Das schwarze Jubiläum

Oder wie der 11. September die Welt nachhaltig verändert hat und weiterhin prägt

Foto: sxc.hu

Wissen Sie noch, was Sie am Montag, dem 13. September 2004, gemacht haben? Gut, das liegt schon weit zurück. Wie wäre es mit dem Dienstag, dem 17. November 2009? Auch schwierig. Aber wahrscheinlich weiß noch jeder von uns, wo er am 11. September 2001 war und was er an diesem Tag getan hat. Dieses Datum ist uns ins Gedächtnis eingebrannt worden: „Der Tag des schlimmsten Terrorangriffs in der Geschichte der Menschheit“ ist auch der „Tag, der die Welt veränderte“.

Zehn Jahre ist es her, seit die Zwillingstürme einstürzten und rund 3000 Menschen zu unfreiwilligen Helden gemacht haben. Um sie trauern am 11. September nicht nur die Amerikaner, sondern die Angehörigen in der ganzen Welt. Durch seine Arglist und seine Brutalität reiht sich der „9/11“-Anschlag in die Kette der schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte ein. Dieses Datum wird gewiss für lange Zeit in dem gemeinsamen Gedächtnis der Welt bleiben.

Was leider langsam in Vergessenheit gerät, sind die Folgen dieses Anschlags, die uns nicht nur alle betreffen, sondern im direkten Sinne des Wortes „die Welt veränderten“. Bereits am 12. September trat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu seiner 4370. Sitzung zusammen, verurteilte die Anschläge „als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ und gab „in Anerkennung des naturgegebenen Rechts zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung im Einklang mit der Charta (der Vereinten Nationen)“, wenn auch indirekt, grünes Licht für die Operation „Enduring Freedom“ (Dauerhafte Freiheit). Am 7. Oktober 2001 begannen die USA und Großbritannien mit den ersten Luftangriffen auf Afghanistan, dessen Führung die Unterstützung von al-Qaida vorgeworfen wurde. Ganz im Sinne des von George W. Bush am 20. September vor dem US-Kongress Gesagten: „Und wir werden die Staaten verfolgen, die dem Terrorismus Hilfe zur Verfügung stellen oder ihm einen sicheren Hafen bieten“. Diese Absicht des US-Präsidenten wurde zwei Jahre später auch der irakischen Regierung und dem damaligen Staatspräsidenten Saddam Hussein zum Verhängnis und führte zum Einmarsch der sogenannten „Koalition der Willigen“ im Irak.

Wer denkt, es ginge weder ihn noch seinen Staat an, der irrt. Der vom US-Kongress im Oktober 2001 verabschiedete USA PATRIOT Act (zu Deutsch „Gesetz zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Werkzeuge, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren“) beschneidet nicht nur die Bürgerrechte der US-Amerikaner, sondern auch die der USA-Reisenden. Festnahmen auf unbestimmte Zeit (der Kongress kontrolliert solche Festnahmen im Halbjahresrhythmus), Abhörung der Telefonate ohne richterliche Zustimmung, Observation des E-Mail-Verkehrs, Einsicht in die finanziellen Daten der Bankkunden oder Wohnungsdurchsuchungen in Abwesenheit von Besitzern wurden durch dieses Gesetz legalisiert. Natürlich gelten sie nur für die Schurken, Mitglieder der terroristischen Vereinigungen, und betreffen keines-falls die anständigen Bürger. Jedoch entscheidet das amerikanische Justiz- und Außenministerium darüber, welche Vereinigung denn als terroristisch eingestuft wird? Prüfen Sie lieber vor einer Reise in die USA nach, ob Ihr Schützenverein eventuell auf der Liste steht.

Aber auch ohne in die USA einzureisen hat man es als „Terrorismus-Verdächtiger“ nicht einfach. Das Gefangenenlager „Guantanamo Bay“ auf Kuba bleibt trotz des Schließungsdekrets von Präsident Obama aus dem Jahr 2009 offen. Darin fristen einige Hundert sogenannter „Häftlinge“ aus mehr als 40 Ländern ein rechtloses Dasein. Und auch wenn die US-Außenministerin Hillary Clinton 2009 ankündigte, den Terminus „Der Krieg gegen den Terror“ nicht mehr zu verwenden, geht dieser nicht mehr ausdrücklich so genannte Krieg weiter. Man sollte einen Satz im „9/11 Commission Report“ nicht außer Acht lassen: „In this same sense, the American homeland is the planet“ (In diesem Sinne, die amerikanische Heimat ist der Planet). Folglich kann man die Heimat und die eigenen Interessen überall auf dem Globus verteidigen.

Der 11. September 2001 veränderte vieles im Alltagsleben der Bewohner der blauen Kugel namens Erde: Die Angst vor den möglichen Terroranschlägen wird weiterhin geschürt und erleichtert die Eingrenzung der Bürgerrechte. Jede Tat, die als Terrorakt eingestuft wird, kann zum Angriff auf einen unabhängigen, wenn auch noch so diktatorischen Staat führen. Die Welt bleibt weiterhin in Gut und Böse geteilt. Und das, was die einzige verbliebene Supermacht als böse bezeichnet, wird ohne Rücksicht auf Verluste bekämpft. Reichen die 3000 Menschenleben vom 9/11, Tausende und Zehntausende in Afghanistan und im Irak nicht? Langsam wird der Aufruf zum Dialog zwischen den Kulturen immer hörbarer. Man merkt, dass der „Krieg gegen den Terror“ nicht die erwünschten Resultate gebracht hat, sondern die Spaltung der Welt nur noch tiefer und die Sicherheit ihrer Bewohner viel fragiler gemacht hat. Der schon genannte „9/11 Commission Report“ stellt zwei Feindesgruppen auf: al-Qaida und die radikalen Bewegungen innerhalb der islamischen Welt. Besonders zu beachten ist der Abschnitt, in dem es heißt, dass der Kampf gegen den islamischen Terror auch nach der Zerschlagung der al-Qaida fortgeführt werden muss.

Der 11. September bleibt in Erinnerung, auch weil im Zusammenhang mit den Angriffen viele Fragen entstanden sind, die bisher offen blieben. Wie konnte eine verhältnismäßig kleine Gruppe den mächtigsten Staat der Welt angreifen und wo sahen die zuständigen Behörden hin? Bereits 2001 war der US-Verteidigungshaushalt um einiges größer als das Bruttoinlandsprodukt Rumäniens. Eine berechtigte Frage bleibt aber „Cui bono?“ Dass die Vereinigten Staaten ihren Nutzen aus den Anschlägen bereits gezogen haben, ist sichtbar: Der Verteidigungshaushalt ist schon 2004 um 50 Prozent gestiegen, die Ölfelder im Irak stehen unter dem „Schutz“ der USA. Ein unpassendes politisches Regime kann jederzeit zum „Terror-Unterstützer“ erklärt und auch ohne Genehmigung durch den UN-Sicherheitsrat eliminiert werden. Der 9/11 liefert weiterhin einen guten Grund für die Verteidigung der Heimat auch am Hindukush. Wie lange diese menschliche Tragödie noch für weitere Angriffskriege und Präventionsschläge hinhalten muss, ist ungewiss.