Zugebissen: Die Nicht-Auszeichnung


Sie haben ihn nicht bekommen. Den Preis. Die 11 Millionen schwedischen Kronen. Den Preis, der so viel bedeutet, dass man ihn sogar dann will, wenn man nicht weiß, ob man ihn verdient. Der Nobelpreis. Cărtărescu? Trump? Vereint als Verlierer? Sie bleiben draußen. Ohne Einladung. Kommen am Türvorsteher nicht vorbei. Der geborgte Frack musste ungetragen zurück ins Leihhaus. Ohne Applaus. Und drinnen? Noch immer Herta Müller. Ihr zynischer Blickt sagt: „Ich war schon hier. Ich stand auf der Bühne. Mir schüttelte der König die Hand.“

Cărtărescu, der Bukarester der mit Worten, Bildern und Welten jongliert. Der Mann, der Worte zu psychedelischen Achterbahnen werden lässt, in denen man gleichzeitig kotzt und weint. Er der das Universum in den Gassen von Obor wiederfindet und in verbales flüssiges LSD verwandelt. Und was sagt das Komitee? Nichts. Vielleicht, weil man in Stockholm lieber Autoren ehrt, die weniger tanzen, aber mehr frieren. Herta Müller hat es vorgemacht: Wer mit Nadeln schreibt, bekommt Medaillen. Wer mit Worten malt, bekommt Rezensionen.

Cărtărescu ist der Mann, der das Ich in ein Wir verwandeln will, der die rumänische Seele in ein Kaleidoskop aus Erinnerungen und Halluzinationen gießt. Aber das Komitee? Es mag Klarheit. Es mag Botschaften. Es mag Autoren, die sich wie Mahnmale lesen. Cărtărescu ist ein Feuerwerk – das Komitee bevorzugt Grablichter.

Und dann Trump. Der Mann, der sich selbst für den Dalai Lama des Kapitalismus hält. Der Mann, der glaubt, Frieden sei ein Tweet mit drei Ausrufezeichen. Er hat Nordkorea umarmt, Putin geküsst, Gaza in einen Immobilientraum verwandelt und sich selbst für den Messias erklärt – und trotzdem kein Preis. Vielleicht, weil das Komitee keine Preise für Reality-TV-Politik vergibt. Vielleicht, weil man in Oslo lieber Menschen ehrt, die nicht mit Atomknöpfen flirten. Aus Stockholm kam nur eine Einladung zum Schweigen.
Trump wollte den Friedensnobelpreis wie andere Leute ein Golfturnier. Er hat ihn sich quasi selbst verliehen, verbal, in Interviews, auf Wahlplakaten. Und das Komitee? Hat höflich gelächelt, ihn ignoriert und weitergeblättert. Vielleicht, weil Frieden nicht aus Deals besteht und keine Dollarzeichen trägt. Vielleicht, weil man in Oslo keine Preise für Selbstgespräche vergibt.

Was bleibt, ist die Tragikomödie des Nicht-Gekröntwerdens. Cărtărescu, der Dichter, bleibt der verkannte König der inneren Monologe. Trump, der Präsident, bleibt der Hofnarr, der an jedem Morgen die Welt anders sieht und sie verändern will. Der eine schreibt Bücher, die man fühlt, aber schwer versteht. Der andere schreibt Tweets, die man versteht, aber nicht glauben will. Und beide wurden ignoriert. Vom Komitee. Von der Welt. Vom Nobel. Und Herta Müller? Sie sitzt weiter irgendwo in Berlin, trinkt Tee, und lächelt zynisch.
Die wahrhaftige Ironie des Lebens: Genie und Größenwahn treffen sich in der Ablehnung. Stockholm sagt: „Nein danke.“ Die Welt hält kurz inne und denkt: „Moment mal – vielleicht ist das gar nicht so schlecht.“ Denn stellen wir uns vor: Trump mit dem Friedensnobelpreis. Cărtărescu mit dem Literaturpreis. Und das Komitee? Hat nie wirklich mit Dynamit um sich geworfen. Denn während Cărtărescu in Bukarest weiter an Sätzen feilt und Trump in Mar-a-Lago Golfbälle schlägt, sitzen die Mitglieder des Nobelkomitees in einem skandinavischen IKEA-Holzhaus, nippen in der Sauna an einem fair gehandelten Espresso und denken: „Wir hätten es schlimmer treffen können.“ 

Denn was wäre, wenn Cărtărescu den Preis bekommen hätte und daraufhin ein 900-seitiges Dankesgedicht in sieben Dimensionen vorgetragen hätte? Oder Trump – der die Preisverleihung live auf Truth Social mit den Worten „I deserve this more than Jesus“ postet? Vielleicht ist das eine Form höherer literarischer Diplomatie. Eine Auszeichnung durch Nichtauszeichnung.