Randbemerkungen: Zurück in die Steinzeit

Anscheinend gibt’s noch keine einheitliche Theorie zur Souveränistenbewegung. Zu neu ist der Trend. Oder bereits zu gefährlich und international zu heterogen. Trotzdem kann man gemeinsame Züge ausmachen in den selbsternannten „Souveränitätsbewegungen“ und „-parteien“. Eine vergleichbare ideologische Struktur, ein ihnen eigener Corpus an politischen Haltungen, die sie mehr oder weniger vehement der Öffentlichkeit aufdrängen – ohne Zimperlichkeit in der Mittelwahl.

Souveränismus in bisheriger Ausprägung ist (nach langer Zeit wieder) eine europäische Spezialität. Dürfte (einige seiner) Wurzeln in den Separatistenbewegungen der Provinz Québec haben, die das kanadische Föderalismussystem ablehnen. Desgleichen scheint’s falsch, die Trump’sche Ausrichtung der US-Republikaner als „souveränistisch“ abzutun. Ebenso ist der sture Isolationismus Trumps etwas anderes als die europäische Note des Souveränismus.

Der meint den Anspruch der Betonung der Autorität des Nationalstaats (gemäß Prägung vom 19. Jahrhundert – mit zwei Weltkriegen als Folge), die (aufgrund eines Vertrags und mit finanziellen Benefizien, als Gegenzug) verwässert oder „verloren“ wurde zugunsten einer Über-Staatsform – die EU.

Die Über-Staatsform ist der Reibbaum der Souveränisten. Souveränismus ist der Feind von Föderalismus – zwei antagonistische Pole also. Nur: die EU ist gegenwärtig eine Kon-Föderation (mit eher Melkkuh-Charakter als Weisungsbefugung, die bedingungslos zu befolgen wäre), mit dem Wunsch, eine Föderation zu werden. Dem wirken die Souveränisten entgegen. Der EU fehlen Autorität und Mittel in der Außenpolitik, in gemeinsamer Verteidigungspolitik, in der Verfolgung und Ahndung des „souveränen“ Übertretens ihrer Regelwerke – der Innenpolitik. Souveränisten wollen noch mehr straffreie Lockerheit im „Europa der Nationen“. Geld, möglichst ohne Bedingungen.

Da sind drei Souveränisten-Gruppierungen: a) die Konservativen und Reformisten Europas (mit der rumänischen AUR), b) das Europa Souveräner Nationen um die AfD (die der SOS der Șoșoacă die Tür wies) und die geradezu überall „salonfähig“ gewordenen c) Patrioten für Europa (Rassemblement National, La Lega, Orbáns FIDESZ). Die unter „a)“ Geführten sind nach den Europawahlen 2024 die drittstärkste Fraktion im Europaparlament. Zusammen mit „b)“ und „c)“ bilden sie eine durchschlagkräftige Schranke gegen den Ausbau der EU.

In Osteuropa, speziell in Rumänien, haben die Souveränisten Sonderprägungen. Einerseits die übersteigerten, schon barttragenden Frustrationen gegenüber dem Westen. Mystikneigung und Orthodoxiehörigkeit. Gezielt von Moskau geförderte organische Aversion gegen Kapitalismus. Sie haben sich von der noch vor 20 Jahren vertretenen Alternative des Zusammenwachsens unter dem Siegel des Liberalismus abgegrenzt – negieren Wirtschaftsintegration, Globalisierung sowieso. Georgescu tönt von Wiedererlangung des Nationalvermögens … Kein freier Güter- und Werteverkehr, Euro weg! Hingegen Re-Zentralisierung der National-Wirtschaft, strengster Protektionismus, auch für die autochthone Landwirtschaft.

Globalisierung? Ein Feindbegriff. Sie sagen „Globalismus“, meinen ideologisch eine erdumspannende Integration aller Staaten, unter Wirtschafts-Bevormundung – „über die Köpfe aller souveränen Nationalstaaten hinweg!“. Gefürchtetes Endziel: Weltregierung. Verschwörungszentrum: USA.

Deswegen bleibt einem „ehrlichen Nationalstaat“ nur Moskau als Stütze und Ideal. Außer den Fratelli d’Italia sind alle souveränistischen Parteien Moskau-freundlich bis -hörig – von dort kommt auch Geld. Ihr Politikeridol: Putin. Ein (lupenreiner…) „Patriot“, der „sein Land liebt“. Hinwendung nach Moskau heißt, Beziehungen zu den USA zu kappen. So gesehen: Souveränität heißt für die Dauerkotaus Richtung Moskau.

Wer sein Haupt nach Osten neigt, dreht die Kehrseite dem Westen zu.