Wir hören es ständig aus allen Kanälen: Wir müssen dringend unseren CO2-Fußabdruck reduzieren! Weniger fliegen, mehr Zug- oder Radfahren! Weniger heizen, kälter duschen und lieber mal öfter einen dicken Pulli anlegen. Sparen sollen wir, solidarisch in Europa, denn der Klimawandel drückt und drängt und von russischem Gas wollen wir ganz schnell unabhängig werden. Tipps gibt es viele: Lokal einkaufen, im eigenen Land Urlaub machen, ein kleines, neues, abgasarmes, vielleicht elektrisches oder noch besser gar kein Auto fahren. Papier und Plasiktüten wiederverwenden. Alte Klamotten auftragen, tauschen oder upcyceln. Nachhaltigkeit ist das neue Modewort.
Hochgradig einverstanden! Leben wir nicht selbst hierzulande oft auf viel zu großem Fuß? Es ist fünf vor Zwölf oder auch schon viertel nach, das haben wohl die meisten Leute inzwischen begriffen...
Und dann das hier, im Supermarkt: Äpfel und Kartoffeln aus Polen, zur besten heimischen Apfel- und Kartoffelzeit! Getrocknete Bohnen: nur noch aus Ägypten oder Äthiopien zu erhalten. Dosentomaten: natürlich italienisch. Naturjoghurt: von griechischen Kühen. Wohlgemerkt, wir sprechen jetzt nicht von Landesspezialitäten, sondern von Basislebensmitteln, die es überall gibt. Von Dingen, die hier wachsen, gleich um die Ecke, nur dass der heimische Tomaten- oder Melonenbauer den Holländern, Griechen oder Türken, was Menge oder Preis betrifft, nicht das Wasser reichen kann.
Ach herrje – Wasser! Aus aller Herren Länder werden Mineralwässer unter klangvollen Namen in extra bauchigen oder superschlanken, transparenten, moosgrünen oder kobaltblauen Glas- oder Plastikflaschen über den Kontinent gekarrt. Als ob es anderswo kein Wasser gäbe. Und niemand fragt, wie viele Kilometer mit dem Flugzeug, Schiff oder Lastwagen so ein lokal leicht ersetzbares Produkt zurückgelegt hat. Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht von Kaffee, Zitrusfrüchten und Bananen, die bei uns eben nicht wachsen, sondern von Mehl, Bohnen, Kartoffeln, Milch und – Wasser!
Es gibt sogar Daten, welchen CO2-Fußabdruck solche Globetrotter-Basisprodukte haben, bzw. wie hoch der CO2-Verbrauch von Lebensmittel-Lieferketten ist (www.scinexx.de/news/geowissen/nahrungsmittel-transporte-als-co2-schleuder/). Sollte man das nicht groß auf der Verpackung anzeigen müssen – so, wie die ekligen Krebstumoren auf den Zigarettenpäckchen?
Vielleicht könnte man dann einen Mechanismus erdenken, der Menschen belohnt, die mit ihrem Kaufverhalten einen gewissen CO2-Fußabdruck nicht überschreiten. Nicht strafen, nicht beschränken – nein, einfach nur belohnen, zum Beispiel über den Preis. Der Effekt wäre bestimmt bald spürbar. So könnten sich nachhaltige Produkte vor anderen leichter durchsetzen.
Wie viel Treibstoff und Abgas ließe sich einsparen, wenn man Kunden auf diese Weise ermutigen könnte, das Produkt des nächstliegenden Herstellers zu beziehen? Und nutzlose Handelsketten abbauen.
Wenn die Transportwege (neben Verfügbarkeit und Produktqualität) ein Kriterium für die Preisgestaltung wären, würden dann noch so viele Firmen in fernen Billiglohnländern produzieren? Käme dann immer noch so vieles aus China? Gäbe es dann immer noch Lieferketten, die niemand durchschaut, so dass ein Versorgungsweg spontan wegbrechen kann, wenn ein Land die Ausfuhr einer Komponente einschränkt, Beispiel: Masken oder Impfstoffzutaten während der Pandemie?
Zugegeben, ich verstehe nicht viel von den Mechanismen der Marktwirtschaft. Nur eines ist mir klar: Nachhaltigkeit muss man nicht nur predigen, sondern auch wollen. Dann finden sich schon irgendwie die Wege. Bis dahin leben wir in Lüge.