Eine neue, sichere Atomenergie für Rumänien?

Eines der ersten Mini-Kraftwerke weltweit soll hier gebaut werden. Von den Vorteilen und Nachteilen der neuen Technologie

Statt auf große Meiler wie dieses Atomkraftwerk am Rhein möchte man in Zukunft auf kleinere Varianten setzen. | Foto: Markus Distelrath/pexels.com

Egal, ob Bill Gates, Emmanuel Macron oder Präsident Klaus Johannis: Sie alle schwärmen von der neuen Technologie. Eine, die demnächst rumänische Haushalte oder Fabriken mit Energie versorgen soll – Atomkraft aus „Small Modular Reactors (SMR)“. Mini-Kraftwerke, die etwa Städte, Krankenhäuser oder staatliche Einrichtungen mit Strom versorgen können. Die Hoffnung: Sie sollen eine neue Ära der Kernenergie einleiten, nachhaltig sein und Rumänien zu sauberer Energie verhelfen. Während der Klimakonferenz in Glasgow kündigte Johannis an, mit den USA einen der ersten SMR weltweit zu bauen. Doch während die beteiligten Staaten sich eine sichere und klimafreundliche Energie erhoffen, zweifeln Umweltschützer und Forschende das Vorhaben an.

Viel ist über die Mini-Kraftwerke noch nicht bekannt. Das erste von ihnen begann erst im letzten Jahr eine Region im Osten Russlands mit Strom zu versorgen. Der Transport auf einer schwimmenden Plattform bis zur ostsibirischen See sorgte weltweit für Aufsehen. Die SMR gelten als vielversprechende Energiequelle: Dutzende von ihnen befinden sich derzeit in Planung. Die internationale Atomenergie-Organisation spricht von einem wachsenden Interesse. Zeitungen titeln bereits von einer „schönen neuen Reaktorwelt“ oder dem „AKW für Ihren Garten“. 

Die Hoffnung: Die Mini-Kraftwerke sollen die Klimakrise bekämpfen. Denn während Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und Überschwemmungen ganze Landstriche verwüsten, sollen die kleinen Reaktoren eine Schlüsselrolle in der sauberen Energiewende spielen. Sie sollen Rumänien helfen, aus der Kohleindustrie auszusteigen und die Treibhausgasemissionen reduzieren.   

Große Versprechungen. Anderseits sind manchen die Bilder der Atomkatastrophen noch gut in Erinnerung: Wie die Reaktorgebäude in Fukushima explodierten, Rauchschwaden über Tschernobyl zogen und vor allem verlassene Ruinen hinter sich ließen. Vor allem die Gebiete in der Ukraine wurden über Jahrzehnte mit radioaktiver Strahlung verseucht, zehntausende, wenn nicht gar hunderttausende Menschen starben. Können die neuen Reaktoren so sicher und so effizient sein, dass ihre Vorteile die Nachteile überwiegen? 

Die rumänisch-amerikanische Partnerschaft

Zunächst ist die Frage: Warum ausgerechnet Rumänien? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander: Die an der Partnerschaft beteiligten Unternehmen sprechen etwa von einer renommierten Ingenieurschule des Landes oder dass die Technologie „eine Schlüsselrolle“ bei der Erreichung der rumänischen Ziele für saubere Energie spielen könne. Umweltschützer hingegen vermuten, dass es hier leicht sei, die Politiker von der neuen Technologie zu überzeugen. Rumänien wolle schließlich bis 2032 aus der Kohleindustrie aussteigen. Eine Alternative muss gefunden werden. Nur geht das alles auf Kosten der Sicherheit? 

Sicherheit mit offenen Fragen

Laut der US-amerikanischen Firma, die den Reaktor in Rumänien bauen wird, habe man aus damaligen Katastrophen gelernt: Durch eine intelligente Konstruktion sollen die neuen Kraftwerke gegen „extreme externe Ereignisse“ wie Fukushima geschützt sein, heißt es auf der Webseite.  

Das Problem bei dem japanischen Kraftwerk: Die Überhitzung der Reaktoren. Als der Strom in Folge eines Erdbebens und eines Tsunamis ausfiel, konnten die Brennstäbe nicht mehr gekühlt werden. Sie erhitzten sich, der Reaktor explodierte, radioaktives Material gelangte in die Umwelt.

Die Kühlung der neuen Kraftwerke hingegen soll trotz eines Erdbebens automatisch weiterlaufen. Es würden weder Pumpen noch Strom gebraucht, heißt es auf der Webseite des US-amerikanischen Herstellers.  

Das Prinzip dahinter: Ein SMR wie der in Rumänien geplante ist aus mehreren Modulen aufgebaut. Diese kann man sich wie Flaschen vorstellen, in denen sich der radioaktive Kern befindet. Die Flaschen schwimmen in einem Wasserbecken. Bei einem Stromausfall schaltet sich der Reaktor automatisch ab. Wenn eine Notkühlung erforderlich ist, zirkuliert der Wasserdampf dann innerhalb der Flasche und wird stetig von dem kalten Wasser außerhalb gekühlt. 

Was kann da noch passieren? „Die Risiken könnten versteckt sein“, vermutet Lavinia Andrei von der Organisation Terra Mileniul III. Für sie müssten die Reaktoren noch mehr Sicherheitstests durchlaufen, ehe einer in Rumänien gebaut wird. Ein genauerer Blick auf Studien zeigt: Nach Berechnungen des Herstellers liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Reaktorkern zu Schaden kommt bei den in Rumänien geplanten Modellen bei weniger als einem Milliardstel pro Jahr Betrieb. Dies schreibt das Öko-Institut in Deutschland in einem Bericht. Klingt nach wenig. Allerdings gebe es laut den Physikern noch offene Fragen: Die Heizrohre könnten etwa verschleißen oder durch Dichteschwankungen im Kühlmittel belastet werden. Laut einem Artikel im Fachmagazin Science von 2020 gebe es außerdem Bedenken, dass das zirkulierende Wasser durch seine chemische Zusammensetzung die Reaktoren wieder „zum Leben erwecken könnte“. Auch dann könnte es zu einer Überhitzung kommen. Inwiefern Änderungen des Designs seitdem etwas brachten ist fraglich. Wie sicher die Reaktoren wirklich sind, wird sich erst zeigen, sobald einer gebaut wurde. 

Was soll mit dem Müll passieren?

Wie bei jedem Atomkraftwerk gibt es auch bei den SMR ein relevantes Thema: Den Atommüll. Die radioaktiven Brennelemente müssen irgendwo gelagert werden. Einen ungefähren Plan gibt es laut Nuclearelectrica schon. Die Firma setzt das Vorhaben in Rumänien um. Die abgebrannten Brennelemente sollen für „mindestens fünf Jahre“ in einem mit Edelstahl ausgekleideten Betonbecken unter Wasser aufbewahrt werden. Gebrauchter Brennstoff könnte außerdem mit „neuen Technologien“ wiederverwertet werden. Diese werden gerade noch entwickelt. 

In dem bereits erwähnten Bericht des Öko-Instituts heißt es generell zur Wiederverwertung: „… hierfür bedarf es einer spezifischen Industriestruktur, die in den meisten der SMR-Staaten nicht existiert.“ Und selbst dann wird man auf ein Endlager nicht verzichten können. Schon beim Atomkraftwerk Cernavodă müssten laut einem Schreiben des rumänischen Energieministeriums die Zwischenlager erweitert werden, ehe eine Endlösung gefunden wäre. Ein Endlager soll laut den Plänen erst um 2055 in Betrieb genommen werden. Die Fertigstellung eines Endlagers verzögerte sich bereits in vielen Ländern der Erde um Jahrzehnte. Für die Umweltaktivistin Andrei wäre es auch eine Frage, welches Dorf oder welche Stadt einen solchen Ort direkt in ihrer Umgebung dulden würde. 

Eine Brücke zur sauberen Energie? 

Nur wäre ein Lager gefunden und die offenen Fragen zur Sicherheit geklärt – könnte dann ein SMR in Rumänien den Weg in eine grüne Zukunft ebnen? Während Strom immer teurer wird und die Klimakrise mehr und mehr voranschreitet – könnte diese Art der Stromerzeugung Solarkraft oder Windenergie ergänzen? 

Nuclearelectrica ist davon überzeugt: Der Atomkraft in Rumänien werde „… das nationale Energiesystem dabei unterstützen, Stabilität und Sicherheit durch saubere Energie erreichen.“ Der von Kohlekraftwerken produzierte Strom könnte komplett durch die neuen Mini-Kraftwerke ersetzt werden. Unabhängig von Sonne oder Wind könnten sie je nach Verbrauch an- und abgeschaltet werden. Ein Vorteil der Kernenergie.  

Die neuen Kraftwerke könnten jedoch zu einem teuren und langlebigen Projekt werden: Erst 2028 ist der erste SMR in Rumänien geplant. Der Bau eines in den USA geplanten Reaktors desselben Typs verzögert sich schon jetzt um mehrere Jahre. Die Kosten von ursprünglich vier Milliarden USD werden mittlerweile auf sechs Milliarden geschätzt. Somit ist nur dieses Mini-Kraftwerk fast so teuer wie der Berliner Flughafen. Die Frage ist: Wer finanziert ein solches Projekt? Da die Vereinbarung gerade erst unterzeichnet wurde, sei es noch zu früh, konkrete Kosten und Investitionsdetails zu nennen, schreibt Nuclearelectrica. Zu den konkreten Maßnahmen wie es dafür sorgen möchte, dass die Kosten nicht explodieren, folgt eine lange Antwort. Zusammengefasst: Mit einer smarten Technologie wolle man direkt eine Verzögerung ausschließen. Die einzelnen Module könnten etwa in den Fabriken hergestellt und müssten vor Ort nur noch zusammengesetzt werden.   

Bis das neue Kraftwerk gebaut werden würde, könnte Atomstrom jedoch immer teurer werden: Schon jetzt sind die Preise seit 2009 um mindestens 25 Prozent gestiegen. Außerdem ist die Frage, inwiefern die kleinen Kraftwerke wirklich rentabel sind. Das deutsche Öko-Institut urteilt: Um die bisherigen Meiler weltweit zu ersetzen, müssten viele tausend bis zehntausend der kleinen Reaktoren gebaut werden. Nicht nur, dass das vielleicht ein utopisches Unterfangen ist – mit der Anzahl der SMR steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Unfälle. Auch um die gesamte Kohlekraft in Rumänien zu ersetzen, müssten laut Nuclearelectrica fünf Kraftwerke und nicht nur eines gebaut werden – und zwar jeweils etwa doppelt so groß. 

Das neue Kraftwerk könnte für Befürworter der Technologie zwar zu einem Prestige-Projekt Rumäniens werden, tausende Jobs schaffen und vielleicht sauberere Energie als die Kohleindustrie produzieren. Kritiker der SMR fordern jedoch, andere Wege einzuschlagen: Statt die Atomkraft auszubauen, müsste man laut Umweltaktivistin Andrei das Geld „lieber in die erneuerbaren Energien investieren.“ Solarpanels und Windkraft werden immer günstiger. Zudem müsste man auch ein „starkes Netz“ schaffen und die Leitungen ausbauen. 

Für Lavinia Andrei ist es eine Frage, entweder das eine oder das andere zu tun. Rumänien hingegen möchte in beide Technologien investieren. Aber werden die neuen Reaktoren wirklich einen Ausweg aus der Klimakrise darstellen? Zunächst müssen noch die offenen Fragen zur Sicherheit geklärt und ein Ort für ein Endlager gefunden werden.