Hermannstadt – Gábór Fónyad las am vergangenen Donnerstag im Erasmus-Café Hermannstadt/Sibiu aus seinem 2015 im Wiener Verlag Wortreich erschienenen Roman „Zuerst der Tee“. Die Stimmung des zahlreichen Publikums wurde sichtlich aufgeheitert durch den Humor, der durch die Gelassenheit, mit der der Autor vorlas, noch gesteigert wurde. Mit einprägsamen Details und kontrastreich beschreibt Fónyád Personen, Orte und Situationen. Mit dem Effekt, dass man ganz und gar in die Welt seines satirisch anmutenden Romans abtaucht, in dem es um den Wissenschaftsbetrieb und eine für den jungen, verbohrten Wissenschaftler Eduard rettende Liebesgeschichte geht.
Eduard, die Hauptperson im Roman, ist Tschuktschologe und befasst sich mit den Kasussuffixen im Tschuktschischen, einer sibirischen Sprache. Um nicht länger in die Streitigkeiten am Wiener Institut für Sprachen und Kulturen der Arktis, wo er tätig ist, involviert zu werden und sich seiner Arbeit widmen zu können, mietet er ein Zimmer in Rye, einer Kleinstadt in England. Dort will er, durch nichts abgelenkt, eine linguistische Studie fertig stellen. Aber bereits bei der Ankunft deutet so manches darauf hin, dass der Plan scheitern wird. Schwer vorstellbar, das verspielt eingerichtete Zimmer als Arbeitszimmer zu verstehen, umso mehr für Eduard, der bereits ein Teeset als „hedonistisch“ auffasst. Auch die Fürsorge der Witwe Mrs. Woods lässt eher Aufdringlichkeit erahnen. Dass die Klavierspielerin Pauline, eine kontaktfreudige und aufgeweckte Künstlerin, im gleichen Haus ein Zimmer gemietet hat, bringt Gewissheit, dass wohl alles anders kommen wird, als Eduard sich das vorgenommen hatte.
Die vorgelesenen Passagen ließen darauf schließen, dass der Roman mit der Schilderung britischer Eigenarten gespickt ist. Wer mit diesen auch nur einigermaßen vertraut ist, kann sich über die seitenlange Darstellung der Wasserhahnanlagen an britischen Waschbecken freuen. In pikanten Einzelheiten wird festgehalten, wie abenteuerlich und gar nicht ungefährlich das Händewaschen in England sein kann. „Es gibt hierzulande nicht einen Wasserhahn, sondern gleich zwei. (…) Und damit das kalte Wasser und das warme Wasser nur ja nicht in Berührung kommen, sind die Wasserhähne gefühlte dreißig Zentimeter vonei-nander entfernt. (…) Die linke Hand erhält einen Kälteschock und die rechte verbrennt.“ Während der anschließenden Diskussion eröffnete Fónyad, der in Wien, Graz und Brighton Germanistik und Finno-Ungristik studiert hat, dass er in diesem seinem ersten Roman keine autobiographischen Elemente einzubauen beabsichtigt hatte. Da er selber aber nicht nur Autor, sondern auch Sprachwissenschaftler ist, lag es allerdings nahe, Eduard als Sprachwissenschaftler und nicht etwa, wie geplant, als Naturwissenschaftler darzustellen. Auch sein früherer Aufenthalt in England spielt für den Roman offensichtlich eine zentrale Rolle. Der Abend wurde von Teresa Leonhard, Künstlerin und Musikpädagogin organisiert und auch moderiert. Gemeinsam mit Mihaela Marga, Schülerin am Brukenthalgymasium, gestaltete sie auch die musikalischen Intermezzi. Die Veranstaltung wurde vom Österreichischen Kulturforum unterstützt.