Temeswar - Etwas Allzumenschliches wie die Büchse der Pandora scheint man nun dort entdeckt zu haben, wo man es nicht geahnt hätte- im Temeswarer Rathaus. Die Staatsanwälte der Antikorruptionsbehörde DNA führten nun am letzten Wochenende eine neue Hausuntersuchung im Rathausarchiv der Begastadt durch, es ist schon die vierte seit April dieses Jahres. Diesmal wurden weitere Unterlagen aus der skandalumwitterten Akte betreffend den Verkauf von ehemals enteigneten Wohnungen an deren Untermieter gemäß des Gesetzes 112/1995 beschlagnahmt und in die hauptstädtische DNA-Zentrale überführt.
Bekanntlich haben die DNA-Staatsanwälte schon bei ihrer ersten Hausuntersuchung im April 2015 7000 Akten betreffend den Verkauf von Temeswarer Immobilien aus dem Besitz der Stadt oder des rumänischen Staates beschlagnahmt. Laut dem amtieren Bürgermeister Nicolae Robu hätte es seit 2012, nachdem er das Amt des Bürgermeisters übernommen hätte, sicher keine derartigen Gesetzesmissachtungen in Temeswar gegeben. Es handelt sich ausschließlich um Wohnungsverkäufe, die in der Zeitspanne 1990- 2012 also zum Großteil in den nacheinander folgenden Amtszeiten der Ciuhandu-Stadtverwaltung getätigt wurden. Laut Bürgermeister Robu hätte er aufgrund der sich häufenden Verdächtigungen selbst 2012 eine dementsprechende Eingabe bei der Temeswarer Staatsanwaltschaft gemacht.
Die gesamte Untersuchung scheint nun auszuufern, da sie einen in Temeswar äußerst publikumssensiblen Bereich betrifft: In Temeswar gibt es über 14.500 Altbauten, die vor 1945 erbaut wurden, davon stehen 938 Immobilien unter Denkmalschutz. Trotzdem gelangten nach der Wende einige hundert dieser wertvollen Bauten, vor allem die in der Altstadt bzw. im Stadtzentrum, auf offensichtlich krummen Wegen, durch illegale Transaktionen in die Hände skrupelloser Immobilienhaie und der geldkräftigen Roma-Clans. Im Besitz des Cârpaci-Clans, der einflussreichsten und reichsten der Temeswarer Roma-Familien, befinden sich zur Zeit 144 wertvolle Immobilien, die meisten im Stadtzentrum, darunter auch ein Gebäude des städtischen Kinderkrankenhauses „Louis Turcanu“, das ehemalige Haus des Gärtners Wilhelm Mühle oder das Gebäude der Onkologie-Klinik.
Die DNA untersucht vorerst die Wohnungsverkäufe aufgrund des Gesetzes 112/1995. Bekanntlich schrieb dieses Gesetz vor, dass die ehemaligen enteigneten Wohnungen nur an die Untermieter, die diese zu jenem Zeitpunkt bewohnten, verkauft werden durften. Die damals im Rathaus damit beauftragte Kommission (Mitglieder waren u.a. Gheorghe Ciuhandu, ehemaliger Bürgermeister, Nicusor Miut, Liviu Barbu) umging jedoch das Gesetz mit einer kuriosen Verfügung, die es der Stadtverwaltung erlaubte, diese Wohnungen auch an Personen zu verkaufen, die zu jenem Zeitpunkt nicht in Miete waren. Und auf diese Art und Weise waren wertvolle, geräumige Altbauwohnungen der Stadt zu Spottpreisen in den Besitz von hohen Stadtbeamten gelangt.
Noch vor dem Start der DNA-Untersuchung haben, wie in der ADZ berichtet, die Inspektoren des Kontrollcorps der rumänischen Regierung schon im Vorjahr eine monatelange Untersuchung der Tätigkeit der Temeswarer Kommunalverwaltung durchgeführt. Im Abschlussbericht des Kontrollcorps werden 25 illegale Wohnungstransaktionen aufgrund des Gesetzes 112/1995 angeführt: Diese wurden alle durch die Privatfirma OJCVL Tim SRL per Provision abgewickelt.