Temeswar (ADZ) – Staats-chef Nicușor Dan hat am Dienstag in Temeswar beim internationalen „Timișoara Cities Summit“ die Erweiterung der Europäischen Union und eine stärkere Rolle der Städte in Europa gefordert. Gemeinsam mit Bürgermeistern aus 15 Ländern eröffnete er im Temeswarer Nationalmuseum für Kunst die Konferenz. In seinen Reden betonte das Staatsoberhaupt, Rumänien wolle seine Erfahrungen im EU-Beitrittsprozess an Nachbarländer wie die Republik Moldau, die Ukraine oder die Staaten des westlichen Balkans weitergeben. „Noch immer leben wir von der Freude über die Ergebnisse in der Republik Moldau“, sagte Dan. „Ich bin überzeugt, dass die Republik Moldau in drei Jahren Mitglied der Europäischen Union sein wird.“
In seiner Rede sprach der Präsident von „zwei schweren und einer leichteren Herausforderung“: der Erweiterung der Union, dem Verhältnis zwischen Nationalstaaten und Großstädten sowie der Solidarität unter Bürgermeistern. Die Städte seien heute Zentren wirtschaftlicher Entwicklung und müssten in den europäischen Entscheidungsprozessen mehr Gehör finden. „Ich werde mich im Europäischen Rat dafür einsetzen, dass die Stimme der Städte stärker gehört wird“, erklärte Dan. Zudem warnte er vor russischen Einmischungen in demokratische Prozesse und sprach sich für eine Regulierung sozialer Netzwerke aus. Plattformen wie TikTok müssten transparenter werden; hinter jedem Konto müsse eine identifizierbare Person stehen.
Gastgeber Dominic Fritz erinnerte in seiner Ansprache an die besondere Rolle der Stadt im Jahr 1989. Vor 35 Jahren sei die „Proklamation von Temeswar“ entstanden, in der Rumäniens europäische Zugehörigkeit betont und ein starkes Bekenntnis zur Dezentralisierung festgeschrieben worden sei. „Heute leben wir in einem Paradox“, sagte Fritz. „Die vertrauenswürdigsten Führungspersönlichkeiten bleiben die Bürgermeister, weil sie den Menschen nahe sind. Gleichzeitig erleben wir eine immer stärkere Zentralisierung von Entscheidungen.“ Europa brauche aber gerade jetzt die Stimme seiner Städte. Fritz betonte, es sei kein Zufall, dass sich viele Bürgermeister aus Mittel- und Osteuropa in Temeswar versammelt hätten. „Unsere Stimmen sind in Brüssel, Straßburg, Paris und Berlin noch nicht ausreichend zu hören. Deshalb müssen wir hier ein klares Signal senden.“
Am Nachmittag setzte der Präsident seine Teilnahme an den Konferenzen im Timiș-Kino fort, wo unter dem Titel „Europa an der Wegscheide – Sicherheit, Wohlstand und unsere gemeinsame Zukunft“ Politiker, Diplomaten und Journalisten debattierten. Dan führte dort einen öffentlichen Dialog mit Fritz, in dem beide die europäische Integration der Nachbarländer Moldau und Ukraine hervorhoben. In einer Fragerunde äußerte sich der Präsident zudem zu innenpolitischen Fragen und kündigte ein neues Gesetz zur Vorbereitung der Bevölkerung auf den Verteidigungsfall an. Wichtigste Neuerung sei ein freiwilliger, viermonatiger Militärdienst, der vom Staat bezahlt werde, um Reserven für den Ernstfall aufzubauen.
Neben seinen Auftritten beim Gipfel absolvierte Dan ein dichtes Besuchsprogramm in der Hauptstadt des Banats. Am Morgen legte er einen Kranz am Denkmal vor der orthodoxen Kathedrale nieder und gedachte der Revolution von 1989. Danach besuchte er die traditionsreiche „Societatea Timișoara“ und erinnerte an die demokratischen Aufbrüche jener Zeit. Es folgten Gespräche mit Religionsvertretern, Besuche der katholischen und der orthodoxen Kathedrale sowie ein Treffen mit dem römisch-katholischen Bischof im Dom. „Temeswar ist ein Symbol des Wandels, den Rumänien seit 1989 erlebt hat, und der Aspirationen, die wir noch immer haben“, erklärte der Präsident.
Ein Schwerpunkt war die Wirtschaft. In einer Diskussionsrunde im Rathaus sprach Dan mit Vertretern von Unternehmen, Start-ups und Universitäten über Steuerfragen, Innovationsförderung und die kommenden EU-Haushaltsverhandlungen. „Wir stehen vor wichtigen Verhandlungen für den Mehrjahreshaushalt 2028 bis 2034. Der Dialog zwischen Staat und Wirtschaft muss intensiver werden“, sagte er. Außerdem besuchte er zwei Firmen, darunter ein Rüstungsunternehmen und einen Medizintechnikbetrieb, der künstliche Intelligenz einsetzt.
Beim Besuch des Temescher Kreisrats präsentierte der Kreisratsvorsitzende Alfred Simonis dem Präsidenten zentrale Projekte wie den Bau eines Onkologie-Instituts, den Neubau eines Stadions, die Autobahnverbindung nach Serbien und Investitionen in den Denkmalschutz. „Wir wünschen uns eine enge Zusammenarbeit mit der Präsidialverwaltung“, sagte Simonis.
Am Abend besuchte Dan die Ausstellung „Dan Perjovschi – Rumänien, eine Retrospektive 1985–2025“ sowie die orthodoxe Kathedrale. Die Bevölkerung reagierte unterschiedlich auf seine Präsenz: Neben vereinzelten Buhrufen wurde er vielerorts freundlich begrüßt, fotografiert und um Selfies gebeten. In einem persönlichen Rückblick erinnerte der Präsident daran, 1987 mehrere Monate als Schüler in Temeswar verbracht zu haben. „Ein Ort, den ich damals schon mochte und den ich auch heute sehr schätze. Ich komme mit Freude wieder“, sagte er zum Abschluss seines Besuchs.
Bereits gestern reiste das Staatsoberhaupt weiter nach Kopenhagen, wo beim EU-Sondergipfel Fragen der gemeinsamen Verteidigung und die Unterstützung für die Ukraine auf der Tagesordnung stehen.