„Nicht komfortabel, aber verführerisch“

Auf das Stammpublikum der Kunst ist stets groß Verlass

Solange auch kleine Besucher vorbeischauen, stehen die Zukunftschancen von Kunst und Museen gut. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Am besten nehme man das Wort gar nicht erst in den Mund, äußerte eine hoch betagte Dame leise vor Eröffnungsbeginn in der hintersten Erdgeschoss-Galerie des Brukenthalpalais, und in der Tat haben Sorin Han, Lucian Binder-Catana und Ciprian Muntiu sich mit ihrer Ausstellung „Mahalaua Paradis“ am stolzen Haus entsprechend viel vorgenommen. „Es ist keine gefühlsmäßig komfortable Exposition, aber sie verführt“, merkte Kunstkritikerin Dr. Iulia Mesea auf der Vernissage am Freitag vergangener Woche an, da „sie die Ruhe des Betrachters wahrlich sprengt.“ Und sie lag richtig mit ihrer Deutung der Feierstunde als „Top-Begegnung“, wo den drei Herren aus Hermannstadt/Sibiu zwar die Vorliebe für die dunklen Töne und schroffe Kontraste, nicht jedoch das Gestalten im Detail gemeinsam ist. Drei Maler und Zeichner, die sich individuell aus dem Stoff des „Elendsviertels“ bedienen und damit auf jene Art von Armut anspielen, die auch von Wohlständigen Besitz ergreifen kann. Am Eingang war dem Anschein nach nicht zufällig für einen hochmodernen Plattenspieler mit Bluetooth-Knopf gesorgt worden,  doch am Fußboden daneben lagen wie selbstverständlich auch vier nunmehr historische Scheiben der „Electrecord“ griffbereit, und für die Bedienung des Tonarms brauchte Ciprian Muntiu kein bisschen lange überlegen. Selbst er als Jüngster unter den drei Ausstellenden dürfte klar in einer Epoche aufgewachsen sein, als in Rumänien aus Mangel an digitalen Raffinessen noch die guten alten LPs und ihre Abspielgeräte herhalten mussten. Das Alleinsein schließlich, worin man sich dem Lauschen öfters gerne hingab, zieht sich auch durch die artistischen Welten von Sorin Han, Lucian Binder-Catana und Ciprian Muntiu: was sie menschlichen Abgründen wie Traumata oder Resignation bildnerisch abzugewinnen vermögen, fühle sich glatt wie „Pfeifen in den Ohren“ an, so Dr. Iulia Mesea. Das jedoch erlebt viel eher, wer sich an einem gewöhnlichen Tag ohne starken Zulauf in die Ausstellung vertieft; zum Vernissagen-Termin waren so viele Interessenten gekommen, dass synästhetische Erfahrungen sicher nicht hätten aufkommen können. Florin Viorel dagegen war als Filialvorsitzender der Bildenden-Künstler-Kammer Rumäniens (UAP) im Kreis Hermannstadt sehr dankbar, das Stammpublikum der Galerie am Großen Ring/Piața Mare nahezu unverändert auch im Brukenthalmuseum anzutreffen.

Schauspieler Cătălin Neghin˛ gab vorlesend eines seiner eigenen Gedichte zum Besten, was ihm Dichter Sorin Han direkt anschließend auswendig gleichtat, Lucian Binder-Catana zollte dem Brukenthalmuseum Anerkennung dafür, dass es „Teil meiner Biografie“ ist, und Ciprian Muntiu raunte vom Geschick des Künstler-Kollegen Ilie Mitrea als Kurator, dessen Idee zur räumlichen Anordnung der Bilder untereinander ihresgleichen suche. „Der Wettstreit wandelt sich zum Dialog“, schloss Dr. Iulia Mesea. „Das Paradies wäre auf Erden, wüssten wir wie Menschen aufzutreten.”