Kleinwasserkraftwerke als Umwelt-Verwüstung

Wer übernimmt wirklich die Verantwortung für den Bau von Kleinwasserkraftwerken in geschützten Räumen?

Wo der Rauschuppenfisch bereits ausgestorben ist (rot) und wo er noch lebt (gelb) Karte: Asybaris01/Wikipedia

Mit „grüner Energie” wird gern, viel und salopp Schindluder getrieben. Darauf machen schon lange Umweltschutzorganisationen aufmerksam, werden aber von skrupellosen Unternehmern und von den Regierenden in souverän ausgeübter Kurzsichtigkeit (man nennt´s auch… Dummheit) ignoriert, leider auch von den gesetzlich zur Wahrung des Naturerbes Verpflichteten – Regionale Agenturen für Umweltschutz (gibt es in jedem Landeskreis, mit ziemlich viel Personal…), Umweltschutzwache(n), Forstverwaltung(en) usw. 

So werden durch brutale Eingriffe in seit der letzten Eiszeit Bestehendes einzigartige Areale und deren Lebewesen bzw. ihre Lebensräume und mit den Biotopen ihre Existenzgrundlage zerstört, um ein paar Watt Strom willen, den man sich auch aus anderen Quellen – Sonne, Wind, Abfallverbrennungsanlagen, natürliche Vergärungsprozesse etc. – gelegentlich problemloser, auf jeden Fall nachhaltiger und umweltschonender beschaffen kann. Stünden hinter vielen der „grünen Energieinitiativen“ nicht starke, politisch diskret, aber effizient unterstützte Interessensgruppen, wären viel-leicht viele prähistorische Fische, die sogar die Eiszeit überlebten, heute nicht Opfer oder akut Bedrohte des Kleinwasserkraftwerksfiebers per staatlicher und EU-Subvention geworden.
Der Rauschuppenfisch aus der Urzeit
Beispiel: im südlichen äußeren Karpatenbogen entdeckte 1956 ein gewissenhafter und aufmerksamer Student der Naturwissenschaften im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten auf seine Abschlussarbeit den „Romanichthys valsanicola“ (eine Namensgebung, die genau bezeichnet, was der Fisch ist: ein „rumänischer Fisch im Vâlsan-Bach”), von den Bewohnern des Landstrichs u.a. „asprete”, von „aspru“,  also rau, weil sein Schuppenkleid sich so anfühlt, genannt. Es handelt sich bei dem scheuen, tagsüber meist unter Steinen sich verbergenden, nachts auf Futtersuche im klaren Gebirgsbach Vâlsan schwimmenden, bis zu zwölf Zentimeter langen, wirtschaftlich unbedeutenden Fisch um ein Relikt aus der Eiszeit, aus der Erdgeschichte. Der Gebirgsfisch hat nur hier überlebt und es gibt ihn – angeblich – inzwischen nur noch auf einem rund ein Kilometer langen Bachabschnitt.

Im Namen eines energetischen Transitionsdrucks – dem hochstilisierten Idealbild „Grüne Energie“ – in dessen Namen mittels großzügiger Duldung der Behörden urige Gebirgsbäche verbetoniert und abgesperrt werden, also auch ihr Lauf fragmentiert, werden für ein paar Megawatt Strom im Jahr Klein-Wasserkraftwerke selbst in Naturschutzgebiete hineingebaut – und Leben, das sich über Jahrtausende erhalten hat, brutal die Grundlage genommen.

Schnelles Geld durch kleine Werke

Dafür gibt es dann „Grüne Zertifikate“, den moralischen und finanziellen Ausweis, dass alles bestens ist und die Zukunft der Erde gerettet wird. Seit dem EU-Beitritt Rumäniens am 1. Januar 2007 richtete sich der Blick vieler Gieriger auf die EU-Finanztöpfe und schon 2008 spannte sich die damalige Regierung mit einem ambitionierten Programm zur Ermutigung des Baus von Kleinwasserkraftwerken vor den Karren.

Das Paket, das den Investoren geboten wurde, war entsprechend verlockend: „Grüne Zertifikate“, Gebührenfreiheit oder Ermäßigungen, Vorzugszugang zu den Verteilernetzen und Finanzierungsprogramme, genährt aus EU-Fonds (POIM – das Operativprogramm für Große Infrastrukturmaßnahmen, oder POS Mediu – das Sektorielle Operativprogramm Umwelt, das sich eher auf urbane Räume bezog, aber auch Schlupflöcher freiließ für die Umleitung von Finanzierungen unter dem Vorwand, die Umwelt und die Natur zu schonen.

Das System der „Grünen Zertifikate“ entwickelte sich zu einem Sündenerlass-System für Umweltverschmutzung. Ein Grünes Zertifikat – Wert: zwischen 20 und 50 Euro – ist ein Attest für die Produktion einer gewissen Menge regenerierbarer Energie. Die großen Umweltverschmutzer kaufen solche Zertifikate und waschen sich damit rein für die Umweltverseuchung, die sie verursachen – der Kauf ist für den Moment billiger als die Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung. Und die Erbauer von Kleinkraftwerken kommen durch den Verkauf der Grünen Zertifikate rasch und problemlos an Geld. 

Eine Hand wäscht die andere und in beiden Fällen leidet die Natur. In einem ersten Anlauf entstanden damals in Rumänien mehr als 300 Kleinwasserkraftwerke…, sechsmal mehr als in der gesamten Ceau{escu-Ära gebaut wurden. „Regenerierbar“ wurde willkürlich mit „grün“ gleichgesetzt. Seitens der Internationalen Kommission für Geschützte Areale heißt es: „Projekte können regenerierbar sein, und doch unumkehrbare Natur- und Umweltzerstörungen hervorrufen.“

Grauzonen sind auch Randgebiete

In Rumänien wurden die meisten Kleinwasserkraftwerke auf oder am unmittelbaren Rand von Arealen gebaut, die dem Schutzstatus der EU-Natura-2000 Regeln entsprechen. Gerade in Übergangszonen ist aber der Effekt solcher Eingriffe in die Natur verheerend, denn Übergangszonen sind Grauzonen – und das nutzen die Behörden bei der Erteilung von Genehmigungen. Es ist wie eine Komplizenschaft.

Die Genehmigungsgesuche der Investoren für den Bau solcher Kleinwasserkraftwerke sind voller Versprechungen für die Bewohner des Raums: billige(re) Energie, Arbeitsplätze, Entwicklungsperspektiven. Doch: Es ist kein Fall bekannt, wo irgendeiner Gemeinschaft im Umfeld eines Kleinwasserkraftwerks die Stromkosten verbilligt worden wären. Arbeitsplätze schufen die Investoren wenige, vor allem zeitlich begrenzte. Im Gegenteil: die Kosten des Baus von Kleinwasserkraftwerken werden in Wirklichkeit auf die Gesamtkosten der Energieerzeugung landesweit aufgeschlagen und gleichmäßig auf alle Konsumenten aufgeteilt… Die ökologischen Kosten tragen, als Folgen, ebenso alle. Schön verteilt.

Wasserregulierung von Menschenhand

Bisherigen Erkenntnissen zufolge – immerhin sind rund 17 Jahre seit dem Bau der ersten Kleinwasserkraftwerke vergangen – haben die „umweltfreundlichen, grünen“ Investitionen zur Folge, dass die Durchflussmenge der Gewässer, an denen sie gebaut wurden, verringert und von Menschenhand – meist naturwidrig - reguliert wurde. Dass die Habitate der Bachfauna drastisch eingeschränkt wurden, zumal in vielen Fällen auch keine Umschwimmungsmöglichkeiten der Staudämme gebaut wurden – aus Kostengründen! – und wenn sie vorhanden sind, dann sind sie oft falsch gebaut und wurden in allen untersuchten Fällen nicht instandgehalten.  Bachabwärts der Staustufen verkrautet der Bachlauf oder die Ufer zerbröseln und verflachen, bachaufwärts gibt es Seen – ungewöhnliche und gemiedene Habitate für die an schnellfließendes Wasser gewohnte Fauna. Die zieht sich dann in höhere – und natürlich kältere – Bereiche zurück, was Auswirkungen auf die Fortpflanzung hat. Die Folge: die Bestände verringern sich von Jahr zu Jahr. Die Biodiversität nimmt ab, Insekten, sehr wichtig für die Biotope, verschwinden, allein Schädlinge passen sich gut an.

„Lasst die Taia weiter fließen!“

Viel zitiert wird der Fall des Baches Taia, inmitten eines Natura- 2000-Schutzgebiets, im Schiltal, im Landeskreis Hundedoara. Der Fall wird zitiert für die Handlungsunfähigkeit des Rumänischen Staates und seiner Institutionen in Sachen Naturschutz. Per Gerichtsbeschluss ist an der Taia der Bau eines Kleinwasserkraftwerks verboten worden. 2018 ist gerichtlich auch die Funktionsgenehmigung des illegal gebauten Kleinwasserkraftwerks seitens eines Gerichts für null und nichtig erklärt worden.  

Doch die Mikrohydrozentrale funktioniert munter weiter. Seitens des Ministeriums für Umwelt gibt es ein öffentliches Eingeständnis, dass man unfähig sei, dort die Legalität herzustellen…

So bleibt die Zivilgesellschaft die einzige, die noch gegen den staatlich geduldeten Umweltfrevel Kleinwasserkraftwerke murrt. Gabriel P²un seitens Agent Green: „es ist äußerst peinlich, protestieren zu müssen, weil der Staat selber Gesetzesübertretungen duldet und hinnimmt.“ Er sagte das bei einem Protest von Agent Green an der Taia, der unter dem Motto lief. „Lasst die Taia wieder frei fließen!“

Politische Dürre und Klimawandel

In der flächengrößten Gemeinde Rumäniens, in Cornereva im Banater Bergland, läuft ein Kleinwasserkraftwerk, dessen Besitzer sich die schrille und skandalumwitterte Politikerin und Ex-Tourismusministerin Elena Udrea zur Geschäftspartnerin nahm. Eben-falls im Banater Bergland hat die Betreiberfirma für Mikrohydrozentralen Alset Energy mehrere Baugenehmigungen für Kleinwasserkraftwerke in geschützten Arealen erhalten. In diesen Arealen leben einige Tiere, die in Europa auf der Roten Schutzliste stehen. Die Firma ist vom Geschäftsmann Nicușor Dorel Schelean gegründet worden und der hat seine Tochter Valeria Schelean zur Partnerin, eine ehemalige PNL-Unterhausabgeordnete, die zum Umfeld des Ex-Innenministers Ion Marcel Vela gehört. Sie ist jetzt die Anwältin der Firma. Während Vela Innenminister war, ist seine Adoptivtochter, nachdem sie bei dem Versuch scheiterte, Bürgermeisterin in Velas Hochburg Karansebesch zu werden, plötzlich zur Vizepräsidentin der Nationalen Agentur für Umweltschutz, ANAN, befördert worden. Gerade von dieser hätten Kleinwasserkraftwerke in geschützten Arealen als illegale Bauvorhaben verhindert werden müssen...

Von den etwa 5000 fließenden Gewässern Rumäniens stehen zur Stunde nur 529 ständig unter Beobachtung. Durch die Dürre hat sich das Potenzial fließender Gewässer Rumäniens in den vergangenen 15 Jahren um 13 Pozent verringert. Betroffen sind vor allem Gewässer der Gebirge. Zwischen 2019 und 2023 sind 87 der 529 unter Beobachtung stehenden Gewässer teilweise oder streckenweise ganz oder zeitweilig versiegt. Neun von zehn fließenden Gewässern Rumäniens droht durch den Klimawandel ernsthaft die Austrocknungsgefahr. Umweltministerin Diana Buzoianu warnt: „Die drohende Wasserkrise ist keineswegs ein geringes Verwaltungsrisiko!”

Umweltschützer als Verbrecher

Der Druck auf die Warner vor Umweltkatastrophen ist groß. Ex-Senator Mihai Goțiu, der wegen seines konsequenten Engagements für die Umwelt auffiel, drohte man im Senat, ihn wegen der „Bildung einer Verbrecherbande” zu verklagen. Energieminister Sebastian Burduja forderte, dass die Umweltschutz-NGOs wegen „Sabotage” angeklagt werden. Im benachbarten Serbien ist die Umweltaktivistin Barbara Fiksmer zur „Umweltterroristin” gestempelt worden. Wir erleben eine Umkehrung der Werte. Auch betreffs Umwelt.

2015 hatte die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien wegen der Zerstörung geschützter Umweltareale durch Wasserkraftwerksvorhaben eingeleitet. Wie immer vertrödelten die rumänischen Autoritäten Antworten und Maßnahmen, lieferten unvollständige oder gar bewusst irreführende Antworten. Nun gibt es, seit 2024, die EU-Direktive „Restore Nature”. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, zerstörte geschützte Areale in ihren ursprünglichen oder in einen ursprungsähnlichen Zustand zurückzuversetzen. Bis heute hat Rumänien keinen (National-)Plan dazu entwickelt... Geld für den Abriss illegal errichteter Staudämme gibt es auch keins.

Jener Tropfen fließendes reines Wasser, auf den der Rauschuppenfisch „Romanichthys valsanicola“ wartet, bleibt aus. Vielleicht kommt´s aber demnächst für ihn noch schlimmer: der weiter oben gelegene, seit 1966 bestehende Stausee Vidraru am Arge{, in den der Vâlsanul-Bach mündet, wird seit 50 Jahren erstmals wieder grundgeleert…