Ausgabe mit prachtvollen Buchstaben-Illuminationen mit Blumenornamenten wird bis zum 18. August im Brukenthalmuseum zu sehen sein.