Zugebissen: Prigoschin und die transkontinentalen Bucegi-Tunnel

Man nehme einen Nachrichtensender mit dem ominösen Namen Na{ul TV (Der Pate TV), dessen Einschaltquoten tiefer als der Marianengraben liegen. Dazu füge man als Gast den Influencer Sacha Stone hinzu, bekannt für seine konspirationstheoretischen Ansichten (von Wikipedia erfahren wir, dass er ein 5G-Bio-Schutzschild und ein Strahlungsschutzgerät vermarktet, sowie das Internationale Gericht für natürliche Rechtsprechung gegründet hat) und man erhält einen Salat in Form einer Sendung mit dem Titel: „Să vorbim despre tine“ (Lass uns von dir sprechen), welche vom besagten Sender am 5. Mai 2023 ausgestrahlt wurde. Im Rahmen der Sendung zeigte der hinter die Kulissen der von „den verborgenen Herschern“ regierten Welt blickende Brite Aufnahmen von unterirdischen Tunneln, die unterhalb des Bucegi-Gebirges verlaufen und mehrere Kontinente verbinden sollen. 
Nichts Neues unter der Sonne. Jeder, der mal ein Buch wie „Dacopatia și alte rătăciri românești“ (Die Dakopathie und andere rumänische Irrungen) von Dan Alexe zur Hand genommen hat, weiß, wie man mit derartigen Theorien umzugehen hat. 

Aber Rumänien wäre nicht Rumänien, wenn es erstens nicht anders kommt und zweitens als man denkt. In Rumänien gibt es nämlich den Nationalen Rat für Audiovisuelles (CNA), dessen Aufgabe die Nachverfolgung der im TV und Radio ausgestrahlten Sendungen ist, um Ausschreitungen zu ahnden und derer Richtigstellung zu bewirken. 

Nun hat sich der CNA der erwähnten Sendung angenommen und hat sich gedacht, man könnte den Journalisten des Nachrichtensenders eine Lektion in Berufsethik erteilen. In einem Facebook-Posting gab der Rat Folgendes bekannt: „In der Sitzung vom Mittwoch, 23. August, sah sich der CNA die Sendung „Să vorbim despre tine“ an. (…) Außerdem wurden Bilder von großen Strukturen (250 Meter hoch), nämlich mehreren Statuen und einer Pyramide, in diesen Tunnels gezeigt. Die Moderatorin der Sendung, Gabriela Cali]escu, konnte diese Informationen nicht unabhängig belegen, unter anderem, weil der Zugang zu den Bucegi-Tunnels verboten ist. Der Rat beschloss einstimmig, die Auswertung der Sendung um zwei Wochen zu verschieben, um einem Journalistenteam von Nașul TV die Möglichkeit zu geben, sich vor Ort von der Existenz der Tunnel und den darin befindlichen Bauten zu überzeugen. In seiner Rolle als Verfechter der Meinungsfreiheit und des freien Zugangs zu Informationen von öffentlichem Interesse appelliert der CNA an alle zuständigen Behörden, Journalisten nicht am Zugang zu den geheimen Tunneln im Bucegi-Gebirge zu hindern.“

Was man bei einem ersten Lesen als ungewöhnlich feine Ironie einer staatlichen Behörde einstufen könnte, ging meiner Meinung nach doch nach hinten los, denn die Mitteilung des Rates wurde von allen wichtigen rumänischen On- und Offline-Medien übernommen und sicherte dadurch einer Sendung, die es sonst nie aus dem dunklen Untergrund ans Licht geschafft hätte, eine noch nie da gewesene Medienpräsenz. 

Vielleicht sollte sich der besagte Rat eher die Frage stellen, wieso er an einen Sender wie Nașul TV eine sogenannte Must-Carry-Lizenz erteilt hat. Diese zwingt nämlich jeden rumänischen Kabelanbieter, den Sender im Angebot zu führen und ihm Prozente von den an die Endkunden verkauften Abonnements abzuführen. Eine Frage die man sich in Rumänien als Kunde sowieso bei mehr als 90 Prozent der sich im Angebot befindenden Nachrichtensender stellen sollte. 

Und während sich nun die rumänischen Journalisten auf den Weg machten, um der Öffentlichkeit die transkontinentalen Tunnels zu zeigen, die wahrscheinlich das Fliegen überflüssig machen werden, starb Wagner-Chef Prigoschin in einem Flugzeugunfall. Hätte er nur die rumänischen Tunnel gekannt...