„Es ist unglaublich, dass Rauchen in Rumänien als normal betrachtet wird“

FreshAir4Life, ein internationales Projekt im Kampf gegen das Rauchen

Zigaretten verschmutzen nicht nur die Lungen. Auch die Umwelt leidet unter dem Rauch, den Zigarettenkippen auf den Straßen, am Strand, in Gewässern. Vapes landen nach mehrmaligem Gebrauch auch auf dem Müll und tragen zur Umweltverschmutzung bei. | Symbolfoto: Pixabay

Rosa, babyblau oder zitronengelb – es gibt sie in allen möglichen Farben und Nuancen und mit unglaublich vielen Geschmacksrichtungen wie Kirsche, Erdbeere oder Pfefferminze. Vapes (elektronische Zigaretten) ziehen auch mit dem modernen Design an und sind seit einigen Jahren voll im Trend. Insbesondere Jugendliche sind von den aggressiven Marketingtaktiken der Tabakindustrie betroffen, die Vapes als eher harmlos und niedlich darstellen. Experten warnen davor, dass der Konsum der aufgewärmten Flüssigkeiten durch diese Geräte gesundheitliche Schäden bewirken und zudem den Übergang zu Zigaretten und anderen Suchtmitteln erleichtern kann. 

Das Problem ist ernst, denn laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben über acht Millionen Menschen jedes Jahr wegen des Tabakkonsums. 25 Prozent aller Krebserkrankungen haben dieselbe Ursache. Luftverschmutzung ist ein weiterer Risikofaktor, der die Atemwege schwer beschädigen kann. 

Das internationale Projekt FreshAir4Life (Frische Luft für das Leben) forscht nach durchführbaren Methoden, zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten, die sich auf Jugendliche in benachteiligten Bevölkerungsgruppen auswirken, welche Tabak und Luftverschmutzung ausgesetzt sind und will diese in mehreren Ländern umsetzen. Ein Drittel der Belastung durch diese Krankheiten ist auf Tabakkonsum und Luftverschmutzung zurückzuführen. 

Die Universität Leiden in den Niederlanden koordiniert das Projekt, das in fünf Ländern durchgeführt wird, darunter auch Rumänien. FreshAir4Life hat heuer begonnen und erstreckt sich über vier Jahre auch in Kirgisistan, Pakistan, Griechenland, Uganda und wird von Partnern aus Belgien, Holland und dem Vereinigten Königreich unterstützt. Im Mai dieses Jahres waren mehrere Fachfrauen der holländischen Universität unter anderem in Kronstadt/Brașov und Bukarest und haben gemeinsam mit Ärzten, Repräsentanten von Universitäten und weiteren Bildungseinrichtungen erforscht, wie das  Rauchen im Land betrachtet wird, welche Gewohnheiten es in Bezug auf den Tabakkonsum gibt, was dagegen unternommen wird. „Es ist unglaublich zu sehen, dass Rauchen in Rumänien normal ist. Es scheint sehr tief in der Kultur eingebettet zu sein. Das kenne ich aus Holland gar nicht, dass man überall raucht, dass man in Geschäften und Restaurants von Vertretern der Tabakindustrie angesprochen wird und sie versuchen, einem Produkte zu verkaufen“, sagt Charlotte Hoffman, Recherchekoordinatorin des Projekts. Sehr erstaunt war sie auch über die Lockerheit, mit der Jugendliche in Rumänien über das Rauchen reden, als sei es völlig in Ordnung, was sie tun. In den anderen Ländern, wo geforscht wird, sei das nicht so prägnant gewesen. In Uganda beispielsweise habe vor einigen Jahren ein Kulturwandel stattgefunden, der durch das Gesetz gefestigt wurde und der das Rauchen in öffentlichen Bereichen weitgehend verbietet.

„Nikotin ist einer der Stoffe, der am intensivsten Abhängigkeit herstellt. Das wird häufig unterschätzt“, erklärt die Cristina Isar, eine der rumänischen Hausärztinnen, die im Projekt mitmachen. Es sei hierzulande eine gesellschaftlich akzeptierte Droge, die mit vielen Ritualen und Gewohnheiten verbunden ist, aber auch mit Identitätsbildung und einem gewissen Außenbild. 

Tabakindustrie braucht neue Konsumenten

Da die Hälfte aller Tabakkonsumenten vorzeitig stirbt, ist die Aufrechterhaltung des Tabak- und Nikotinmarktes stark von der Gewinnung neuer, junger Nutzer abhängig, steht auf der Internetseite der WHO, who.int. Tabakunternehmen setzen zahlreiche Taktiken ein, um das Vertrauen und das Interesse junger Menschen in einem frühen Alter zu gewinnen, denn je früher man mit dem Rauchen beginnt, desto schwieriger ist es, damit aufzuhören. „Das Alter, in dem Kinder anfangen zu rauchen, sinkt, es ist besorgniserregend“, fügt Isar hinzu. Es gebe sogar Kinder mit acht Jahren, die regelmäßig rauchen, allerdings vorwiegend in Romagemeinschaften.“ 

Auch die Vapes, die elektronischen Zigaretten mit süßlichen Aromen, sind da weniger harmlos als herkömmliche Zigaretten. Sie enthalten zwar keinen Tabak, jedoch Nikotin und weitere Stoffe, die inhaliert werden. Nikotin gelangt über die Blutbahn ins Gehirn, Dopamin und andere Glückshormone werden ausgeschüttet, ein Wohlgefühl wird ausgelöst. Das verlockt auf weiteren Konsum. Laut Statistiken haben Leute, die dampfen, ein dreifach höheres Risiko, später auch Zigaretten zu rauchen, als Menschen, die keine e-Zigarette anwenden. „Die Industrie präsentiert Vaping, als wäre es unschuldig. Doch ist das neuronale Netzwerk für Sucht ein einziges. Alles geht durch das Netzwerk von Neuronen, um eine Sucht zu erzeugen und je öfter man sie anregt, desto empfindlicher wird es für äußere Reize“, erklärt Hoffman, Doktor der Medizin.

Mögliche Methoden

FreshAir4Life analysiert implementierbare Methoden, um die Nutzung von Tabak und Vapes zu reduzieren. Dabei schaut es auch auf Methoden, die in anderen Ländern gewirkt haben und in den fünf Ländern, die im Projekt impliziert sind, spezifisch angewendet werden könnten. 

Dringend in diesem Prozess sei es, mit dem Marketing für diese Produkte aufzuhören. Sie seien sehr tückisch und verlockend und schaffen eine neue Welle der Abhängigkeit. 

Charlotte Hoffman erklärt, dass bereits in mehreren europäischen Ländern daran gearbeitet wird, Präventionskurse in Schulen einzuführen, wo bereits Fünftklässler durch Rollenspiele und Experimente die Vorteile eines rauchfreien Lebens erfahren. „Prävention ist sehr wichtig. Kinder müssen lernen, Nein zu sagen und das wird ihnen nicht nur beim Rauchen helfen, sondern in vielen anderen Bereichen im Leben“.

Raucherfreie Schule gesucht

FreshAir4Life sucht in Rumänien eine Schule, die es sich zum Ziel setzt raucherfrei zu werden. Das bedeutet, dass weder Lehrkräfte, noch Schüler in oder in der Nähe der Schule rauchen dürfen. „Sie werden sich wundern, aber es gibt viele Jugendliche, die auf der Toilette in der Schule vapen, in manchen Schulen gibt es sogar einen speziell eingerichteten Platz zum Rauchen”, sagt Cristina Isar. Das müsse abgeschafft werden. Würde man so eine Schule finden, könnte das einen Welleneffekt auf andere Schulen in Rumänien generieren“, erklärt Charlotte Hoffman. 

Eine weitere Art, junge Menschen gegen den Konsum der abhängig machenden Substanzen zu motivieren, war eine Ausstellung Kronstädter Studenten und Schüler. Sie haben die negativen Seiten des Rauchens in Collagen, Fotos und Zeichnungen verdeutlicht und am Weltnichtrauchertag, am 31. Mai, in der Transilvania-Universität Kronstadt ausgestellt.

Werbung verboten

Die Europäische Kommission hat bereits im Jahr 1989 Tabakwerbung und -sponsoring im Fernsehen verboten. 2003 wurde Reklame in Printmedien, Rundfunk und Internet untersagt, ebenso Sponsoring von Veranstaltungen, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind, z. B. die Olympischen Spiele und Formel-Eins-Rennen. Auf solchen Veranstaltungen ist außerdem das kostenlose Verteilen von Tabakwaren gesetzwidrig. Seit 2010 gilt das Verbot in allen Formen audiovisueller kommerzieller Kommunikation, darunter auch Produktplatzierung.

In Rumänien liefen nach der Wende manche Werbungen für Zigarettenmarken im Fernsehen und verlockten mit Bildern von traumhaften Urlauben und starken, erfolgreichen Männern. Diese wurden in den Medien aber auch in Veranstaltungsräumlichkeiten, Kinos oder auf Werbeplakaten sowie in öffentlichen Transportmitteln verbannt. Menschen unter 18 Jahren dürfen keine Tabakwaren von Tabakproduzenten bekommen, Zigaretten zu kaufen ist untersagt. 

Dennoch wird geschätzt, dass weltweit 37 Millionen Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahren Tabak konsumieren. Statistiken zeigen, dass Kinder in allen Regionen E-Zigaretten in höherem Maße anwenden als Erwachsene.

Das Team des Projekts FreshAir4Life wird in den kommenden Jahren weiterhin in Rumänien forschen, um realistische Interventionen zu finden und durchzusetzen.


Was können Eltern tun, damit ihre Kinder gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen?

Cristina Isar erklärt, dass man das Problem so früh wie möglich angehen muss, und zwar bevor das Kind in die Pubertät gelangt und der Einfluss des Freundeskreises immer stärker wird. Eltern sollten das Thema nicht als Tabu behandeln, sondern selbst das Gespräch einführen und über die kurzfristigen Nachteile sprechen, die das Rauchen verursacht. Außerdem sollte man die positiven Effekte unterstreichen, die ein Nichtraucher erlebt: Mund, Haare und Kleider riechen nicht unangenehm nach Rauchen oder unnatürlich nach Vape-Aromen, die Haut bleibt rein, man ist fitter beim Sport, die Zähne und Finger verfärben sich nicht gelb. Ein starkes Argument kann auch das Sparen von Geld sein, denn Rauchen ist teuer. Von Krebs, Herzinfarkt oder Lungenkrankheiten zu erzählen ist meist zu abstrakt für Jugendliche.

Eltern, die rauchen, müssen Grenzen setzen und ihren Kindern erklären, wie schwer es ist, mit der Sucht umzugehen.

Wie geht Entwöhnung?

Zwar gilt die Nikotinsucht als nicht so schlimm wie beispielsweise Alkoholsucht. Doch  ist Rauchen eine Krankheit. Und wie für jede Krankheit gibt es Mittel, sie zu besiegen. Nikotinersatz gibt es in Form von Pflastern, Nasensprays, Kaugummis oder Tabletten, die für eine Übergangszeit aushelfen können. Die psychische Abhängigkeit bleibt jedoch länger bestehen, als die körperliche und kann jahrelang andauern. Deshalb ist es wichtig, die junge Generation zu hindern, damit anzufangen. Denn tief verankerte Gewohnheiten lassen sich sehr schwer ändern.

Experten raten typische Rituale zu vermeiden, die einen ans Rauchen erinnern und diese mit gesunder Ernährung, viel Bewegung und Entspannung zu ersetzen. Auch sollte man ausnahmslos alle Rauchutensilien entfernen und Strategien zur Stressbewältigung entwickeln. Ein Trick, der vielleicht motiviert, ist, das ersparte Geld  an eine Wäscheleine zu hängen und sich darüber zu freuen, wie viel Geld übrigbleibt, wenn man nicht raucht.

Nützliche Kontakte

In Rumänien gibt es Unterstützung für Leute, die mit dem Rauchen aufhören möchten. Hausärzte beraten und helfen, einen Plan zum Entzug zu erstellen, der auch Entwöhnungskliniken oder Psychotherapie vorsehen kann. Unterstützung bietet auch die staatliche Kampagne gegen das Rauchen, stopfumat.eu und die Stopfumat Hotline 08008STOPFUMAT (0800878673) oder in Deutschland rauchfrei-info.de