„Unsere Musik... beflügelt in andere Welten“

„Blue Noise“, die vielleicht bekannteste A-capella-Band Rumäniens

Blue Noise im Konzert in Sala Palatului

Blue Noise im Konzert Foto: der Verfasser

Elena „Helen“ Mihai ...ist Sängerin und Komponistin und hat mit zahreichen Künstlern in Europa zusammengearbeitet. Ihr Talent hat den Sound von „Blue Noise“ wesentlich geprägt. Helens Hit „Friendships (Lost my love)“ in Zusammenarbeit mit Pascal Letoublon feat. Leony hat ihr gleich Goldzertifikate in Deutschland und Frankreich gebracht und ihr Können weltweit etabliert.

Denis Bolborea ...stellt mit seiner Stimme, seinem Rachen und seinen Lippen fast alle möglichen Instrumente der Gruppe dar. Seine innovativen Ansätze zu Stimmbandspielen auf Plattformen wie KABLAT oder BLIP bezeugen von seinem Interesse, neue Perspektiven in der Musik zu erforschen. Mittlerweile geht er immer mehr von seinem Beruf als Choreograph in Richtung seiner wahren Leidenschaft, der Musik, über.

Marina Arsene ...ist die Sopranistin der Gruppe und hat sich bereits einen Namen in Bands wie „The Twisters“ oder „Jazzapella“ gemacht. Als Lehrerin an der „Dinu Lipatti“-Musikschule Bukarest versucht sie, regelmäßig Zeit zu finden, ihre Stimme auf unterschiedlichen Workshops im In- aber insbesondere im Ausland zu trainieren und zu verfeinern, was bei jeder Bühnenvorstellung zum Vorschein kommt.

Bogdan Tudor ...ist das älteste Mitglied der Band und hat über Jahrzehnte eine weitläufige Erfahrung in der Musik- und Kunstwelt sammeln können, von klassischen Liedern mit dem Madrigal-Chor, in unterschiedlichen Bands bis hin zu Voice Acting. Seine prägnante Bass-Stimme und sein entspannter Bühnenauftritt fesseln und beflügeln das Publikum im Handumdrehen.

Mihai Grigore …spielt eigentlich Cello als Beruf, in unterschiedlichen Bands, in der Philharmonie, begleitet des öfteren TV-Spots oder unterschiedliche musikalische Aufnahmen. Zu „Blue Noise“ ist er eigentlich versehentlich gekommen, wie er selbst zugibt, denn anderswo wird niemand seine feine Tenor-Stimme erklingen hören.

Ana Dubyk ….spielt Klavier seit dem 8. Lebensjahr und hat sich ein Leben lang ständig von der Jazz-Welt angezogen gefühlt. Ihr Master-Studium in Jazz in Groningen sowie ihre Studien in New York haben ihr erlaubt, eine andere Welt der Musik kennenzulernen, die sie jetzt über „Blue Noise“ verwirklichen möchte. Zusätzlich hat Ana im Jahr 2021 ihr eigenes Album zusammen mit George Dumitriu und Andrea Caruso veröffentlicht. Fotos: Vlad Braga, Vladimir Pogonariu

Ob Jazz, Blues, Kirchenmusik, reinterpretierte klassische oder Renaissance-Musik, aber auch Volks-, Pop-, Schlager- oder Rockmusik, bis hin zu eigenen Kompositionen, die sechs Mitglieder von „Blue Noise” schaffen es bei jedem Konzert, das Publikum zu verblüffen und auf die Beine zu bringen, zu tanzen und sogar mitzusingen. Und das nur mit ihren perfekt ausgewogenen, aufeinander abgestimmten Stimmen – ohne jegliches Instrument. 

„Blue Noise“ ist vielleicht die bekannteste A-capella-Band Rumäniens, insbeson-dere nachdem sie 2015 den großen Preis des rumänischen Eurovision Wettbewerbs nur knapp verpasst hat. Ihre Bühnenauftritte auf eigenen Konzerten oder zusammen mit Branchengrößen wie Ștefan Bănică jun., Horia Brenciu, Vița de Vie oder neulich bei dem in der Kulturhauptstadt Temeswar organisierten Jazz-X Event inspirieren und beflügeln. Die fünf Musikhochschulabsolventen und ein Beatbox-Experte sind gerade dabei, ihr zweites Album zu veröffentlichen und versprechen dabei, erneut zu verblüffen.

Am besten genießt man die Band mit geschlossenen Augen. Die Stimmen perfekt ausbalanciert, die Instrumente im Hintergrund fein abgestimmt – es klingt wie ein Chor mit einem ganzen Orchester in einer mittelalterlichen Kapelle. Doch beim Öffnen der Augen bemerkt man, dass es nur Stimmen sind, menschliche Stimmen, die singen, in allen Tonlagen summen und manchmal bekannte, dann wieder völlig unbekannte Instrumente nachahmen. 

Bogdan Tudor, einer der Gründer der – ursprünglich ausschließlich vokalen - Band  vor knapp zehn Jahren, hat den leidenschaftlichen Beatbox-Experten Denis Bolborea – eigentlich Choreograph – am Nordbahnhof auf einem Beatbox-Tournier entdeckt. Mit ihm konnten sich die fünf trainierten Chorstimmen ein bisschen mehr der kommerziellen Seite nähern. Mit Ausnahme von Dennis haben alle Mitglieder von „Blue Noise“ einen Musikhochschulabschluss und sogar weitergehende Studien, insbesondere im Bereich Jazz. Das erlaubt ihnen, die Partituren bestens zu verstehen und zu reinterpretieren, keine Melodie wird einfach abgesungen, alles wird bearbeitet, besprochen, neue Ideen und Ausdrucksweisen versucht und getestet – entweder im eigenen Studio oder in Workshops mit bekannten Namen wie King Singers oder The Big Band. Ana Dubyk hatte sogar die Chance, in Übersee zu studieren und die Philosophie musikalischer Nischen vor Ort zu erkunden. 

Lebensphilosophie

„A capella“ heißt eigentlich, wie in einer Kapelle zu singen, also nur mit der Stimme, meint Helen. „Alles was wir tun ist, bekannte Lieder auf eine andere Art darzustellen“, fügt sie hinzu. „Wir versuchen zu zeigen, dass die Melodien auch mit primären Singinstrumenten, sprich mit der menschlichen Stimme, dargestellt werden können“, fügt Bogdan hinzu. Zur Veranschaulichung beschreibt Mihai seine Aufnahme in „Blue Noise“: Beim Vorstellungsgespräch wurde ihm eine Partitur in die Hand gelegt, die er als Cello-Spieler klar und einfach lesen konnte; jedoch dauerte es Tage, bis es ihm gelang, die Noten über seine Stimmbänder zu reproduzieren. Vokalisten benötigen nicht immer Wörter und Texte, um Musik zu machen. „Man kann ständig erfinden. In der Musikwelt gibt es keine Grenzen“, meinen alle einstimmig. Deswegen wagen sie sich oft in die Lautmalerei hinein, wobei das Ergebnis immer überraschend, aber überaus melodiös klingt.

In einer Vokalistengruppe spielt jede einzelne Stimme eine wesentliche Rolle, doch wichtig ist die Einstimmigkeit der Gruppe, nicht eines Einzelnen. Die musikalische Herausforderung der Sängergruppe besteht darin, jede einzelne Stimme den anderen Stimmen anzupassen. „Wir sind kein Chor“, betont Helen. „Jeder unserer Stimmen steht für ein Instrument - ein Bass, ein Blasinstrument, eine Gitarre. Wir verwandeln uns abwechselnd in unterschiedliche Instrumente.“

Gerade dieser Wille zur musikalischen Innovation hat sie beflügelt – und ermutigt, sich seinerzeit bei der Eurovision vorzustellen. Und – fast unglaublich – haben sie es bis ins Finale geschafft.

„Ich verspüre in allen meinen Poren, dass ich keine Ruhe finde, bis ich nicht das tue, wonach sich meine Seele sehnt“, erklärt Mihai und fügt hinzu, dass er dabei eigentlich auch für seine Kollegen und Freunde spricht. „Manchmal kommt die Musik einfach von irgendwo her, ich weiss nicht woher, aber sie ist auf einmal einfach da“, bestätigt Ana.

Die Freundschaft

Eine Vokalistengruppe benötigt mehr als nur ein physisches Zusammensein: sie braucht den Einklang der Seelen. „Auf einem Instrument nach einer Partitur zu spielen passiert im Äußeren des Körpers“, erklärt Ana, „aber das Singen kommt aus dem Inneren. Wenn unsere Gemüter nicht aufeinander abgestimmt sind, geht es nicht. Die Tatsache, dass wir das schaffen, als sechs komplett verschiedene Personen, verwandelt unser Singen in etwas überaus Schönes“. „Es ist eine schöne Freundschaft, die, unter anderem, auch über die Vibrationen unserer Stimmen zusammengehalten wird“, bringt es Mihai auf den Punkt. 

Herausforderungen

Eine der größten Herausforderungen der Band ist, die sechs Mitglieder wöchentlich ins Studio zu bringen, was nicht so einfach ist, wie es scheint. Bogdan hat als Werbeprofi ständig Projekte, macht Voice Overs bei Filmen oder im Radio. Marina unterrichtet in der Musikschule „Dinu Lipatti“. Ana bietet als selbstständige Therapeutin in ihrer Praxis Musiktherapie auf dem Klavier. Mihai hetzt mit seinem Cello oftmals von Event zu Event, Helen ist mit Komponieren in ihrem Studio beschäftigt ist und Denis oszilliert zwischen Choreographie und Beatbox. Sie treffen sich in ihrer Freizeit, aus Leidenschaft, denn ihre Auftritte allein können den Lebensunterhalt nicht decken. „Das rumänische Publikum und die Eventorganisatoren sind für A-capella noch nicht bereit“, meint Mihai. 

Auch vermissen die Bandmitglieder die Unterstützung des Kulturministeriums oder des Rumänischen Kulturinstituts im Ausland, wie sie Nischen-Musikanten in anderen Ländern oft erhalten, um zu überleben. „Blue Noise“ muss auf Vereine und Sponsoren zählen, um ihre Leidenschaft weiterhin verfolgen zu können. Doch es ist die Leidenschaft, die sie zusammenhält und anspornt, weiter zu machen.


„Blue Noise“ bald in Bukarest  und Bayreuth

Die A-capella-Band wird demnächst in Bukarest am 15. November auf einer Wohltätigkeitsversteigerung der Rumänischen Handelskammer auftreten. 

Am 16. November wird „Blue Noise“ zur  Eröffnung des Konzerts von Bonnie Tyler auf die Bühne der Sala Palatului steigen. 

In Deutschland laden die Vokalisten zu ihrem großen Konzert im April 2024 in Bayreuth ein. Es ist noch unklar, ob es zu einer größerenDeutschland-Tournee kommt… 

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