Rund 250 Jahre, seit der letzte Wisent des heute rumänischen Karpatenraums in Siebenbürgen erlegt wurde, ist 2014 an den Hängen des }arcu-Massivs, am Nordrand des Banater Berglands, auf fast 50 Quadratkilometern, die hauptsächlich mit Laubwäldern bewachsen sind, ein Wiederauswilderungsprojekt der massivsten Wildtiere Europas gestartet worden. Initiatoren der Wisent-Wiederansiedlung als künftiges Freiwild im Karpatenraum waren – und sind es bis heute, als Beobachter, Betreuer und Unterstützer – der WWF und Rewilding Europe, in Zusammenarbeit mit dem Gemeindehaus von Armeni{, auf dessen Hoheitsgebiet des Projekt umgesetzt wird und woher die Projektpartner und Ranger kommen.
Der europäische Wisent oder auch Bison (Bos bonasus oder Bison bonasus) kam bis ins frühe Mittelalter in nahezu allen europäischen Urwaldgebieten des gemäßigten Raums vor, vor allem in West-, Mittel- und Südosteuropa. Heute gibt es – dank Beständen aus Tiergärten, die erhalten geblieben sind und seit 1920 wieder ausgewildert wurden bzw. wissenschaftlich betreut ausgewildert werden – in freier Wildbahn wieder rund 7200 Tiere (Stand 2023 laut dem Weltwisentzuchtbuch, das vom polnischen Nationalpark Bialowieza, gelegen in der Nähe der weißrussischen Grenze, geführt wird). Von den ursprünglich zwei europäischen Unterarten, dem Flachlandwisent (Bos bonasus oder der eigentliche Wisent) und dem Kaukasus-Wisent (Bos bonasus caucasiensis) gibt es nur noch ersteren, mit drei Zuchtlinien: reinerbige Flachlandwisente, die Flachland-Kaukasus-Zuchtlinie – eine Kreuzung des Flachland- mit dem Kaukasus-Wisent, aus Zeiten, bevor der letzte Kaukasus-Wisent 1927 erlegt wurde, und drittens, die Einkreuzung des amerikanischen Bisons in letztere Kreuzung – die „Hochlandlinie“, denn der amerikanische Bison ist mit dem Wisent nicht direkt verwandt, aber mit ihm uneingeschränkt kreuzbar.
In freier Wildbahn bestehen die Wisentherden aus 12-20 Kühen und Kälbern, zu denen sich bloß in der Brunftzeit auch die geschlechtsreifen Bullen gesellen, die sonst ein Einsiedlerdasein führen. Im Wisentreservat von Armeni{ leben zur Zeit mehr als hundert Wisente. Die Herdenbildung sei noch nicht vollständig abgeschlossen, war vom Rathaus Armeni{ zu hören. Die durch Vermittlung und auf Kosten von WWF und Rewilding Europe aus allen Teilen bzw. Reservaten Europas hier ausgewilderten Tiere hätten sich gut ans Ortsgegebene angepasst, seien aber noch in einer Art Auftrennphase der ursprünglichen Masse, nachdem bereits mehrere Geburtengenerationen den Bestand stark anwachsen ließen.
Nun macht der dortige Bürgermeister und Schwiegersohn des Ex-Innenministers (und heutigen PNL-Abgeordneten) Ion Marcel Vela, Cristian Vela, für „sein“ Wisent-Auswilderungsprojekt Werbung mit einer neuen Erkenntnis, die auf Forschungen der amerikanischen Yale-Universität bezüglich des Langzeitverhaltens des amerikanischen Bisons fußt: Die Wisente, ebenso wie die Bisons, seien „natürliche Partner“ des Menschen in seinem Kampf gegen die Klimakrise, so die Armeni{er Extrapolierung der Schlussfolgerung der Yale-Forscher. Konservierungs- und Vermehrungsbestrebungen von Wisenten (und Bisons) - wie jene von Armeni{ - seien nicht nur ein Segen für die Biodiversität bzw. für deren Wiederherstellung, sondern hätten sicht- und kalkulierbare Auswirkungen auf die Fähigkeit der Ökosysteme, Kohlenstoff zu binden und einzulagern.
Laut den Forschern von Yale spielten die amerikanischen Bisons durch ihr Weide- und Wanderverhalten eine wesentliche Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Natur. Sie trügen nicht nur zur Düngung der Gebiete bei, die sie beweiden, sondern auch zur Verfestigung des Bodens durch die Tritte ihrer Hufe (was auch für andere große Huftiere auf anderen Kontinenten gelte) – ein sehr wichtiger Faktor bei den gegenwärtigen Tendenzen der zunehmendem Ausbreitung von Wüsten und Staub-Ebenen infolge von immer längeren Dürrezeiten.
Umgelegt auf die 48 Quadratkilometer an den Hängen des }arcu-Bergstocks (der ein Teil der westlichen Südkarpaten ist), die Armeni{ für das Wisent-Auswilderungsprojekt zur Verfügung gestellt hat, konnte das Rathaus Armeni{ aufgrund der Erkenntnisse der Yale-Forscher errechnen, dass durch die Anwesenheit der Wisentherden in diesem Raum jährlich 54.000 Tonnen Kohlenstoff aus diversen Emissionen gebunden und gespeichert werden. Das entspreche dem durchschnittlichen jährlichen Abgasausstoß von 84.000 Benzinmotoren.
Bürgermeister Cristian Vela: „Die Rückkehr der Wisente hat nicht nur ökologischen Nutzen gebracht, sondern auch einen kulturellen. In der Gemeinde hat man begonnen, sich der alten Erzählungen und Traditionen zu erinnern, die an diese imposanten Tiere gebunden sind, die bis vor etwa 250 Jahren noch in unserer Gegend gelebt haben müssen, und die man scheinbar nach ihrem Verschwinden aus der Landschaft vergessen hatte.“ In der Folklore der Rumänen symbolisieren die Wisente (rumänisch „bour“, auch Wappentier des Fürstentums der Moldau und auf der ältesten rumänischen Briefmarke abgebildet) Kraft und Ausdauer.
Nicht zuletzt gibt es Impulse seitens WWF und Rewilding Europe in Richtung touristischer Natur- und Tierbeobachtung, aber auch hinsichtlich der Einrichtung ländlicher Unterkunfts- und Verköstigungsmöglichkeiten, samt Salonfähigmachung lokaler Gerichte und der ortsüblichen Küche. Man habe es also auch zweifellos mit „einer wirtschaftlich profitabel umsetzbaren Rückkehr“ zu tun.
Nach wie vor sorgen das Rathaus und die beiden Umwelt- und Tierschutzorganisationen aber auch für den strengen Schutz der ausgewilderten Wisente. Ihr neues, seit 20 Jahren bestehendes Habitat wird laufend und flächendeckend überwacht – auch, um die Migrationstendenzen der Wisente einzudämmen. Man spricht immer noch vom „kontrollierten Wachstum des Bestands“.