Klassiker und Deutsch-Lehrbücher gefragt

Über Chancen, Risiken und Probleme deutscher Buchhandlungen in Rumänien

Jens Kielhorn (links) begrüßt die Besucher zu einer Autorenlesung. Fotos: privat

Schmökern und schlemmen im Gastgarten oder im gemütlichen Erasmus-Büchercafe im Teutsch-Haus

Schiller, Goethe, Grass und Böll liest man nicht nur gerne in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, also im deutschen Sprachraum, sondern zum Beispiel auch in Rumänien. Denn: Durch die rumäniendeutschen Volksgruppen und ihr gutes Unterrichtssystem stand deutsche Literatur hier schon immer hoch im Kurs. Allerdings gab es nach der Wende in Osteuropa auch im Handel mit deutschen Büchern einen Einbruch: ein Großteil der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben, der Sathmarschwaben und Buchenlanddeutschen oder der Deutschen des rumänischen Altreichs ist längst nach Deutschland ausgewandert.

Deutsche Schulen erleben trotzdem einen Boom; die Nachfrage nach deutscher Literatur ist entsprechend größer als in anderen südosteuropäischen Ländern. Versuchen wir also ein Unternehmensporträt, beginnend mit dem „Erasmus“-Büchercafé und der „Schiller“-Buchhandlung in Hermannstadt – und zwar genau 800 Jahre, nachdem die Siebenbürger Sachsen im heutigen Siebenbürgen mit umfangreichen Freiheitsrechten ausgestattet worden sind.

„Es ist sehr wichtig, dass es deutsche Bücher gibt: Ich lese auch deutsch, Schiller zurzeit. Ich hatte in der Schule ‚Kabale und Liebe‘ zu lesen. Und dann ist es sehr wichtig, dass es deutsche Bücher gibt für die Schule. Ich will laufend auch meine Sprachkenntnisse verbessern. Und dazu muss ich eben viel lesen.“

„Meine Tochter geht in die deutsche Schule, ins Brukenthal-Gymnasium. Ich lese lieber Krimis, also nicht so schwere Literatur. Unterhaltung, ja.“

„Erasmus“, die Oase des deutschen Buchangebots

Alexandra Macianu kommt mit ihrer Tochter Diana häufig hierher, sagt sie – ins Erasmus-Büchercafé, gelegen am Ende des weitläufigen Astra-Parks, nicht weit vom Zentrum der zentralrumänischen Stadt Sibiu entfernt, auch (und besser) bekannt unter der siebenbürgisch-sächsischen Bezeichnung ‚Hermannstadt‘. Ungewöhnlich an dieser Buchhandlung mitten in Rumänien: In den weitläufigen Regalen stehen ausschließlich deutschsprachige Titel. „Ich glaube, wir haben hier gerade so um die 2700 verschiedene Titel stehen.“ Erklärt Inhaber Jens Kielhorn, der am Anfang seiner beruflichen Laufbahn weder mit Rumänien noch mit dem Geschäft mit Büchern etwas zu tun hatte. Kielhorn stammt aus Bonn.
„Ich bin eigentlich Eisenbahn-Betriebsleiter, studierter Verkehrsingenieur und habe bei einer privaten Eisenbahn-Gesellschaft gearbeitet, in einem Ingenieurbüro. Aber ich hatte während meines Studiums meine Frau kennengelernt, die aus Siebenbürgen kommt.“

Dann kam die erste Reise nach Hermannstadt. Jens Kielhorn verliebte sich in Frau und Stadt. Beide beschlossen, dort etwas aufzubauen. Und beiden war noch etwas gemeinsam: Die Leidenschaft fürs Lesen von Büchern.  Die unteren Räume eines Begegnungszentrums standen zur Verpachtung an.

„Da haben wir dann dieses Büchercafé gemacht, wunderschön gelegen mitten in der Stadt. Ich hatte immer gerne gelesen, hatte auch Deutsch als Leistungskurs in der Schule. Aber natürlich fehlt mir die bodenständige Berufsausbildung als Buchhändler. Das haben wir uns dann alles im ‚Learning-by-doing‘ angeeignet.“

Schnell merkten die Kielhorns: Die Nachfrage nach deutschen Büchern ist groß in Rumänien. „Kurz nach dem Büchercafé Erasmus haben wir dann noch die Schillerbuchhandlung am Großen Ring übernommen. Dann kam noch eine Verkaufsstelle in der Bierthälmer Kirchenburg dazu. Und, last but not least, in Temeswar, am Domplatz, die Buchhandlung am Dom.“

Deutsche Bücher, „eine Nische zum Bespielen“

„Înv²]a]i repete limba Germană! Lernen Sie schnell die deutsche Sprache. So steht es hier. Fünfte bis zehnte Klasse. Das große Übungsbuch Deutsch.“ Matthias Jungwirth ist ‚Siebenbürger Sachse‘, in der Nähe von Hermannstadt aufgewachsen, lebt aber längst in Berlin. Bei seinem Heimatbesuch kommt er gerne in die deutsche Buchhandlung, bleibt am Regal mit den Schulbüchern stehen – ein wichtiges Verkaufssegment für Jens Kielhorn. „Wir haben hier zum Beispiel Bücher für Deutsch Lernende. Das ist für uns sehr wichtig. Alle Altersgruppen, vom Kindergarten bis zur Universität. Die Rumänen stehen sehr offen der deutschen Sprache gegenüber, besuchen auch sehr häufig die deutschen Schulen. Oder (Jugendliche, Studenten, Erwachsene…) Sprachkurse an den Deutschen Kulturzentren. Und hier in Hermannstadt ist so die Hauptstadt der Deutschen Sprache in Rumänien, das kann man schon so sagen, allerdings: neben und an Seiten von Temeswar. Nicht nur die Deutschen lesen deutsche Bücher, sondern auch die Rumänen lesen deutsche Bücher. So haben wir hier eine Nische, die wir bespielen.“

Gefragt sind dann auch beim rumänischen Publikum vor allem “….die deutschen Klassiker, Goethe, Schiller und so weiter. Kafka. Die Klassiker verkaufen sich hier im Vergleich besser als in Deutschland. In Deutschland verkaufen sich mehr Bestseller. Das ist für uns hier ein eher untergeordnetes Segment.“

Bücher aus Deutschland, ohne Preisaufschlag

„Ich sehe von hier in den Regalen Dagmar Dusil, Iris Wolff, Eginald Schlattner, Joachim Wittstock… , ich bin sehr froh…“ Traian Pop, selbst Autor und Verleger mit rumänischen Wurzeln und engsten Beziehungen zur deutschen Volksgruppe, vor allem zum Deutschen Staatstheater Temeswar und zu den „revolutionären“ jungen Autoren um die „Aktionsgruppe Banat“ in den 1970er Jahren (diese Beziehungen pflegt er auch heute noch, als Besitzer und Verleger des Pop-Verlags Ludwigsburg), weist bei seinem Besuch im Erasmus-Büchercafé auf die Titel der wichtigsten rumäniendeutschen Autoren hin. Auch Herta Müller, rumäniendeutsche Literatur-Nobelpreisträgerin, darf mit ihren Titeln nicht fehlen. Was nicht in den Regalen steht, können Interessenten bestellen. Einmal pro Woche bringt ein Transportunternehmer die angefragten Titel aus München nach Hermannstadt – zu denselben Preisen wie in Deutschland.

„Normalerweise schlagen die Buchhandlungen im Ausland etwas drauf, da sie die Buchpreisbindung nicht beachten müssen, die in Deutschland gilt. Außerhalb von Deutschland gilt das Gesetz ja nicht, und sie schlagen also noch einiges drauf….Aber wir versuchen, so lange es geht, deutsche Bücher zum original deutschen Ladenpreis anzubieten.“ So Jens Kielhorn.

…was nicht nur wegen der anfallenden Transportkosten nicht so ganz einfach ist. Hinzu kommen die unterschiedlichen Inflationsraten in Deutschland und in Rumänien. In Deutschland betrug die Teuerung im Juli laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vorjahresmonat 2,2 Prozent. In Rumänien lag sie nach Angaben des nationalen Statistikamtes bei 7,7 Prozent. 5,5 Prozent Inflationsunterschied macht bei heutigen Buchpreisen eine ganze Menge aus…

„Das ist ja gerade das Problem, dass die Kosten ständig steigen. Aber die Umsatzerlöse steigen nicht in diesem Maße. Ich kann die Kosten für die Bücher nicht so einfach erhöhen. Wir bräuchten ein bisschen mehr Umsatz, weil wir ja 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen“, sagt Jens Kielhorn, „manche allerdings in Teilzeit.  Der Mindestlohn liegt bei monatlich 3700 rumänischen Lei, das sind etwa 745 Euro, deutlich unter dem deutschen Lohn- und Gehaltsgefüge.“  Nur gibt´s dabei einen Haken: Kielhorn braucht deutschsprachiges Personal für den Verkauf von deutschen Büchern.

Die Not, gute Sprecher des Deutschen zu finden

„Und das ist wirklich ein Problem, dass es zu wenig Leute gibt hier, die Deutsch sprechen, eine Ahnung haben von Büchern und die bereit sind, auf dem lokalen Arbeitsmarkt und bei guten Deutschkenntnissen für relativ wenig Geld zu arbeiten. Viele Voraussetzungen, wie man sieht.

Sie gehen, wenn sie gut oder wenigstens passabel deutsch sprechen, nach Deutschland. Hier, in Hermannstadt, gibt es Firmen, die händeringend deutschsprachige Kräfte suchen und die Anhängsel von irgendwelchen deutschen Großkonzernen sind. Und die es sich halt leisten können, höhere Gehälter zu zahlen als wir hier in einer Buchhandlung.“

Um dem etwas entgegenzusetzen, hat Jens Kielhorn ergänzend auch einen kleinen Verlag gegründet, in dem rumäniendeutsche und landeskundliche Literatur verlegt wird. „Das ist schon ein wichtiger Baustein, dass wir uns hier über Wasser halten können.“