Randbemerkungen: Krokodil(s) Tränen


Es gibt noch keine anthropologisch-soziologische Analyse des Wahlverhaltens der rumänischen Diaspora, deren schockierender Extrem-Rechtsruck bei den Präsidentschaftswahlen Rumänien fast in den Rachen der Trump-Orbán-Erdogan-Clique gestürzt hätte. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, dieses Verhalten zu untersuchen, implizite zu ergründen, wie es soweit kommen konnte, dass in der Diaspora Rumäniens so viel von der dumm-dreisten Propaganda der Ultrarechten Wurzeln fangen konnte. Überzeugung wurde. 

Ein Bekannter, Zöllner, nannte einmal die Auslandsrumänen „Schweineschlacht- und Bratwurst-Nostalgiker“. Dieselbe Diaspora erfreut sich zu gut 95 Prozent der Vorteile des Lebens und Arbeitens in stabilen EU-Staaten – die restlichen fünf Prozent dürften Reflexe ihrer Selbst-, aber auch Fremd-Identifizierung als „Fremde“ sein.

Die der Diaspora Zugeneigten sprechen von „Frustrationen, Unzufriedenheiten, Tränen der Diaspora“. Ein Blick auf die Präsenz der Auslandsrumänen auf sozialen Medien genügt: es dröhnt eindeutig antieuropäisch, pro-Putin(istisch). Sie bewegen sich in einem ideologischen Sumpf von getisch-dakischer Vergangenheits-Hochstilisierung, mittelalterlich-wojwodalen Träumen, inspiriert von der national-kommunistischen Geschichtsschreibung (der bisher nichts nüchtern Recherchiertes und doch die Nation Erhöhendes entgegengehalten wird). Sie fürchten Mikrochips, die ihnen per Erfrischungsgetränken eingeflößt werden. Sie reiben sich an einer ethno-faschistisch angehauchten Orthodoxie, schwören auf die traditionelle Familie (aber prügeln ihre Frauen windelweich und/oder schicken sie auf den Strich). Sie sind stramm homo- und xenophob. Sie hegen einen abgründigen Hass auf alles, was sie als „anders“ empfinden.
Bildungsminister Daniel David sprach bereits vom „Erziehungswesen als Problem für die nationale Sicherheit“. Er umschreibt damit nur elegant, was weiter oben als „ideologischer Sumpf“ bezeichnet wurde. Auf den bei einer Demo der Auslandsrumänen laut gewordenen Drohruf: „Wir kommen und holen uns unser Land zurück!“, reagierte David unschuldig: „Sie können´s Land doch nicht von anderen Rumänen und deren Kindern wegnehmen! Sie haben ihren Platz in ihrem Land, aber der beste Weg, es sich `zurück zu holen´, ist Bildung! Ist Kultur. Ist ehrliche Arbeit, Anständigkeit und gesunder Menschenverstand. Der gesunde Menschenverstand ist der treffende Kompass, der uns leiten muss. Sogar wenn Bildung und Kulturniveau uns unterscheiden. Bizarrerien, das Groteske und Aggressivität helfen niemandem. Man darf nicht vergessen: nicht das Land gehört dem einen oder dem anderen, wir alle gehören diesem Land.“
Man kann es auch direkter sagen: Wir konfrontieren uns mit jenem Teil der Bevölkerung, bei der die chronisch gewordene Dummheit zum Charakteristikum der post-faktualen Ära wurde. Das äußert sich auch im Wahlverhalten großer Bevölkerungsteile – nicht nur (oder erst jüngst auch) in Rumänien. In einem solchen Kontext und Geist müssen auch die skandierten Rufe „Ru-si-a! Ru-si-a!“ verstanden werden, die auf den Demos der rumänischen Diaspora zu hören waren. Das ist aber schon staatsgefährdend.

Die Frage ist wohl angebracht, warum diese „Souveränisten“, denen weder die EU, noch ein europäisches Rumänien passt – das sie aber „haben“ wollen! – warum emigrieren die nicht einfach nach Russland? Etwa nach dem Beispiel der Ex-Außenministerin Österreichs, Karin Kneissl, die (u.a.) vom von ihr geleiteten  G.O.R.K.I.-Center in Sankt Petersburg aus Kreml-Propaganda macht. Aber die Dame, Hochschullehrerin in Putins Geburtsstadt, spricht immerhin sechs bis acht Sprachen. Die meisten Diaspora-Rumänen kommen nie auf dieses Niveau. Die waren bei ihrer Aussiedlung mehrheitlich kaum geschult („Erdbeerpflücker“…), was mit ein Grund zum Verlassen Rumäniens war.