Tausend Jahre Glaubensgeschichte

Erste Ausstellung einer Reihe zur Geschichte des Bistums Tschanad eröffnet

Mit der Bischofsweihe des Hl. Gerhard wurde der Grundstein der Diözese Tschanad gelegt und so beginnt auch die Ausstellung entlang der linken Kirchenwand.

Bischof em. Martin Roos | Fotos: Astrid Weisz

Den Namen Temeswars in alle Welt hinaus getragen hat Pelbart von Temeswar durch seine Predigtvorlagen, die in ganz Westeuropa gedruckt wurden und verbeitet waren.

Millenium Csanadiense – ut unum sint – die Jubiläumsmedaille steht für mehr als Vergangenheit mit dem Spruch „dass sie geeint seien“ | Foto: Dr. Claudiu Călin

Es mag so manchen verwundert haben, als am Mittwochvormittag des 14. Mai die Domglocken feierlich dazu einluden, das weit geöffnete Haupttor der Domkirche zu durchschreiten, zumal ja kein kirchliches Fest anstand – doch was für ein Fest für die Römisch-Katholische Diözese Temeswar. Feierliche Musik, elegant gekleidete Gastgeber, Festredner und zahlreich erschienene Gäste im altehrwürdigen Sankt-Georgs-Dom in Temeswar boten die Kulisse, zumal es galt, sich einen Teil der Anfänge europäischer Kultur, Zivilisation, Schrifttums und katholischen Glaubenslebens im heutigen Westrumänien anzueignen.

Eingeladen hatten die Römisch-Katholische Diözese Temeswar und ihre Nachbardiözesen aus Ungarn und Serbien, um mit einer feierlichen Zeremonie eine außergewöhnliche Ausstellung zu eröffnen: Sie widmet sich der tausendjährigen Geschichte des katholischen Bistums Tschanad/Csanád – einer der ältesten kirchlichen Institutionen in Südosteuropa. Entsprechend ergriffen zur Ausstellungseröffnung Vertreter der drei Nachfolgediözesen (Temeswar, Szeged-Csanád, Großbetschkerek/Zrenjanin) das Wort. Hochrangige Gäste, darunter auch kirchliche Würdenträger und Diplomaten wurden dreisprachig, Ungarisch, Rumänisch und Deutsch, von Diözesanbischof Josef Csaba Pál begrüßt und würdigten den historischen und kulturellen Rang der Diözese, deren Ursprung im Jahr 1030 liegt. Das prachtvolle Gotteshaus birgt somit bis Mitte Juli eine wertvolle Ausstellung mit manch einzigartigem Exponat, zumal es gerade aus dieser Zeit nicht viele Funde gibt. Die Besichtigung verspricht ein Erlebnis, das anschließend auch den Gläubigen und Interessierten in der ungarischen und in der serbischen Schwesterdiözese zuteil werden wird.

Gegründet durch den heiligen König Stephan von Ungarn und aufgebaut unter der Leitung des Benediktinermönchs und ersten Bischofs Gerhard, war das Bistum „an der Marosch“ über Jahrhunderte hinweg ein Zentrum des Glaubens, der Bildung und der europäischen Kultur. Die Ausstellung beleuchtet in mehreren Themenstationen die ersten fünf Jahrhunderte dieser Diözesangeschichte – von den Anfängen über die Katastrophe des Tatarensturms 1241 bis hin zur osmanischen Er-oberung 1552. Dass heute die Domkirche unter ihrem Dach zu diesem Ereignis die unterschiedlichsten Glaubensgemeinschaften und Nationalitäten mit und ohne Rang, Würde, Amt und Funktion, auf den voll besetzten Kirchenbänken vereinte, schien voll dem Motto auf der Jubiläumsmedaille zu entsprechen: Ut unum sint – dass sie eins seien.

Kleine Artefakte einer großen Geschichte

Trotz der gewaltigen Zeitspanne kann die Schau nur einen kleinen Ausschnitt zeigen. Dennoch geben Originaldokumente, Handschriften, archäologische Funde und Reproduktionen einen beeindruckenden Einblick in das religiöse und kulturelle Leben des mittelalterlichen Banats. Besondere Exponate wie die „Deliberatio“ des heiligen Gerhard aus der Bayerischen Staatsbibliothek oder ein Titus-Livius-Kodex aus der Klosterbibliothek von Bulci belegen die tief verwurzelte Verbindung der Region mit dem europäischen Geistesleben.

„Wir können mit bescheidenem Stolz auf ein geistliches Erbe blicken, das seinesgleichen sucht“, betonte der emeritierte Bischof von Temeswar, Martin Roos, in seiner Eröffnungsansprache, zumal er mit Beharrlichkeit und seinem umfangreichen Wissen um die Geschichte der Diözese federführend das Projekt ausarbeitete. Die Ausstellung verdeutliche nicht nur die Standfestigkeit des Glaubens in schweren Zeiten, sondern auch die Widerstandskraft der Menschen gegen Barbarei und Krieg. Sie sei ein Aufruf, Vergangenheit als Lehrmeisterin der Gegenwart zu begreifen – „Historia est magistra vitae“.

Die Diözese Csanád, aus der auch das heutige Bistum Temeswar hervorgegangen ist, war über Jahrhunderte hinweg Schauplatz von Aufbruch, Zerstörung und Erneuerung. Die Ausstellung schlägt nun eine Brücke von der spirituellen Kraft der frühen Benediktiner bis zur Gegenwart – und lädt die Besucher ein, im Gedenken an diese lange Geschichte ihren eigenen Glaubensweg neu zu reflektieren.

Auf 26 Tafeln und in acht Vitrinen können Besucher die Entwicklung und die bedeutenden Ereignisse der Diözese nachverfolgen. Die Ausstellung ist nicht nur eine Ansammlung von historischen Artefakten, sondern auch ein Spiegel des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, die die Christen der Region in turbulenten Zeiten geprägt haben. Jeder Abschnitt der Ausstellung erzählt eine Geschichte, die tief in der Geschichte des Banats verwurzelt ist.

Geschichten aus der Geschichte

Der Erzählstrang der Ausstellung beginnt links neben dem Seitenaltar des heiligen Johannes Nepomuk und zieht sich durch den Dom bis zur rechten Seite. Die ersten vier Tafeln lenken das Augenmerk auf die Gründung der Diözese und das Wirken des heiligen Gerhard, der als erster Bischof der Diözese bekannt wurde. Sein Leben und seine Mission, den christlichen Glauben zu fördern, bilden den Kern dieser frühen Geschichte. In den weiteren Teilen der Ausstellung erhält man Einblicke in die frühmittelalterliche Architektur und die kleinen romanischen Kirchen, die in der Region errichtet wurden. Archäologische Funde aus Igriș, die im Laufe der letzten Jahre gemacht wurden, enthüllen die Überreste einer kleinen, bisher unbekannten Kirche aus dem 11. Jahrhundert (übrigens eröffnete das Banater Nationalmuseum just am gleichen Tag die Ausstellung mit archäologischen Funden aus Igriș).

Neun der Tafeln widmen sich der liturgischen Würdigung des heiligen Gerhard, den hagiografischen Quellen und bedeutenden Dokumenten, die die Entwicklung der Diözese belegen. Die besprochenen Themen umfassen alles von Gräbern bedeutender Persönlichkeiten bis hin zu den beeindruckenden Überresten von Kirchen, die durch Kriege und Naturkatastrophen beschädigt wurden.

Besonders bewegend ist die Geschichte der Zisterzienserabtei in Igriș, die im 12. Jahrhundert gegründet wurde und die letzten Ruhestätten ungarischer Könige und Königinnen beherbergte. Die dramatischen Ereignisse um die Tatareninvasion 1241 und die Zerstörung der Abtei werden eindrucksvoll durch Texte und Funde dokumentiert.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist das 15. Paneel, das den ungarischen König Ladislaus IV. darstellt, der im späten 13. Jahrhundert Tschanad/Cenad besuchte. Später wird die Unterstützung des Hauses Anjou durch Karl Robert beschrieben, der die Kirche in Lippa/Lipova errichten ließ, eine Pfarrei, die in diesem Jahr ihr 700-jähriges Bestehen feiert.

Die „Zehnten-Listen“ aus den Jahren 1333-1335 liefern weitere historische Beweise für die Existenz verschiedener Gemeinden, während die beeindruckenden Ruinen der Kirche in Aracs, die von den Türken beansprucht wurden, Geschichten von Kämpfen und Glauben erzählt.

Katastrophales Ende

Bischof Martin beschrieb den letzten Teil der Ausstellung in eindrucksvollen Worten: „Die schwierigen Zeiten des ausgehenden 15. und die der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren von den großen Katastrophen geprägt. Die Bischöfe, angefangen mit Albert von Hangách, der das wehrlose Csanád mit einer Steinmauer verstärkt hat, bis hin zu den Bischöfen, die ihr Leben 1514 bei dem Bauernaufstand, 1526 auf dem Schlachtfeld bei Mohács oder auch jener, der 1529 in der Schlacht bei Marienburg gefallen ist, stellten sich – als Kinder ihrer Zeit – den Anforderungen, wie diese auf sie zukamen. Dazu gesellte sich die Reformation mit ihren Schwierigkeiten und Abfällen von Glauben und Tradition. Und schließlich mündete alles 1552 in die große Katastrophe des 27. Juli 1552, da die Türken die Festung Temeswar unter dem Verteidiger Stephan Losonczy in die Knie zwangen und fürchterliche Rache an den Besiegten nahmen.“

Die Ausstellung ist der breiten Öffentlichkeit auf Rumänisch, Deutsch, Ungarisch und Serbisch zugänglich, begleitet von einem von Bischof Roos verfassten Geleitheft, auch Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin (der dem Organisationsteam angehörte) tat in seiner Führung zur Ausstellungseröffnung mit ruhiger Stimme Details kund, die dem ersten Blick verborgen bleiben könnten. Die Jubiläumsausstellung richtet sich nicht nur an Kirchenhistoriker, sondern an alle, die sich für die religiöse und kulturelle Identität der Region interessieren. Stand die Temeswarer Domkirche ohnehin seit ihrer Sanierung unumgänglich auf dem Reiseplan jedes Besuchers und Stadtbewohners, so gibt es nun einen triftigen Grund mehr, über die Schwelle des imposanten barocken Gotteshauses zu treten und damit nicht nur heilige Mauern zu betreten, sondern auch eine Zeitreise anzutreten.