„Nur anwendbare Sprech- und Schreibfertigkeiten helfen weiter“

Fachberaterin Annette Richter-Judt und Alumna Evelyn Tohati über das Deutsche Sprachdiplom

Hermannstadt – Freitag, am 27. Mai, endet für den Jahrgang der Abiturientinnen und Abiturienten Rumäniens das letzte Schuljahr vor dem Ablegen der Hochschulreifeprüfung. Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse, denen eine ähnlich herausfordernde Prüfung bevorsteht, werden eine Woche später am 3. Juni in den Sommer vor Beginn des Schuljahres 2022/2023 entlassen, worauf schließlich der 10. Juni als Frist für den Kindergarten, die Vorschulklasse und die Klassen 1 bis 7 sowie 9 bis 11 gilt. Glücklich, wem weder das Abitur noch die Abschlussprüfung der 8. Klasse ins Haus stehen, und voller Hoffnung, wer eine der zwei Hürden nehmen möchte. Und nicht zu vergessen die an aktuell 35 Schulen in Zentral- und Westrumänien dritte Prüfung – für das Deutsche Sprachdiplom (DSD), das in zwei Stufen, DSD I und DSD II, bei entsprechender Vorbereitungsleistung Schülerinnen und Schülern der 8. bis 12. Klasse winkt. Gymnasien, die pro Schuljahr mindestens zwölf Kandidatinnen und Kandidaten anmelden und eine Bestehens-Quote von 55 bis 65 oder mehr Prozent nachweisen, können als DSD-Schulen gefördert werden. Annette Richter-Judt, Fachberaterin und Koordinatorin für Deutsch in Hermannstadt und Temeswar im Auftrag der bundesdeutschen Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), klärt über den „Schlüssel zum DSD-Erfolg“ auf: „Interesse an der deutschen Sprache, Ausdauer, Fleiß, ein gesundes Maß an Frustrationstoleranz sowie ein klares Ziel vor Augen.“

„Auswendig gelernte Stoffe“ sind ein eher kontraproduktives statt probates Mittel und haben im kompetenzorientierten DSD „wenig Aussicht auf Erfolg.“ Maßgebend dafür wären das Leseverstehen, das Hörverstehen, die schriftliche Kommunikation und zu guter Letzt die mündliche Kommunikation, die den vierten Prüfungsteil ausmacht. Dass unter Schülerinnen und Schülern in Rumänien ein DSD-Zeugnis der Zweiten Stufe am begehrtesten ist, stützt sich auf den damit erreichbaren Nachweis des Kompetenz-Niveaus C1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER), was der ein oder anderen sprachlichen Resthürde beim Start eines Studiums auf Deutsch in Deutschland zumindest vorbeugt. Auch wer statt C1 nur das B2-Niveau erreicht, erhält ein DSD-II-Zeugnis. Prüflinge, die in den schriftlichen wie mündlichen Teilen der Prüfung das B2-Niveau nicht erreichen, erhalten eine Teilleistungsbescheinigung. Die entspricht leider nicht den Zulassungsbedingungen für ein Studium in Deutschland, bestätigt aber abseits des akademischen Bildungswegs beruflich und privat anwendbare Sprachkenntnisse.

DSD-Anwärtern, die sich um die Ausstellung eines Zeugnisses der Zweiten Stufe auf C1-Niveau bemühen, werden tatsächlich herausragende Fähigkeiten im Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen abverlangt. Die damit verbundenen Aufgaben müssen von den zu Examinierenden dreimal jeweils schriftlich erfüllt werden, wo-rauf unabhängige Korrektoren die ausgefüllten Bogen zentral in Deutschland auswerten. Die mündliche Prüfung hingegen wird vor einer gemischt besetzten Kommission abgelegt, der sowohl die je vor Ort in Rumänien tätigen Lehrkräfte für Deutsch als auch aus Deutschland vermittelte Lehrkräfte angehören. Nur wenn die C1-Messlatte in sämtlichen vier Prüfungsteilen erreicht wurde, folgt ihr auch die Ausstellung eines DSD-Zeugnisses der Zweiten Stufe auf C1-Niveau. Ist ein Teilergebnis auf B2-Niveau darunter, schlägt es sich unweigerlich im Endresultat als Stufe B2 nieder. Mit welchem Erfolg man in der DSD-Prüfung die 800 bis 1200 Deutsch-Unterrichtsstunden krönt, die vor der Anmeldung zur Prüfung besucht worden sein müssen, hängt schließlich von einem selbst ab. Das DSD-Programm ist kostenlos für die daran teilnehmenden Schulen, wird jedoch den Schülerinnen und Schülern nicht geschenkt. Die Bereitstellung der erforderlichen Fördermittel, die den Schulen individuell durch das ZfA zugewiesen werden, verpflichtet zu verantwortungsvollem Umgang mit den finanziell genau berechneten Hilfsbeiträgen und hat bereits zu der Einrichtung eines eigenen Qualitätsmanagements geführt.

30 Jahre nach Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages zwischen Rumänien und Deutschland steht zum Beispiel der Erfolgsweg von DSD-Alumna Evelyn Tohati zu Buche, die im Jahr 2016 ein Zeugnis der Zweiten Stufe auf C1-Niveau ausgestellt bekommen hatte, bald darauf für ein Veterinärmedizin-Studium nach Klausenburg/Cluj-Napoca ging und ihr letztes Ausbildungsjahr als Gast-Studierende mit Unterstützung des Erasmus-Programms in einer Tierarztpraxis in Duisburg beschließen wird. „Ich habe in den vergangenen sechs Jahren wenig bis gar nicht Deutsch gesprochen. Aber ich fühle mich immer noch sicher in der Sprache.“ Fachberaterin Annette Richter-Judt, die Evelyn Tohati geholfen hat, sich einen digitalen Ersatz für ihr zwischenzeitlich leider nicht mehr auffindbares Originalzeugnis ausstellen zu lassen, kann der zitierten DSD-Alumna das fehlerfreie Deutsch „nur bestätigen.“ Was Tierärztin Evelyn Tohati zu Beginn wahrscheinlich noch als Fremdsprache gelernt und geübt hatte, ist ihr durch die Vorbereitung auf die DSD-Prüfung zur zweiten Natur geworden.