Die Statistiken der vergangenen Jahre machen es deutlicher denn je: Rumänien, wie viele andere europäische Länder auch, steht vor einer der größten gesellschaftlichen He-rausforderungen des 21. Jahrhunderts – einem tiefgreifenden demografischen Wandel. Statistiken und Untersuchungen zeigen einen kontinuierlichen Rückgang der Bevölkerung, eine zunehmende Alterung und die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Implikationen.
Aktuell beträgt die Bevölkerung Rumäniens etwa 19 Millionen Menschen, so die Daten der Volkszählung aus dem Jahr 2021. Bei der Volkszählung 2011 lag die Einwohnerzahl bei über 20 Millionen Menschen, was bedeutet, dass das osteuropäische Land innerhalb eines Jahrzehnts über eine Million Menschen verloren hat. Befragungen und wissenschaftliche Untersuchungen machen deutlich, dass die Hauptursachen für diesen Bevölkerungsverlust die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung, sprich, mehr Todesfälle als Geburten, und die starke Auswanderung vor allem der jungen Menschen seien.
Bevölkerungsrückgang schreitet voran
Zum 1. Januar betrug die ständige Wohnbevölkerung Rumäniens 21.739.400 Personen, was einem Rückgang von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, so die Daten des Nationalen Statistikamts (INS). Dieser negative Trend setzt sich seit Jahren fort und betrifft insbesondere rurale Regionen, in denen die Abwanderung junger Menschen und die niedrige Geburtenrate besonders ausgeprägt sind. Die Aussichtslosigkeit, einen Job in den jeweiligen ländlichen Ortschaften zu finden, ist der Hauptgrund der Entscheidung zur Auswanderung. Ein Blick auf den Bergort Nadrag/Nădrag im Kreis Temesch/Timiș, vor 1989 ein florierender Wirtschaftsort in Westrumänien, reicht, um zu beobachten, wie stark dort die Bevölkerung in den verstrichenen Jahrzehnten zurückgegangen ist. Von über 2800 Menschen bei der Volkszählung 2011 ließen sich bei der Befragung 2021 nur noch über 2300 registrieren, was einem Rückgang von etwa 17 Prozent entspricht. Am anderen Ende Rumäniens, im Kreis Jassy/Iași, weist die Ortschaft Hălăucești einen noch stärkeren Bevölkerungsrückgang auf. Während 2011 noch rund 5500 Menschen die Gemeinde bewohnten, waren es zehn Jahre später nur noch knapp über 4000. Damit gehört Hălăucești zu den Gemeinden mit dem stärksten relativen Bevölkerungsrückgang (etwa 27 Prozent) im Kreis Jassy und in Rumänien überhaupt. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in Gemeinden aus anderen rumänischen Verwaltungskreisen verzeichnen.
Hinzu kommt eine weitere Situation: Die demografische Entwicklung schwankt erheblich zwischen den verschiedenen Regionen Rumäniens. Im Nord-Westen beispielsweise ging die Bevölkerung in den zehn Jahren bis 2024 um 1,8 Prozent zurück, was unter dem nationalen Durchschnitt von 4,0 Prozent liegt. Innerhalb der Region gibt es jedoch signifikante Unterschiede: Während in Klausenburg/Cluj-Napoca ein Bevölkerungswachstum zu verzeichnen ist, schrumpfen ländliche Gebiete weiter.
Zunehmende Alterung
Parallel zum demografischen Rückgang der Bevölkerungszahlen schreitet die Alterung der Bevölkerung in den letzten Jahren weiter voran: Die Zahl der Personen ab 65 Jahren lag voriges Jahr im Juli mit rund 4 Millionen deutlich über der der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren (etwa 3 Millionen), was einen Überschuss älterer Menschen von mehr als 900.000 Menschen bedeutet. Der Anteil der älteren Bevölkerung (65 Jahre und mehr) stieg damit um 0,4 Prozentpunkte, während der Anteil der jungen Bevölkerung (0–14 Jahre) um 0,3 Prozentpunkte leicht abnahm, informierte das Statistikamt vorigen Sommer. Eine Umkehrung des Gleichgewichts in der Zwischenzeit ist eher unwahrscheinlich. Diese Entwicklung verdeutlicht die zunehmende Belastung des Sozial- und Rentensystems in Rumänien und unterstreicht die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels.
Die durchschnittliche Lebenserwartung in Rumänien steigt kontinuierlich an, was einerseits positiv ist, andererseits jedoch die Herausforderungen im Gesundheits- und Rentensystem verstärkt. Die steigende Lebenserwartung führt zu einer längeren Rentenbezugsdauer und erhöhten Ausgaben im Gesundheitswesen. Auch dessen müssen sich Entscheidungsträger in Rumänien bewusst sein.
Steigende Kosten für Rumänien
Der 2024 veröffentlichte „Ageing Report“ des Wirtschaftspolitischen Ausschusses (EPC) und der Europäischen Kommission bietet langfristige Projektionen zu den wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Auswirkungen einer alternden Bevölkerung in Rumänien bis zum Jahr 2070. Für Rumänien prognostiziert der offizielle Bericht einen Anstieg der öffentlichen Ausgaben für Renten, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege. Besonders hervorzuheben ist die erwartete Zunahme der Gesundheitsausgaben, die durch den Anstieg chronischer Erkrankungen und die Notwendigkeit einer besseren Versorgung älterer Menschen bedingt ist.
Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung. Deutlicher kann es eigentlich nicht sein: Mit dem Rückgang der Geburtenrate und der Abwanderung junger Menschen schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen. Zur Entlastung der Systeme werden Maßnahmen empfohlen, die die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erhöhen und die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt fördern. In Deutschland und Österreich zeigen ähnliche demografische Trends, dass eine steigende Erwerbstätigkeit älterer Menschen bereits teilweise zur Stabilisierung der Sozialkassen beiträgt, während in Ungarn die sinkende Erwerbsbevölkerung stärker auf finanzielle Engpässe im Rentensystem wirkt.
Im Vergleich dazu sehen die Projektionen für Deutschland und Österreich ebenfalls steigende Gesundheitsausgaben, wobei in Deutschland die Ausgaben bereits heute einen der höchsten Anteile am BIP in der EU ausmachen. Im rumänischen Nachbarland Ungarn werden ähnliche Tendenzen erwartet, jedoch auf einem insgesamt etwas niedrigeren Niveau als in Rumänien, was teilweise auf unterschiedliche demografische Strukturen und Gesundheitssysteme zurückzuführen ist.
Schließlich unterstreicht der Bericht, dass die demografischen Veränderungen nicht nur die öffentlichen Haushalte, sondern auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betreffen. Die Zunahme der Alterspopulation erfordert Investitionen in altersgerechte Infrastruktur, digitale Gesundheitslösungen und präventive Maßnahmen, um die Belastungen abzufedern. Während Rumänien hierbei vor besonderen Herausforderungen steht, da der Alterungsprozess schneller verläuft, zeigen Deutschland und Österreich, dass frühzeitige politische Maßnahmen – etwa in der Gesundheitsprävention und Weiterbildung älterer Arbeitnehmer – die langfristigen Kosten abmildern können. Ungarn befindet sich in einer mittleren Position, mit ähnlichen Trends, aber einem geringeren Tempo des Ausbaus von sozialen und gesundheitlichen Infrastrukturen. Von „frühzeitigen“ politischen Maßnahmen kann in Rumänien jedoch längst nicht die Rede sein. Der politische Kampf um die Abschaffung der Sonderrenten, der aktuell in Rumänien im Gange ist, zieht derzeit die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich.
Lösungen erwartet
Doch um den Herausforderungen des demografischen Wandels in Rumänien zu begegnen, werden weit mehr politische Maßnahmen in Betracht gezogen. Im Mittelpunkt steht die Förderung der Geburtenrate, etwa durch finanzielle Anreize, der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen. Während die finanzielle Unterstützung für Mütter weitestgehend gegeben ist, mangelt es in Rumänien an staatlichen Kitas und Kindergärten.
Die Integration von Mi-granten scheint auch in Rumänien an Bedeutung zu gewinnen, auch wenn besondere Programme zur Arbeitsmarktintegration bislang nicht im Fokus standen. Im Ranking der Länder, die die meisten ausländischen Arbeitnehmer für Rumänien liefern, stehen Nepal, Sri Lanka und Indien. Ende 2024 waren beim Generalamt für Einwanderungen mehr als 140.000 Arbeitnehmer registriert, die aus Ländern außerhalb der EU stammten. Die ausländischen Mitarbeiter sind vor allem in der Produktion, im Bauwesen, im Handel und in der Gastwirtschaft tätig oder leisten Verwaltungs- und Unterstützungsdienste.
Es ist unumstritten, dass das rumänische Rentensystem durch Reformen langfristig gesichert werden müsste – etwa durch eine nachhaltige Finanzierung und die stärkere Einbindung älterer Menschen in den Arbeitsmarkt. Ergänzend soll auf Investitionen im Gesundheitswesen gesetzt werden, mit Fokus auf den Ausbau von Langzeitpflegeeinrichtungen sowie auf präventive Maßnahmen, um die Belastungen des Systems abzufedern. Davon scheint Rumänien jedoch noch weit entfernt zu sein.
Fakt ist: Der demografische Wandel in Rumänien ist längst Realität. Besonders besorgniserregend sind jedoch die Entwicklungen der letzten Jahre und die düsteren Prognosen für die Zukunft. Sie machen deutlich, dass Politik und Gesellschaft dringend ein Umdenken brauchen.