Hermannstadt - Was passiert, wenn Kunst auf anthropologische Forschung stößt beziehungsweise Künstler mit Kuratoren und Anthropologen eine Woche lang bei einer Romafamilie leben und arbeiten? Dieser Frage gingen im Juli dieses Jahres Anca Mihule] von der Galerie für Zeitgenössische Kunst des Brukenthal-Museums, und Oana Burcea, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Astra-Museums, nach. An ihrer Seite hatten sie die Bukarester Künstlerin Delia Popa und Ellen Rothenberg vom Art Institute in Chicago. Entstanden ist die Ausstellung „Chelen Amenca. Dansează cu noi“, die noch bis zum 11. November zu sehen ist.
Alle vier Akteure verband das Interesse an der wissenschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzung mit einer Roma-Familie aus dem Dörflein Ighişu Vechi im Harbachtal/Valea Hârtibaciului. Sie versuchten, mit visuellen Mitteln, die täglichen Handlungen und Prozesse einer Familie aufzunehmen, in der Frauen und Kinder die dominante Rolle spielen – die Männer sind häufig auswärts auf der Suche nach Arbeit, erklärte Burcea.
Nur ein kleiner Ausschnitt der entstandenen Arbeiten wird in der Galerie gezeigt. Die Installation von Ellen Rothenberg ist ein überdimensionaler, 15 Meter langer, geflochtener Zopf, der einen Teil des Ausstellungsraums in Kopfhöhe separiert. Delia Popa ihrerseits produzierte ein Video, dessen verschiedene Sequenzen die Szenen eines im Garten der Familie improvisierten Theaterstücks darstellen. Die Künstlerin ließ dabei die Kinder den fantastischen Roman „Momo“ von Michael Ende auf ihre Art interpretieren. Einen seltenen Blick in das Haus der Familie bietet eine kleine Fotoserie von Rothenberg, wobei der Sucher vornehmlich auf die farbenprächtigen Stick- und Näharbeiten fokussiert.
„Die moderne Kunst habe auch die Mission, die zeitgenössische Gesellschaft zu untersuchen und zu erforschen“, erklärte Kuratorin Liviana Dan zur Eröffnung der Ausstellung. Er halte diese Schau für eine interessante Annäherung an das Thema, meinte Alexandru Sonoc, Leiter der Kunstgalerien des Brukenthal-Museums. Man habe für das Projekt mit einer Familie von Corturari zusammen gearbeitet, da diese noch einen sehr traditionellen Lebensstil pflegten, informierte Oana Burcea. Die junge Wissenschaftlerin forscht seit fünf Jahren über die Roma-Minderheit im Kreis Hermannstadt. Das in dieser Zeit aufgebaute Vertrauen zu den Menschen kam den Künstlerinnen beim aktuellen Projekt zu Gute. „Wir wollten die Barriere zwischen Forscher und Forschungsobjekt minimieren“, meinte Burcea.