Burn, baby, burn!

Wirkung und Wirksamkeit bei der Brandvorbeugung

„Lass nur, es funktioniert auch so. Das ist nunmal so. Was soll ich denn schon machen?“ Gäbe es in Rumänien ein Ranking der häufigsten Antworten, so ist es diese.  „Lasă, că merge și așa. Asta e. Ce să fac?“ Diese kurz gefasste Floskel verdeutlicht die Mentalität, in der voller Gelassenheit Nichtstun gerechtfertigt wird, darauf spekulierend, dass ein maladaptives Provisorium dennoch dauerhaft hält, während auf allgemeine Unzulänglichkeiten verwiesen wird, gegen die man sowieso nichts ausrichten kann. Diese scheinheilige Tatenlosigkeit mit einem quasi systemrelevanten Imperfekt sowie damit verbundenem Frust auf alles und nichts zu begründen, ist ein „primäres Gefühl der Schuldlosigkeit“, wie es die Schriftstellerin Dana Grigorcea bezeichnet. Wichtigstes Prinzip dabei ist: Achte immer darauf, dass im Falle des Missglücks – ja, Missglücks, nicht Scheiterns – jemand anderem dafür die Verantwortung zugesprochen werden könnte. Schließlich ist man selbst schuldlos, man könne ja nichts für die Umstände. Am besten, man kann dann ein vollständig ausgefülltes Formular vorweisen, mit möglichst vielen Unterschriften und offiziell abgestempelt. Dann kann einem nichts passieren. Was nicht bedeutet, dass nichts passieren kann.

So geschehen vor knapp neun Jahren im Bukarester Club „Colectiv“ mit schließlich 64 Toten und noch mehr Verletzten wegen einer dysfunktionalen Gebäudesicherheit, einer dysfunktionalen Prüfaufsicht und disfunktionalem Betrieb. Und heute? Heute ist „Colectiv“ überall! Beispielsweise in Novi Sad/Neusatz (Serbien), wo im Herbst des Vorjahres das Vordach eines Bahnhofgebäudes einstürzte und 15 Menschen dabei erschlug. Die daraufhin aufbegehrenden Bürger seien vom Ausland angestachelt worden, sagte der Präsident Serbiens dazu. Und kürzlich brannte das 12-stöckige Viersterne-Skihotel „Grand Kartal“ in der Türkei, in dem Hotelgäste, vom Rauch aufgeschreckt, im Dunkeln vergeblich Notausgänge suchten – 76 schafften es nicht ins Freie und starben. Schuld sei auch die Feuerwehr, die 40 Minuten bis in den Gebirgsort benötigt habe. Dabei macht ein Kontrollformular der örtlichen Feuerwehrdirektion vom 16.12.2024 die Runde, wonach im besagten Hotel sämtliche Alarmsysteme, Flucht- und Löscheinrichtungen als nicht ausreichend festgestellt worden seien.

Sind solche Katastrophen auf die von Korruption begünstigten Regionen mit der Mentalität „asta e – ce să fac?“ beschränkt? Vor 29 Jahren kam es am Düsseldorfer Flughafen zu einem schweren Brandunglück mit 17 Todesopfern und 88 Verletzten. Sieben der an Rauchgas erstickten Menschen starben in zwei Aufzügen, die trotz des Brandes nicht nur in Betrieb waren, sondern auch die verqualmte Brandebene ansteuerten. Man könnte nun auf die Flughafenfeuerwehr mit dem Finger zeigen, die auf einer anderen Frequenz kommuniziert hat, als die herbeieilenden städtischen Löschein-satzleiter, die orientierungslos agiert haben. Tatsächlich aber setzten sich schließlich Fachleute der Aufzugsbranche und der Alarmierungssysteme zusammen. Infolgedessen wurden technische Normen erarbeitet, wonach die Steuerung der Fahrstühle zwingend mit der Brandmeldeanlage verbunden sein muss. Im Alarmfall fahren nun sämtliche Aufzüge in eine vordefinierte Grundposition und verbleiben dort. Ist jedoch gerade auf jener Ebene aber Alarm ausgelöst worden, so steuern die Aufzüge eine alternative Position an. Jene deutsche technische Norm wurde in das europäische Normwesen übernommen und gilt nun EU-weit. Ferner sind Fluchtwege mit batteriegepufferten Fluchtwegpiktogrammen gekennzeichnet; eine Notbeleuchtung mit einer u.a. für mindestens 30 Minuten feuerresistenten Stromversorgung erhellt die Fluchtwege, die durch ebenfalls resistente Brandschutztüren abgeschottet sind.

Brandkatastrophen zeigen auf, wo ein System dysfunktional ist. Wichtig ist, wie darauf reagiert wird.

Rauchsignale eines schwer lokalisierbaren Schwelbrandes gab es in Rumäniens Demokratie bereits vor den Präsidialwahlen. Die NGO „Expert Forum“ wies Anfang 2024 bereits vor den Wahlen zum Europaparlament auf die „harababur˛“ in der Umsetzung des Wahlrechts hin. Als dann ein nationalistisch-religöser No-Name-Kandidat auf den sozialen Netzwerken erfolgreich wurde, erklärte das Oberste Gericht auf Basis nachrichtendienstlicher Erkenntnisse die Wahlen - und nicht etwa den Wahlgang -  komplett für ungültig. Beweise für die Begründung wurden jedoch auch im Nachgang nicht bekannt. Statt dessen wurden im Hintergrund agierende ausländische Mächte bemüht. Nun gibt es bald Neuwahlen - ohne Wahlrechtsreform unter einem laut schweigenden Interimspräsidenten. Asta e - ce să fac?

Sind solche Debakel auf die von Einflussnahme begünstigten Regionen mit der Mentalität „asta e - ce să fac?“ beschränkt? In Österreich finden drei Parteien der demokratischen Mitte nicht zu einer Regierungskoalition, so dass - völlig absehbar - ein Rechtsnationaler zum „Volkskanzler“ werden könnte und vor der „Festung Europa“ schwadroniert, als stünden die Türken vor Wien. Sich und den Warenverkehr einzuschränken, um sich nach außen abzusichern, findet Nachahmer. In Deutschland formiert sich ein politisch bürgerliches Lager rechts der Mitte, das EU-Regelungen zum Asylschutz als dysfunktional erklärt und die Bundesrepublik mitten in Europa mit Grenzkontrollen abschotten möchte, was natürlich an der bereits hohen Anzahl nicht aufenthaltsbefugter Ausländer im Land nichts ändert. Um bei dem Bild eines dysfunktionalen Gebäudes zu bleiben, wird in Deutschland das Dach abgedichtet, weil im Keller Wasser ist.
US-Präsident Donald Trump fördert populistisch Ölbohrungen mit dem Slogan „drill, baby, drill!“, was anstatt sinkender Spritkosten tatsächlich aber Klimakatastrophen und Waldbrände in Kalifornien begünstigen wird, wofür die Feuerwehr beschuldigt wird. Es gilt jedoch nicht Wirkung mit Wirksamkeit zu vertauschen, sonst wird aus „drill, baby drill“ ein „burn, baby, burn“. Eine kurzfristige Wirkung unter Wählern führt zu Enttäuschungen bei ausbleibender Wirksamkeit der Wahlversprechen. Ist ein Flughafenterminal dysfunktional, so muss und kann das mit interdisziplinären Kraftanstrengungen nachgebessert werden. Das gilt auch im gemeinsamen Haus Europa. Ist eine EU-Regelung dysfunktional, so muss sie nachgebessert und nicht komplett aufgehoben werden - in der Gebäudesicherheit wie auch im politische-administrativen Gefüge.