Nachwuchs für die Kirchen

Oder die Förderung des Proselytismus durch den rumänischen Staat

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Pünktlich zum Schulbeginn gab es zwei Geschehnisse, die zwar nur bedingt miteinander verbunden sind, jedoch einen gewissen Zusammenhang aufweisen: Der Säkular-Humanistische Verein (ASUR) brachte auf seiner Homepage einen Appell zur Abschaffung des schulischen Religionsunterrichts. Am selben Tag traten die Lehrer des Hermannstädter Kunstlyzeums in den Streik.

Dass der Lehrerberuf langsam aber sicher zu einem der unbeliebtesten Jobs wird, ist nichts Neues. Nach der Gehaltskürzung im vergangenen Jahr und der Abschaffung der meisten Zuschläge wollen nur wirkliche Enthusiasten die Bürde des Lehreramtes auf sich nehmen. Der Stress des schulischen Alltags und die Verantwortung für die heranwachsende Generation werden einfach zu schlecht bezahlt: Wer also eine Wahl hat, entscheidet sich nicht zu Gunsten der Schule. Für das Lehrerkollegium des Kunstlyzeums fiel die Entscheidung, am ersten Schultag die Schule zu „schwänzen“, wahrscheinlich nicht schwer: Seit dem Sommer bekommen sie kein Gehalt mehr, weil die gesetzlichen Regelungen unklar sind. Einen Dienst, für den man nicht bezahlt wird, tut man logischerweise auch nicht. Zu leiden haben darunter die Schüler. Auch wenn sich die meisten von ihnen über die verlängerten Ferien eher freuen, müssen sie im Laufe des Schuljahres den Stoff nachholen. Vorausgesetzt, das Schuljahr beginnt irgendwann.

Was dieser Streik mit dem Aufruf von ASUR zu tun hat? Als einzigen gemeinsamen Nenner könnte man das Geld anführen. Laut ASURs Information gibt der Staat jährlich für die Bezahlung der Religionslehrer, von denen die meisten gleichzeitig Pfarrer sind, rund 30 Millionen Euro aus. Ein weiteres Problem ist die Unterordnung dieser „Lehrer in Schwarz“: obwohl vom Bildungsministerium bezahlt, bleiben sie Angestellte der jeweiligen Kirche und erhalten auch dort ein Gehalt, das zum größten Teil ebenfalls vom Staat getragen wird. Bedenkt man, dass nur im vergangenen Jahr mehr als 227 Millionen Lei (rund 51 Millionen Euro) für die Gehälter der Pfarrerschaft aus dem Staatshaushalt geflossen sind, kommt eine schöne Summe zusammen.

ASUR greift in erster Linie die Unterrichtspraktiken der rumänisch-orthodoxen Kirche (BOR) an: Beichte, Abendmahl und „Ausflüge“ zu den Gottesdiensten seien in vielen Schulen keine Seltenheit. Indoktrinierung durch die besonders eifrigen Pfarrer-Lehrer ist ein weiterer Punkt des Anstoßes für ASUR. Die Kinder werden im Lauf der zwölfjährigen „Ausbildung“ mit Begriffen wie Hölle, Teufel, Sünde und ewige Verdammnis bombardiert. Durch den Religionsunterricht will die BOR ihre eigene „Mission“ unterstützen, erklärt Dr. Vasile Timiş in seinem Buch „Religion in der Schule“ das Ziel des Religionsunterrichtes. Vasile Gordon und Dr. Constantin Dragnea empfehlen den Religionslehrern in ihrem Werk „Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Pfarrern zum Gelingen des Religionsunterrichts“, die Schüler zum Besuch der Kirche zu „drängen“. Andererseits legen sie den Pfarrern nahe, die Kinder der Gemeinde – direkt oder durch die Eltern oder Großeltern – zu „drängen“, den Religionsunterricht nicht zu schwänzen.

Damit soll mit Hilfe der Schule, und somit des Staates, der Nachwuchs für die Kirche gesichert werden. Eine solche staatliche „Unterstützung“ bekommt kein anderer „Verein“ in Rumänien. ASUR fordert die Abschaffung des indoktrinierenden Religionsunterrichtes und sein Ersetzen durch das konfessionslose Fach „Geschichte der Religion“. Eine andere Möglichkeit wäre die Einstufung des Religionsunterrichts zum Wahlfach, wie es zum Beispiel am Hermannstädter Brukenthalgymnasium der Fall ist. Auch der Ethikunterricht wäre eine Option. Mit den Worten des Österreichers Walter Wippersberg gesagt: „Ethik und Religion haben zunächst einmal nichts miteinander zu tun. Ethik und Moral betreffen den Umgang der Menschen untereinander, Religion betrifft das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu einem Gott oder zu vielen Göttern. (...) Humanität ohne Gott ist möglich.“

Das dadurch ersparte Geld könnte man dann – zum Beispiel – den Lehrern des Kunstlyzeums zukommen lassen. Die Erziehung der Kinder zur Kreativität mag einigen Eltern vielleicht sogar wichtiger erscheinen als das Wiederholen althergebrachter religiöser Formeln und Riten.