„Heirupism“ ist ein rumänischer Alltagsbegriff, der fast unmöglich in andere Sprachen zu übertragen ist. Er beschreibt eine Handelsweise, die in einer Situation entsteht, in der man nicht die richtigen Schritte zur richtigen Zeit unternommen hat und im Zugzwang steht. Dabei greift man zur erstbesten Lösung und setzt diese mit einem „Hauruck“ um. „Heirupism“ ist auch nicht mit einer Notlösung zu verwechseln, da der deutsche Begriff eine gewisse Ausweglosigkeit – eben eine Not – beinhaltet. Hingegen hat der rumänische Begriff etwas mit überstürztem Agieren und einer gewissen vorangehenden Faulheit zu tun.
Der bittere Geschmack von „heirupism“ prägte für mich die letzte Woche. Es bleiben Fragen offen, für die leider keine Antwort als „heirupism“ auf der Hand liegt.
Die Sicherheitsdienste:
Am 28. November d. J. legten SRI (Rumänischer Inlandsgeheimdienst) und SIE (Rumänischer Auslandsnachrichtendienst) dem Obersten Verteidigungsrat (CSAT) ihre Berichte zum ersten Urnengang zur Wahl des Präsidenten vor. Eine ausländische Macht und eine Online-Plattformen hätten diese, laut besagten Berichten, negativ beeinflusst. Frage: hatten die beiden Dienste erst während dem Wahldurchgang von diesem Eingriff erfahren? Dann sind sie, durch ihre unprofessionelle Handlungsweise, selber eine Bedrohung für den Staat, den sie schützen sollten. Wussten sie vorher davon und haben es nicht gemeldet? Dann haben sie politisch agiert. In beiden Fällen müssten Köpfe rollen.
Das Verfassungsgericht:
Seine Befugnisse überschreitend verbot es einer Kandidatin, sich zur Wahl zu stellen. Dafür ignorierte es einen anderen Anwärter auf das Präsidialamt, der, entsprechend dem Ausschlussbeschluss für besagte Kandidatin, ebenso hätte ausgeschlossen werden müssen. So einfach hätte man einen demokratischen Wahlprozess sichern können. Dann lässt besagtes Gericht die Stimmen des Wahldurchgangs neu zählen. Von den dafür vorgegebenen Terminen abgesehen, stellt es die Zählung ein, da ersichtlich wird, dass keine Änderungen im Endergebnis zu erwarten sind, und erklärt die Wahlen für gültig. Im Augenblick wo die Berichte der mit Kürzeln bezeichneten Dienste vorliegen, agiert es von Amtswegen und erklärt die Wahl für nichtig. „Heirupistisch“ hat man mit einem Zug die Volkswahl auf die Seite geschoben. Welche Folgen dieses kurzfristig bei der Neuauflage der Wahlen und langfristig innerhalb der demokratischen Prozesse in Rumänien haben wird, wird sich noch zeigen. Eine Frage bleibt offen: sollten wir auch mit einer Annullierung der Parlamentswahlen rechnen? Der vorliegenden Logik des Gerichts müsste dieses ein folgerichtiger Schritt sein.
Stichwort Staatsanwaltschaft:
Wie so oft passt es auch hier: Rumänien hat keine schlechte Gesetzgebung, es fehlt aber an Leuten, die deren Einhaltung vorantreiben. Hätte die Staatsanwaltschaft entsprechend der Gesetzgebung, welche nationalsozialistische und kommunistische Propaganda verbietet, rechtzeitig eingegriffen, hätte die rumänische Wahlbehörde die Grundlagen gehabt, gesetzesmissachtende Kandidaten zur Wahl nicht zuzulassen. Handfeste Gründe dafür gab es mehr als genug. Es wäre uns so manches erspart geblieben. Die „heirupistischen“ Festnahmen am Samstag sind auch nur eine Image-Maßnahme.
Welches politische Kalkül hinter dem Verhalten der Regierung und des Präsidialamtes liegen, ist nicht wirklich ersichtlich.
Fazit:
Alle, die hätten handeln können, haben mit den Händen im Schoß auf das Wahlergebnis gewartet. Als die Notwendigkeit zu handeln nicht mehr zu vermeiden war, haben sie „heirupistisch“ das Kind, die rumänische Demokratie, mit dem Badewasser ausgeschüttet. Zurück bleibt eine gespaltene Gesellschaft, mit radikalisierten Positionen auf beiden Seiten. Wurde etwas erreicht? Eigentlich nicht. Man hat nur alles bis zur nächsten „heirupism“-Lösung verschoben.