Mittlerweile gibt es weltweite Einstimmigkeit: die Covid-19 Pandemie wird erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen in allen Staaten haben. In der Eurozone berichten viele Staaten über Rückgänge des Bruttoinlandsprodukts für das 2. Quartal 2020: Spanien um 18,5 Prozent, Frankreich um 13,8 Prozent, Italien um 12,4 Prozent und Deutschland um 10,1 Prozent1. Dies lässt, natürlich auch in Rumänien, einen Anstieg der Insolvenzen erwarten.
Die rumänische Regierung hatte bereits 2018 einige Maßnahmen zur Änderung des Insolvenzgesetzes vorgeschlagen; das Parlament hat nun das Gesetz Nr. 113/2020 (das „Gesetz“) zur Änderung des Insolvenzgesetzes erlassen. Die wichtigsten Änderungen und deren Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren werden nachstehend vorgestellt.
Erhöhung des Schwellenwerts für die Eröffnung des Verfahrens
Damit ein Insolvenzverfahren in Rumänien eröffnet werden kann, muss nachgewiesen werden, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, eine bestimmte seit 60 Tagen fällige Summe zu bezahlen. Diese Schwelle wurde von 40.000 auf 50.000 Lei (ca. 10.300 Lei) erhöht.
Diese Änderung wird keinen erheblichen Rückgang der Insolvenzverfahren bewirken, da in der Praxis die meisten Insolvenzanträge wegen erheblich höherer Verbindlichkeiten gestellt werden.
Zusätzlich darf die Gesellschaft eine drohende Insolvenz anmelden. Die Verbindlichkeiten dürfen auch unter 50.000 Lei liegen, wenn bewiesen wird, dass keine Einnahmen, die die Erfüllung zukünftiger Verbindlichkeiten erlauben, zu erwarten sind.
Steuerliche Verbindlichkeiten müssen nicht mehr unter 50 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten liegen
Bisher durfte eine Gesellschaft nur dann ihre eigene Insolvenz anmelden, wenn ihre steuerlichen Schulden unter 50 Prozent all ihrer Verbindlichkeiten lagen. Zu den Änderungen durch das Gesetz gehört u. a. die Abschaffung dieser Regelung, sodass eine Gesellschaft Verbindlichkeiten aller Art in Höhe von mehr als 50.000 Lei, die länger als 60 Tage fällig sind, nachweisen muss.
Diese Beschränkung war als Maßnahme zur Eintreibung steuerlicher Forderungen eingeführt worden. Man bezweckte, Gesellschaften, die keine Insolvenz beantragen dürfen, zur Bezahlung ausstehender Steuern zu motivieren, bzw. dem Staat Vollstreckungsmaßnahmen zu eröffnen, ohne dem Schuldner die Rettung in die Insolvenz zu ermöglichen. Die Maßnahme hat sich jedoch in vielen Fällen als unwirksam erwiesen. Schuldner, denen die Insolvenz versperrt war, hatten meist keine Möglichkeit, die steuerlichen Verbindlichkeiten zu begleichen und blieben längere Zeit zahlungsunfähig. Vollstreckungsmaßnahmen brachten oftmals auch nicht das gewünschte Ergebnis.
Das Gesetz erleichtert den Zugang zum Insolvenzverfahren wieder, was unseres Erachtens positiv ist: Schuldnern wird es jetzt leichter fallen, ein Sanierungsverfahren durchzuführen, um ihre wirtschaftliche Lage wieder zu verbessern.
Vollstreckung laufender Forderungen während des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen
Bis zu den Änderungen durch das Gesetz durften Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen die insolvente Gesellschaft einleiten, wenn ihre Forderungen nach der Insolvenzeröffnung, jedoch vor der Eröffnung eines Konkursverfahrens (d. h. während der Beobachtungsperiode oder Sanierung) entstanden und länger als 60 Tage fällig waren. Diese Möglichkeit wurde abgeschafft, sodass Gläubiger, die während des Insolvenzverfahrens Forderungen erwerben, jetzt nur noch einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft stellen können.
Man könnte behaupten, insolvente Gesellschaften würden mangels drohender Zwangsvollstreckungen zu einer lockereren Art und Weise der Sanierung verleitet. Allerdings können Gläubiger in solchen Fällen den Übergang ins Konkursverfahren beantragen, was keine Rückkehr zum Sanierungsverfahren erlaubt. Darüber hinaus können im Konkursverfahren einige Forderungen, die durch den Sanierungsplan entfernt wurden, wiederaufleben. Somit ist der Druck auf die Gesellschaft, wieder wirtschaftlich zu werden, mindestens unverändert.
Die Abschaffung der Möglichkeit zur Vollstreckung schätzen wir allgemein als positive Maßnahme ein; sie fördert die Grundprinzipien des Insolvenzverfahrens, insbesondere des Prinzips der Gleichbehandlung aller Gläubiger.
Weitere Änderungen
Andere Änderungen wurden hinsichtlich der Optimierung des Verfahrens eingeführt, u. a. die Erleichterung der Bestellung von Insolvenzverwaltern und Gutachtern, die Verlängerung von Fristen für die Analyse von Anträgen durch die Gläubiger etc. Diese Änderungen weisen zwar keine direkte Verbindung zur aktuellen Wirtschaftslage auf, sind jedoch allgemein für die Durchführung der Insolvenzverfahren von Vorteil.
1 Gemäß https://ec.europa.eu/eurostat/cache/infographs/economy/desktop/index.html ; eingesehen am 4. August 2020.
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