Siebenbürgen hat eine Ausstrahlung

ADZ-Interview mit MdB Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

Den emeritierten Bischof D. Dr. Christoph Klein traf der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk am Gartenfest im Dr. Carl-Wolff-Altenheim und er hatte mit ihm einen regen Meinungsaustausch.
Foto: Hannelore Baier

Der Anlass des viertägigen Besuches in Rumänien und Siebenbürgen von Hartmut Koschyk, Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB) und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, war die Vorstellung der ersten deutsch-rumänischen Gemeinschaftsbriefmarke. Seit der Privatisierung von Post und Telekommunikation ist die Herausgabe der Briefmarken eine der Aufgaben des Bundesfinanzministeriums, erklärte Koschyk am Freitagabend auf einer von Parlamentsabgeordneten Ovidiu Ganţ spontan anberaumten Pressekonferenz. Dabei präsentierten der Parlamentarische Staatssekretär und der hessische Landtagspräsident Norbert Kartmann Vertretern der Medien das Album mit der Sonderbriefmarke, die am Samstag dann beim Sachsentreffen in Kronstadt/Braşov offiziell vorgestellt wurde. „Als jemand, der zu früheren Gelegenheiten sowohl Siebenbürgen als auch das Banat besucht hat und sich den hier lebenden Bürgern deutscher Abstammung verbunden fühlt, freut es mich, dass ein so bedeutendes Kulturdenkmal wie die Kirchenburg Birthälm das Motiv dieser gemeinsamen Briefmarke ist. Diese Briefmarke und ihr Motiv unterstreichen die Brückenfunktion, die der deutschen Minderheit in Rumänien zukommt“, erklärte Koschyk. Er ist ehrenamtlich u. a. der Bundesvorsitzende des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. und stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das Interview führte ADZ-Redakteurin Hannelore Baier.

Den wievielten Besuch statten Sie Rumänien und der deutschen Minderheit zurzeit ab?

Es ist der fünfte oder sechste Besuch in Rumänien. Ich war aus verschiedenen Anlässen sowohl in Bukarest als auch in Siebenbürgen und im Banat. Jetzt hat es einige Jahre gedauert, bis ich wieder nach Siebenbürgen kommen konnte, wobei der Anlass die Vorstellung der Sonderbriefmarke gewesen ist. Ich wollte diesen Besuch aber auch damit verbinden, mit allen wichtigen Repräsentanten in Siebenbürgen zusammenzutreffen, sowohl der Evangelischen Kirche als auch des Deutschen Forums und auch der Kommunalpolitik. Für mich war es ein sehr interessanter und eindrucksvoller Besuch.

Aus welchem Grund wollten Sie Vertreter der deutschen Minderheit treffen bzw. Ortschaften mit siebenbürgisch-sächsischer Bevölkerung besuchen?

Die Sonderbriefmarke ist der Kirchenburg Birthälm gewidmet. Birthälm steht für tolerantes Miteinander von Nationen und Religionen in Siebenbürgen und diese sprichwörtliche Toleranz der Kulturen und Religionen in Siebenbürgen kann beispielgebend für das Zusammenleben in Europa sein. Ich wollte es nicht nur bei einer kurzen Präsentation der Briefmarke belassen, für mich war sehr wichtig, Birthälm selber zu besuchen, aber auch mit jenen zu sprechen, die hier täglich leben, dieses Zusammenleben organisieren und gestalten, ob es nun weltlich ist, ob es  politisch, kirchlich oder diakonisch ist. Ich muss sagen, mich hat am meisten beeindruckt, wie das diakonische Wirken der evangelischen Kirche in Siebenbürgen sich entwickelt. Das sind Projekte, die mich auch menschlich sehr bewegt haben und die deutlich machen, dass wir in unserer Unterstützung aus der Bundesrepublik Deutschland sowohl von Regierungsseite aber auch politisch und gesellschaftlich nicht nachlassen dürfen.

Am 6. und 7. Oktober tagt in Berlin die gemeinsame deutsch-rumänische Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit, in deren Rahmen die weitere Förderung dieser Gemeinschaft beraten wird. Werden Sie Ihrem Kollegen, dem Parlamentarischen Staatssekretär im BMI, Dr. Christoph Bergner, den Rücken stärken können, sollten im Bundeshaushalt Kürzungen der Fördermittel vorgesehen werden?

Ich bin sehr dankbar, dass mein Kollege Christoph Bergner mit wirklich großem Engagement und auch mit einer inneren Grundeinstellung diese Aufgabe versieht. Der jetzige Finanzminister war zweimal Innenminister und hat die Förderung deutscher Minderheiten als solche mit aufgebaut. Wolfgang Schäuble und ich als sein Staatssekretär im Finanzministerium haben unser Herz für die deutschen Minderheiten in Europa nicht verloren.

Sie haben während des viertägigen Besuchs das Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen besucht. Welchen Eindruck erhält man da?

Was ich wirklich positiv mitnehme ist, dass es einen gewissen Aufbruch gibt, trotz aller Beschwernisse, trotz des Exodus, der nach der Demokratisierung Rumäniens stattgefunden hat. Ich merke, wie sich das politische, gesellschaftliche auch das kirchlich-diakonische Wirken verbreitet hat und weit in die rumänische Gesellschaft hineinwirkt. Ich merke, dass die mittlere und die jüngere Generation in Verantwortung getreten ist. Für mich war es auch kulturell sehr eindrucksvoll, in Kronstadt den Jugendbachchor zu erleben, wo junge Deutsche, Rumänen und Ungarn zusammen in einem Chor unter Leitung von Steffen Schlandt auf europäischem Niveau Musik machen. Also, es sind große Herausforderungen für die deutsche Minderheit, für die evangelische Kirche in Siebenbürgen, aber man stellt sich mutig, auch mit Gottvertrauen, diesen Herausforderungen, man hält als Gemeinschaft zusammen – das ist beim Sachsentreffen deutlich geworden – und es gibt eine mittlere und junge Generation, die Verantwortung übernommen hat und diese Aufgaben fortführt.

Getroffen habe ich aber auch Menschen, die aus verschiedensten Gründen zurückgekehrt sind. Und man gewinnt Menschen ohne familiären Bezug zu Siebenbürgen, sich für eine gute Zukunft dieser europäischen Kulturregion zu engagieren. Auch habe ich hier Leute getroffen, die als Touristen oder mit einem speziellen Auftrag sich der Kirchenburgenlandschaft oder der Menschen verbunden fühlen, die hierher kommen ohne Wurzeln in Siebenbürgen zu haben. Siebenbürgen hat eine Ausstrahlung, das ist für mich ein Zeichen von Hoffnung, das ich mitnehme.

Eine Frage an den stellvertretenden Stiftungsratsvorsitzenden der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur : Es war die Diktatur in Rumänien, die die Bundesrepublik veranlasst hatte, Mittel bereitzustellen für den „Freikauf“ von Rumäniendeutschen, da diese keine andere Möglichkeit sahen, dieser Diktatur zu entkommen. In Rumänien sind mittlerweile einige Dokumente zu diesem Thema erschienen. Wäre es nicht an der Zeit, dieses Thema auch in der Bundesrepublik aufzugreifen und aufzuarbeiten?

Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee. Ich werde alles unterstützen, auch als stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, um auch dieses Kapitel unseliger deutsch-rumänischer Zusammenarbeit so weit wie möglich aufzuarbeiten.