Berühmte Theatergebäude  und steinerne Zeitzeugen

Fotoausstellungen zu Wiener und Bukarester Architektur

Eine Vielzahl von dramatischen mythologischen Statuen beobachten den Wiener Alltag von dessen Dächern. Foto: FNT

Die Pracht der elf, vom Architekturbüro Fellner & Hellmer entworfenen Theatergebäude in Österreich, Rumänien, Ungarn und Kroatien, die Teil des Ausstellungsprojekts sind, steht im Einklang mit dem Interieur des Bukarester Odeon-Theaters und seinen strategisch beleuchteten architektonischen Ornamenten. Foto: Facebook Österreichisches Kulturforum

Anlässlich des am 25. Oktober begangenen Europäischen Tages der historischen Theater präsentierte das Österreichische Kulturforum im Rahmen des 33. Nationalen Theaterfestivals (FNT) zwei Fotoausstellungen in Bukarest, „Theater von Fellner & Helmer. Subtile Reflexionen über lokale Besonderheiten und Identitätswerte” im Foyer des Majestic-Saals des Odeon-Theaters (Calea Victoriei Nr. 40-42) und „Geliehene Götter. Steinerne Wiener” im Kulturzentrum ARCUB-Gabroveni (Str. Lipscani Nr. 84 – 90). 

Erstere wurde von der rumänischen Architektin Loredana Stasisin als originelles kontinentales Puzzle konzipiert und zeigt nachhaltige Wege zum Umgang mit dem kulturellen Erbe auf. Zweitere ist ein umfangreiches, über mehrere Jahrzehnte hinweg durchgeführtes Forschungsprojekt der Theaterfotografin Christine de Grancy, welches die Symbole, Botschaften und Machtspiele, die in den Ornamenten der Wiener Paläste und historischen Gebäude verborgen sind,  über die Theatralik der Architektur der österreichischen Hauptstadt vor Augen führt. Beide Ausstellungen können noch bis Sonntag, den 5. November, besucht werden. Der Eintritt ist frei.

„Theater von Fellner & Helmer“

Wann lebt ein Theatergebäude wirklich? Kann ein Baudenkmal mehr als ein Jahrhundert nach seiner Errichtung noch zeitgemäß sein? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt eines umfassenden Forschungsprojekts der rumänischen Architektin und Spezialistin für architektonisches Erbe, Loredana Stasisin. Sie erforschte die Geheimnisse von elf der Dutzende von Theatern – darunter vier in Rumänien –, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in ganz Europa von dem berühmten österreichischen Architekturbüro als ausschließlich den darstellenden Künsten gewidmete Gebäude unter der Leitung von Ferdinand Fellner und Hermann Gottfried Helmer entworfen wurden.

Die konkrete Ausstellung mit Rollups im Odeon-Theater und die dazugehörige Webplattform www.fellner-helmer.theater öffnen die Türen zu ikonischen Kulturgebäuden in Graz, Wien (Österreich), Zagreb, Rijeka, Varazdin (Kroatien), Budapest (Ungarn), Klausenburg/Cluj-Napoca, Jassy/Iași, Großwardein/Oradea und Temeswar/Timișoara (Rumänien), die zu echten Wahrzeichen dieser Städte wurden. Neben dem modernen Bau, der speziell für die kulturellen Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften entworfen wurde, wird anhand dieser Gebäude veranschaulicht, wie das architektonische Erbe in der heutigen europäischen Gesellschaft verwaltet und genutzt wird.

Dieses speziell für das Kulturhauptstadtjahr Temeswar 2023 konzipierte Projekt wurde vom Museum Graz angeregt, von der Kulturvermittlung Steiermark, der Österreichisch-Rumänischen Gesellschaft gefördert und mit der Unterstützung des Nationaltheaters „Mihai Eminescu“ in Temeswar, der Fakultät für Kunst und Design der West-Universität in Temeswar, des Nationaltheaters „Lucian Blaga“ in Klausenburg/Cluj-Napoca, des Nationaltheaters „Vasile Alecsandri“ in Jassy und des Staatstheaters „Regina Maria“ in Großwardein realisiert.

„Geliehene Götter. Steinerne Wiener”

Seit 1975 klettert die Photokünstlerin Christine de Grancy auf die Dächer Wiens und betrachtet das Zentrum von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Kirche aus der Perspektive steinerner Zeitzeugen, die zugleich als Ornamente auf den Wiener Palästen und historischen Gebäude sowie als Träger von verborgenen Symbolen, Botschaften und Machtspielen fungieren. Diese Götter und Göttinnen, welche die Macht vertreten, sind schweigende Beobachter unserer Geschichte. Frei nach Arthur Schnitzler „Was war, das ist!“ erzählen Christine de Grancys Bilder von Vergangenem und seinen Auswirkungen auf das Heutige. In ihrer Kunst vereinen sich Erinnerungen, Illusionen, Zukunftsprojektionen und Realität, die die Künstlerin mit großer Sorgfalt zu Kompositionen verbindet, welche die Theatralik ihres Inhalts offenbaren.

„Grancys Bildergeschichten sind voller Hintersinn und Ironie. Warum gibt es ausgerechnet in der Stadt Freuds keine Statue der Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung? Ist es Zufall, dass auf dem Dach der Hofburg ausgerechnet Fama, die Göttin des Gerüchts thront? Warum wacht vor dem Parlament Pallas Athene, Göttin der Weisheit und der Kriegstaktik, in ihrer Hand Nike, die Siegesgöttin? Damals vielleicht Sinnbild des Wunsches nach Demokratie – und heute? Oder was will einer der Rossbändiger vor dem Parlament? Ein Schelm, wer Übles denkt!”, so die Kuratorin der Ausstellung, Mercedes Echerer.

Christine de Grancy ist um die halbe Welt gereist, um jene Fotos zu machen, die ihr Ruhm eingebracht haben: nach Griechenland, Russland, Japan, USA, Algerien, Westsahara, Portugal, China, Tibet, Pakistan, Türkei, Georgien, Niger und Mali. Sie absolvierte eine Ausbildung als Keramikkünstlerin und Grafikerin in Graz. Seit 1963 lebt und arbeitet sie in Wien, wo sie viele Jahre als Kunstleiterin in Werbeagenturen tätig war, bevor sie sich ausschließlich der Fotografie, auch der Theaterfotografie, widmete.

Die Fotografin bot am 23. Oktober im Rahmen ihrer Ausstellung auch einen Workshop für professionelle Fotografen an, die sich auf Theaterfotografie spezialisiert haben, sowie für Studenten, die sich in diesem Bereich weiterbilden.

Beide Ausstellungsprojekte stehen unter der Schirmherrschaft des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten und werden anlässlich des 50-jährigen Bestehens dessen Departements für internationale kulturelle Angelegenheiten auch in Bukarest gezeigt.