Zugebissen: Der weite Weg vom SO zum WIE


Man erkennt den Höhepunkt und den Wohlstand einer Gesellschaft in dem Augenblick, wo sie beginnt, sich ihren eigenen Untergang vorzustellen. Das Abendland kann sich apokalyptischer Projektionen kaum noch entziehen. Das Ende der uns bekannten Welt steht bevor. Hollywood bringt eine Dystopie nach der anderen auf die Leinwand. Weltuntergangsvorstellungen machen sich in der Literatur breit. Politiker sprechen vom Ende des Systems. Das Damoklesschwert des Krieges baumelt über den Köpfen der Erdbewohner. Mit jedem Tag, der vergeht, scheint der absolute Kollaps näher zu kommen und niemand scheint sich ihm entziehen zu können. Und trotzdem dreht sich für die meisten die Welt wie gehabt weiter. 

Einerseits schreien die Propheten der Apokalypse, dass die Endzeit in Sicht ist und predigen Bekehrung. Andrerseits fiebern die Befürworter des Endgerichts diesem Entgegen: Die Welt braucht eine Läuterung, denn sie ist zu sehr im Sündenpfuhl versunken. Es braucht einen Neustart, denn nur aus der Asche kann die neue und beste aller Welten entstehen. Überall erscheinen Symboldeuter und Seher, die im Kleinen und im Großen die Vorzeichen des Untergangs zu erkennen vermögen und diese der Masse zu erklären versuchen. 

Ihnen gegenüber stehen die Weltuntergangsverweigerer. Die eher Besonnenen, die im Vertrauen zum System und zu den Menschen erkennen, dass eine Krise nicht mehr als eine Krise ist. Die wissen, dass mit den richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit die auf dem Weg liegenden Stolpersteine weggeräumt werden können. Es braucht Beharrlichkeit. Es braucht Ausdauer. Es braucht den gemeinsamen Willen dazu. 

Regiert man aus einer Großkoalition heraus, liegt es auf der Hand, dass hier alle diese Stimmen wiederzufinden sind. Und jede versucht, so laut zu schreien, dass sie die anderen übertönt. Die Regierungskoalition in Rumänien erweist sich in diesen Tagen alles andere als vom gleichen Geist beflügelt. Einerseits: die Gegner der eigenen Regierung predigen den absoluten Untergang des Landes. Die Neustartbefürworter hoffen auf den baldigen Rücktritt des Premiers (der vielleicht auch nur noch Tage entfernt ist, wenn das Verfassungsgericht die Maßnahmen betreffend Renten und Rentenalter im Justizwesen als verfassungswidrig erklärt). Die scheinbar eher wenigen, die versuchen, das ganze Chaos in den Griff zu bekommen, verstehen ihre Rolle als Zugpferde und hoffen dabei, dass sich auch die anderen in das gleiche Joch einspannen lassen und so der Wagen schneller aus dem Graben befreit werden kann. 

In einem Punkt sind sich aber doch alle einig: SO kann es nicht weiter gehen. Leider wird das SO auf unterschiedliche Weise verstanden. Und da man sich in diesem Punkt nicht einig werden kann, kann man auch nicht wirklich festlegen, WIE es weitergehen soll. Auf dem Weg in die scheinbar nicht mehr zu vermeidende rumänische Apokalypse stellt man sich gegenseitig ein Bein und hofft, dass der so verursachte Fall den eher unerwünschten Partnern das Genick bricht. Denn nur wenn man alleine die Zügel in der Hand hat, kann man das SO und das WIE bestimmen. 

Nebenher strauchelt Präsident Dan in Abwesenheit. Der Cotroceni-Palast scheint zur Kommunikationsverweigerung zu verleiten. Die seltenen Momente, in denen er was zu sagen hat, wirken so konfus, dass man meint, der Mathematiker steckt in einer Beweisführung fest, in welcher ihm selber weder das SO noch das WIE noch klar sind.

Währenddessen fühlt der rumänische Otto-Normalverbraucher, dass er erneut auf dem Weg von Irgendwo nach Nirgendwo gelandet ist. Er muss erneut Verständnis aufbringen. Er muss mit beiden Händen anpacken. Er muss bereit sein, mehr als seinen bisherigen Obolus zu leisten. Denn SO kann es nicht weitergehen, will man der Apokalypse entkommen. WIE man das schafft, wird ihm zur rechten Zeit offenbart.