„He´s got the whole world in his hand.“ Er hält die ganze Welt in seiner Hand. Er ist der Größte, den die Welt erleben durfte. Er ist der Weltveränderer und -gestalter. Er räumt auf mit dem Chaos. Er passt die geografischen Namen an. Er sagt Nationen, wo es lang geht, damit sie nicht in der Hölle landen. Er ist der Friedensbringer, denn er beendet Kriege. Er ist der Wundertäter und Heiler. Er versteht, woher die Krankheiten kommen und wie sie aus der Welt geschafft werden können. Am 22. September 2025 verkündet US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus gemeinsam mit Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. eine Reihe von Aussagen, die weltweit für Aufsehen sorgen. Paracetamol sei die Hauptursache für Autismus, Impfungen gefährlich, und die Amish-Gemeinschaft angeblich frei von neurologischen Entwicklungsstörungen. Was als politische Inszenierung beginnt, entfaltet potenziell globale Auswirkungen – auch in Rumänien.
Ein Spektrum neurologischer Entwicklungsstörungen
Autismus, genauer gesagt Autismus-Spektrum-Störung (ASS), beschreibt eine Gruppe neurologischer Entwicklungsstörungen, die sich auf Kommunikation, Verhalten und soziale Interaktion auswirken. Menschen mit ASS zeigen oft Schwierigkeiten im sozialen Umgang, eingeschränkte oder ungewöhnliche Kommunikation, wiederholende Verhaltensmuster oder Interessen, sensorische Besonderheiten (z. B. Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen oder Berührungen). Die Ausprägung kann stark variieren – von hochfunktionalem Autismus bis zu schwerer Beeinträchtigung. Deshalb spricht man von einem „Spektrum“.
Neue Studien zeigen, dass Autismus keine einheitliche Störung ist, sondern aus verschiedenen genetischen und verhaltensbezogenen Klassen besteht. Forscher identifizieren zunehmend Gene, die mit bestimmten Symptomen korrelieren, was zu einer differenzierteren Diagnostik führen könnte. Statt einzelne Merkmale zu betrachten, analysieren Wissenschaftler nun, wie verschiedene Symptome innerhalb einer Person zusammenwirken. Dieser Ansatz hilft, komplexe Muster zu erkennen und individuelle Unterstützungsstrategien zu entwickeln.
Eugen Bleuler benutzt zum ersten Mal 1908 den Begriff Autismus, doch versteht der Schweizer Psychiater diesen im Zusammenhang mit Schizophrenie. Entscheidende Fortschritte in der Forschung werden ab den sechziger Jahren gemacht. So werden 1964 die neurologischen Ursachen der Störung anerkannt. Doch erst seit 1980 wird Autismus als eigenständige Diagnose geführt. Durch die zu erkennbaren Gemeinsamkeiten mit dem Asperger-Syndrom beginnt man ab den neunziger Jahren, an ein Spektrum der Störungen zu denken. Doch der Begriff „Autismus-Spektrum-Störungen“ wird erst 2013 eingeführt. So werden frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom und andere verwandte Diagnosen unter einem Dach vereint.
Die Prävalenz von Autismus ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen – nicht unbedingt, weil mehr Menschen betroffen sind, sondern weil Diagnostik und Bewusstsein sich verbessert haben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass etwa eine Person von 127 weltweit im Jahr 2021 von Autismus betroffen war. Diese Zahl gilt als Durchschnittswert, da die Prävalenz je nach Land und Studien stark variiert. In vielen Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen fehlen verlässliche Daten zur Häufigkeit von Autismus.
In Rumänien liegt die geschätzte Prävalenz von Autismus-Spektrum-Störungen im Jahr 2025 bei etwa 887 Fällen pro 100.000 Einwohner. Das entspricht ungefähr 0,89 Prozent der Bevölkerung. Rumänien liegt damit im mittleren Bereich der weltweiten Autismusraten. Die tatsächliche Zahl könnte höher sein, da Diagnostik oft spät erfolgt, der Zugang zu spezialisierten Fachkräften begrenzt ist und zugleich Stigmatisierung sowie mangelndes Bewusstsein die Früherkennung erschweren.
Die Diagnose von Autismus-Spektrum-Störungen ist komplex und mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Zu den wichtigsten wissenschaftlich belegten Schwierigkeiten gehören das breite Spektrum der Ausprägungen, das unterschiedliche Auftreten der Symptome und vielleicht entscheidend das Fehlen der sogenannten Biomarkers – es gibt keine eindeutigen biologischen Tests, die zu einer Diagnose verhelfen könnten, diese basiert auf Verhaltensbeobachtung, Interviews und standardisierten Fragebögen.
Zwischen Populismus und Pseudowissenschaft
Nun kann man auch verstehen, wie vorsichtig die Forschung mit der konkreten Benennung von Ursachen für ASS umgeht, auch wenn immer mehr Studien in diese Richtung durchgeführt werden. Gott sei Dank gibt es Trump, der es besser weiß. Zusammen mit Kumpel und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., ein weiteres verkanntes Genie, teilte er in einer Pressekonferenz am 22. September 2025 der Welt mit, dass die Einnahme von Tylenol (Paracetamol) während der Schwangerschaft das Autismus-Risiko beim Kind erhöhe. „Habt ihr Fieber während der Schwangerschaft, steht es einfach aus. Bringt nicht eure Kinder in Gefahr. Tylenol ist nicht gut. Ich sage es ganz offen. Nicht gut“, empfahl er väterlich den Frauen weltweit. Dabei ist sich die medizinische Forschung einig, dass unbehandeltes Fieber während der Schwangerschaft (überhaupt während des ersten Trimesters) schwerwiegende Folgen für Kind und Mutter haben kann: gesteigertes Fehlgeburtsrisiko, Fehlbildung von Gehirn und Wirbelsäule, Amnioninfektionssyndrom u. a. Die medizinische Fachwelt ist sich dabei einig, dass Paracetamol ein sicheres Behandlungsmittel ist und wird deswegen auch in den meisten Fällen eingesetzt.
Von der Liste der möglichen Autismus-Verursacher durften natürlich die Impfungen nicht fehlen. Dabei nannte Trump konkret die Hepatitis-B-Impfung bei Babys und Kleinkindern, sowie die Mehrheitsimpfungen (z. B. MMR – Masern, Mumps, Röteln). Dabei bezog er sich auf Argumentationsmuster, die seit der sogenannten Wakefield-Studie von 1998 in der Welt kursieren und einen Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen aufzeigen möchten. Der britische Gastroenterologe Andrew Wakefield veröffentlichte besagte Studie im Fachjournal „The Lancet“. Nachdem nachgewiesen wurde, dass in der Studie jede wissenschaftliche Forschungsnorm missachtet wurde, dabei auch noch Daten manipuliert wurden und Wakefield selber finanzielle Interessen an einer alternativen Einzelimpfung hatte, wurde die Studie von dem Journal 2010 zurückgezogen und Wakefield verlor seine ärztliche Zulassung in Großbritannien. Inzwischen gibt es große epidemiologische Studien mit Hunderttausenden Kindern, die keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus aufzeigen. Der von Unwahrheiten strotzende Trumpsche Diskurs, die Fachwelt spricht dezidiert von absichtlicher Verbreitung von Fake News, gipfelte in der Aussage, dass in Amish-Gemeinden, wo nicht geimpft wird, auch keine neurologischen Entwicklungsstörungen nachzuweisen sind. In typischer Trumpschen Manier versprach Kennedy Jr., dass er bis September 2026 „die wahre Ursache“ von Autismus der Welt mitteilen wird.
Autismus in Rumänien
Man könnte meinen, dass derartige Aussagen nur in den USA konkrete Folgen haben werden. Ein Blick auf die Situation in Rumänien kann zeigen, dass dieses längst nicht der Fall ist. Der Umgang mit Autismus in Rumänien hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, steht aber weiterhin vor großen Herausforderungen. Es bestehen noch große Defizite: Barrierefreiheit im Alltag ist oft nicht gegeben, inklusive Bildung steckt vielerorts noch in den Anfängen, viele Kinder mit Autismus besuchen Sonderschulen oder bleiben ganz ohne angemessene Förderung, zugleich erhalten viele Kinder erst spät eine Diagnose, was die Frühförderung erschwert. Autismus wird in Teilen der Gesellschaft noch mit Vorurteilen betrachtet. Rumänien hat in den letzten Jahren begonnen, Fördermaßnahmen für Menschen mit Autismus auszubauen – allerdings sind diese Programme noch begrenzt und oft regional unterschiedlich. Meistens müssen für die notwendigen Therapiestunden die Eltern selber aufkommen. Die Kosten reichen monatlich von 3000 – 6000 Lei (je nach Region), was den Therapiezugang für einkommensschwache Familien fast unmöglich macht.
Zugleich sind in der Gesellschaft noch viele Vorurteile abzubauen. Autismus wird oft noch mit „geistiger Behinderung“ oder „sozialer Unfähigkeit“ gleichgesetzt. Viele Menschen kennen nur stereotype Darstellungen – etwa das Bild des „Genies mit sozialen Defiziten“. Erwachsene mit Autismus werden häufig nicht als neurodivergent, sondern als „psychisch krank“ wahrgenommen. Studien zeigen, dass Mainstream-Medien (TV, Zeitungen, Filme) Autismus oft negativ oder verzerrt darstellen: Der Fokus liegt auf Einschränkungen statt auf Fähigkeiten, wobei die Per-spektive autistischer Menschen selbst so gut wie gar nicht einbezogen wird. Dafür ist der Ton in den sozialen Medien meist unterstützender und inklusiver.
Obwohl nun die Pressekonferenz von Donald Trump in den USA stattfand, könnten seine Aussagen auch in Rumänien gesellschaftliche, medizinische und politische Auswirkungen haben – vor allem durch mediale Verbreitung und bestehende Unsicherheiten im Gesundheitssystem. Trumps Behauptung, Paracetamol und Impfungen könnten Autismus verursachen, könnte rumänische Eltern verunsichern – besonders in ländlichen Regionen mit geringem Zugang zu medizinischer Aufklärung. Seine Aussagen könnten bestehende Verschwörungsnarrative in Rumänien befeuern – etwa zur Pharmaindustrie oder zur „wahren Ursache“ von Autismus. Die ohnehin knappen Ressourcen für Aufklärung und Diagnostik könnten dadurch zusätzlich belastet werden. In sozialen Netzwerken könnten Desinformationen viral gehen, besonders in Gruppen mit impfkritischer Haltung. Da die nationalistische politische Ausrichtung gerne Trumps-Narrative unkritisch übernimmt, kann mit einer nicht zu verachtenden Verbreitung dieser Fake News gerechnet werden.
Die Aussagen von Donald Trump und Robert F. Kennedy Jr. zur Autismus-Ursache sind nicht nur wissenschaftlich unbegründet – sie sind gefährlich. Sie untergraben das Vertrauen in medizinische Standards, fördern Desinformation und gefährden vulnerable Gruppen. In Rumänien, wo das Gesundheitssystem ohnehin unter Druck steht, könnten solche Aussagen die Situation weiter verschärfen. Es braucht mehr Aufklärung, mehr wissenschaftliche Kommunikation – und weniger politische In-szenierung. Denn am Ende sind es die Menschen mit ASS und ihre Familien, die die Folgen tragen.