In Wort aber nicht in Tat

Oder warum es manchmal einfacher ist, um Entschuldigung zu bitten

Bis Sonntag weilt der „Diener der Diener Gottes“, besser unter seinem weltlichen Namen, Joseph Ratzinger, oder als Papst Benedikt XVI. bekannt, in seinem Heimatland. Der Aufenthalt in Deutschland kann kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt stattfinden. Die römisch-katholische Kirche wird, glaubt man dem Erzbischof von Neapel, wieder angegriffen. Dieses Mal sind es aber keine „Ungläubigen“, die die Mauer der ältesten noch vorhandenen Institution der Welt stürmen wollen. Ganz im Gegenteil: Es sind gläubige Katholiken, die mit ihrer „antikatholischen Aktion“ gegen den „Heiligen Vater“ und einige hochrangige Vertreter der Kirche vorgehen.

Am 13. September reichten zwei US-amerikanische Opferverbände, der Missbrauchsopferverband „Survivors Network of those Abused by Priests“ (SNAP) und die Menschenrechtsorganisation „Center for Constitutional Rights“ (CCR), in Den Haag eine Klage gegen den Vatikan, sein Oberhaupt und drei weitere Hochwürden ein. Diesen wird die direkte Verantwortung für die systematische Verschleierung der Missbrauchsfälle zur Last gelegt. Der Unmut seiner Eminenz Crescenzio Kardinal Sepe, des Erzbischofs von Neapel, über diese unangebrachte Handlung der amerikanischen Katholiken ist leicht zu verstehen. Was wollen sie denn? Der Pontifex hat sich doch für die Untaten seiner „Angestellten“ bereits, und das schon mehrmals, entschuldigt!

Die amerikanischen Diözesen gehen Pleite, weil sie sehr hohe Entschädigungen an die Betroffenen auszahlen müssen. Diese sind aber immer noch nicht zufrieden. Wie wagen es diese Eltern, die im Unterschied zum „Heiligen Vater“ gar nicht heilig sind, dem Stellvertreter Christi auf Erden vorzuwerfen, er habe etwas damit zu tun, dass der Pädophilie bezichtigte Priester weiterhin als solche tätig sind, wenn auch in einer anderen Diözese? Einen solchen Fall gab es in den 80er-Jahren auch in der Erzdiözese München-Freising, wo Joseph Kardinal Ratzinger Erzbischof war. Die Verantwortung für die Wiedereinsetzung eines straffällig gewordenen Priesters übernahm der damalige Generalvikar. Auch nach weiteren Vorfällen blieb dieser Priester im Dienste der Kirche – in einer anderen Gemeinde, wie die „Süddeutsche Zeitung“ Anfang 2010 berichtete.

Genau die Vermeidung solcher Fälle wünschen sich die Betroffenen und ihre Angehörigen. Die Entschuldigungen und „Entschädigungen“ reichen nicht, wenn die Straftäter weiterhin unter dem Schutz der Kirche „arbeiten“ und ihren Neigungen nachgehen können. Das Vertrauen in die Kirche bleibt trotz angeschlagenem Image hoch, sodass viele Gläubige den Priestern mehr Glauben schenken als Lehrern oder Polizisten. „Uns ist kein einziger Fall weltweit bekannt, in dem die Bischöfe einen Priester, der Kinder sexuell missbrauchte, aus seiner Position entfernt hätten“, behauptet die SNAP-Präsidentin Barbara Blaine.

Der Klage von SNAP und CCR wird in Den Haag wahrscheinlich nicht stattgeben. Rechtsexperten geben der geforderten Anklage wenig Chancen, weil „der angezeigte Straftatbestand nicht wirklich erfüllt“ sei, wie der Wiener Völkerrechtler Stephan Wittich am Freitag auf Anfrage von Kathpress sagte. Dazu fallen Verbrechen, die vor dem 1. Juli 2002 begangen wurden, nicht in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Auch wenn der Papst höchstwahrscheinlich nicht vors Gericht kommt, weckt diese „Aktion“ gegen die Missstände in der katholischen Kirche die etwas eingeschlafene Diskussion über die Notwendigkeit einer Reform auf. „Wir wünschen uns keine weiteren Entschuldigungen, sondern ein echtes Gesprächsangebot“, sagte der Sprecher des „Eckigen Tisches“, einer Initiative von Missbrauchsopfern aus Jesuiten- und katholischen Einrichtungen in Deutschland, Matthias Katsch.

Als Joseph Ratzinger 1977 zum Bischof geweiht wurde, wählte er folgenden Wappenspruch: „Cooperatores veritatis“ (Mitarbeiter der Wahrheit). Als Papst und primus inter pares (Erster unter Gleichen) trägt er nun die Verantwortung für alle seine „Schäfchen“, auch für die schwarzen unter ihnen. Auch die Wahrheit, egal wie bitter sie sein mag, sollte ans Licht kommen, die Schuldigen bestraft und nicht von einem Bistum oder Land ins andere geschoben und versteckt werden.