Randbemerkungen: Dialog unter Diktatorenkollegen

„Dialog: Seine beiden Extreme – die, mit denen man (überhaupt) keinen Dialog führen kann, und die, mit denen man keinen Dialog führen kann, weil sie derselben Meinung sind.“ Das Zitat hat Andrei Pleșu in seiner Rubrik in der Kultur-Wochenzeitung „Dilema Veche“ ausgewählt aus dem Werk eines (Klausenburger) Philosophen, der bei Heidegger (1940) seinen Doktor gemacht hatte, lebenslang Hefte über Hefte mit Notizen, Überlegungen, Sophismen, Beobachtungen und Meditationen gefüllt hat, zu Lebzeiten keine einzige Zeile publizierte und aus dessen Notizen Gabriel Liiceanu und Cătălin Cioabă 2010 das Humanitas-Buch „Meditații despre epoca modernă“ (Meditationen/Nachdenken über die Gegenwart) filterten.

Das Zitat stammt vom nur Insidern bekannten (Pleșu nennt ihn: „klandestinen“) Philosophen Alexandru Dragomir (1916-2002). Etwa zur gleichen Zeit, als ich es las, machte eine Ankündigung des zur internationalen Strafverfolgung ausgeschriebenen russischen Möchtegern-Zaren Putin die Runde. Dass nämlich Russland die Stationierung von taktischen Kernwaffen auf dem Gebiet Weißrusslands vorbereite, was „Anfang Juli“ konkretisiert werden soll. Die Ankündigung klang weniger wie die Voranmeldung einer Möglichkeit (um gewissermaßen die öffentlichen Reaktionen der Welt auf eine solche Nachricht zu testen), sondern eher nach einem Fakt, der nur noch von der Effizienz des Baus der für die Raketen nötigen Bunker abhängt. Und da kurz davor Diktator Lukaschenko bei seinem Diktatorenkollegen Putin zu einem „Dialog“ war, konnte/musste man davon ausgehen, dass diese Stationierung eines der Ergebnisse ihres Gesprächs im Kreml war. 

Putin behauptet steif – bis zur Abstrusität echt russischer Kommunikation mit der Öffentlichkeit („Dialog…“) – er breche mit dieser Stationierung außerhalb des Territoriums Russlands den Kernwaffensperrvertrag nicht (den die Sowjetunion 1968 unterzeichnet hat und den Russland, als deren Rechtsnachfolger, respektieren müsste). Putin, schließlich und echt blauäugig: Wenn die Amerikaner Kernwaffen auf den Hoheitsgebieten ihrer Alliierten stationiert haben – warum Russland nicht? 

Wieso aber hat Putin gerade diesen Augenblick für die Ankündigung gewählt? Eine schlüssige (wohl nie ehrliche) Antwort auf diese Frage könnte nur Möchtegern-Zar Putin selber geben. Tut er nicht. Also darf spekuliert werden. 

Die Ankündigung kommt kurz nach der britischen Meldung, man werde der Ukraine mit Uran angereicherte Munition zum Panzerbrechen liefern. Stichwort „Uran“ – von da ist für Denkfaule und Naive leicht die Brücke zur Drohung mit Kernwaffen geschlagen. In der Kinderstreitlogik: „Die haben angefangen!“ Kann man taktische Kernwaffen (als Augenblicks- und Langzeiteffekt) mit panzerbrechender Munition vergleichen? Kraut und Rüben. 

Die ukrainische Propaganda: Mit dieser Ankündigung wollte Putin ablenken von den Schwächen seiner Heere an der Front. Dafür scheint aber das ausgelöste Weltecho unproportional. Drittens: der Kreml will seine Manie von der eingebildeten Weltgroßmacht untermauern – Schadensbegrenzung nach peinlichen Frontauftritten, der offensichtlichen Verheizung von Soldaten als „Kanonenfutter“. 

Der Ex-US-UNO-Botschafter und Ex-Trump-Berater John Bolton meinte, Putins Schachzug sei glaubhaft, aber kein Grund zur Besorgnis. Größere Sorge bereite ihm Königsberg/Kaliningrad. Dort, zwischen Polen und Litauen, lagere ein Riesenarsenal an Waffen, auch Kernwaffen – und das trotz aller Sperrverträge, die die Sowjetunion und Russland eingegangen sind. Weißrussland sei da nur eine Bestätigung allgemeinen russischen Gebarens, doch keine Verlagerung des Gleichgewichts zwischen Ost und West. 

Gewöhnungsstrategien ans Leben mit der atomaren Bedrohung?