Zugebissen: Justitia und die Augenbinde


Justitia trägt eine Augenbinde. Ein Sinnbild für die Unparteilichkeit der Gerechtigkeit. Justitias rumänische Diener zeigen, wie lax dieses Sinnbild gedeutet werden kann. Die Art, wie diese symbolische Binde beschaffen ist, hängt anscheinend vom Einkommen der Richter ab. Bleibt ihre Vergütung in erwünschter Höhe, behält die Augenbinde ihre Eigenschaften. Sinkt das Einkommen, wird sie immer durchlässiger. Es kann sogar geschehen, dass sie bei Bedarf ganz abgelegt wird. Wenn der Groschen in die Taschen springt, bleibt auch die Justitia blind – könnte man das Gebaren der Richter deuten.

Ein Richter muss und soll soweit sorgenfrei leben können, dass er mit freiem Gewissen über die Schicksale seiner Mitmenschen urteilen kann. Doch bis zu der Aussage der Leiterin des Obersten Magisterrates, Elena Costache, dass eine Durchschnittsrente von 11.000 Lei niedrig sei und die Unabhängigkeit der Richter vom Geld abhänge, ist doch ein weiter Weg.

Nun erklärte Präsident Nicu{or Dan, dass die Richter in Rumänien mehr als alle in der Europäischen Union tätigen Richter arbeiten würden. Daher würde ihnen auch eine besondere Art der Vergütung zustehen. Ob diese Aussage tatsächlich stimmt, habe ich nicht überprüft, doch sollte man dann nicht auch die Frage nach der Effizienz dieser angeblichen Herkules-Leistung stellen? Gerichtsverfahren, die sich über mehr als zehn Jahre hinziehen, ohne dass ein endgültiges Urteil in Sicht ist, sind jedem Rumänen aus seinem näheren Umfeld bekannt. Dabei handelt es sich oft nur um einen banalen Nachbarschafts- oder Erbstreit. Vielleicht könnte man ein Auge zudrücken, wenn es auf der Ebene der großen Korruptionsverbrechen anders aussehen würde. Aber wie oft mussten wir in den letzten Jahren hören, dass Angeklagte freigesprochen wurden, weil das Gerichtsverfahren so lange gedauert hat, dass die ihnen vorgeworfenen Taten inzwischen verjährt waren? Doch anscheinend darf man die Effizienzmesslatte für Richter nicht anwenden. Warum? Weil das Volk zu dumm ist, um überhaupt zu verstehen, was die Arbeit eines Richters bedeutet? Wie so oft in Rumänien steht vor uns eine Sonderklasse, die nicht vom Volk beauftragt im Dienste des Volkes zu stehen hat, sondern auf Wolke sieben von eben diesem Volk getragen werden muss. Sollte dies nicht passieren, dann würden sie selber dafür sorgen, dass sie auf dieser Wolke landen. Der eine oder andere Blick von hinter der Augenbinde wird schon dazu verhelfen.     

Man kann verstehen, dass Richter gerne sehen würden, dass man über sie nicht mehr in den dunkelsten Tönen schreibt und ihnen in der Öffentlichkeit mit mehr Anerkennung und Respekt begegnet. Aber Respekt bleibt weiterhin eine Straße mit zwei Fahrtrichtungen. 

Wie wichtig eine unabhängige Justiz ist, hat man gesehen, als diese seitens der Mächtigen des Tages unter direkten Beschuss geraten war und von der Bevölkerung auf der Straße verteidigt wurde.  So mancher dürfte sich noch erinnern, dass sich damals bei Weitem nicht alle Richter diesem Kampf angeschlossen und gestreikt haben. Nun aber streiken sie, denn es geht ums Eingemachte. Und man muss sagen: Die Opferrolle, in die sie sich hineinsteigern, erscheint mehr als unglaubwürdig. 

Genauso unglaubwürdig wie das Verfassungsgericht, welches bis dato jeden Versuch einer Neunormierung im Bereich der Arbeitsjahre und der den Richtern zustehenden Renten blockiert hat. Eine Blockade, mit der man auch jetzt rechnet. 

Die von Präsident Dan vorgeschlagene Dauer von 15 Jahren für die schrittweise Umsetzung der von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen haben für nicht mehr als ein kopfschüttelndes Schmunzeln gesorgt. Wer die rumänische Politik ein wenig kennt, weiß, dass 15 Jahre einer halben Ewigkeit entsprechen. Genau so gut hätte man sagen können „la pa{tele cailor“ (dann wann die Pferde Ostern feiern)... Also nie.