Der Ausnahmezustand, der am 16. März 2020 angeordnet und bis zum 15. Mai verlängert wurde, hat das Justizsystem unvermeidlich betroffen. Die weitreichenden Auswirkungen berühren sowohl die anhängigen als auch die jetzt einzuleitenden Verfahren. Da sich das Ende des Ausnahmezustandes nähert, ist es Zeit, die Art und Weise, wie sich die rumänische Ziviljustiz an die Notmaßnahmen angepasst hat, zu analysieren und gleichzeitig einen Blick in die Zukunft zu richten.
Was wurde „eingefroren“?
Durch die beiden Ausnahmezustandsdekrete (Nr. 195 und Nr. 240) wurden Verjährungsfristen (prescripție extinctivă) und Ausschlussfristen (termene de decădere) „eingefroren“. Bereits begonnene Fristen wurden während des Ausnahmezustandes suspendiert; sie laufen nach dessen Beendigung weiter. Für Tatbestände, die während des Ausnahmezustands eintraten, beginnen solche Fristen nach dem Ausnahmezustand.
Die Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln in Fällen, die nicht „besonders dringend“ waren und bei Verhängung des Ausnahmezustandes in Bearbeitung waren, wurden unterbrochen, d. h. sie beginnen anschließend neu.
Verhandlungen in nicht „besonders dringenden“ Zivilverfahren wurden während des Ausnahmezustandes von Rechts wegen suspendiert.
Suspendierte Verfahren werden nach dem Ausnahmezustand automatisch wieder aufgenommen; die Gerichte haben innerhalb von 10 Tagen danach Verhandlungstermine anzuberaumen und die Parteien entsprechend zu laden.
Was funktionierte noch?
Die Tätigkeit der Gerichte beschränkte sich auf nicht öffentliche Vorgänge wie z. B. die Ausfertigung und Zustellung von Urteilen, die Registrierung neu eingereichter Anträge, und generell Operationen, die im Einklang mit den Gesundheitsbestimmungen bearbeitet werden konnten.
Bemerkenswert war, dass der elektronischen Zustellung aller Verfahrensunterlagen Vorrang gewährt wurde; eine Maßnahme, die die rumänischen Gerichte in das 21. Jahrhundert gezwungen hat.
Tatsächliche Verhandlungen fanden nur in „besonders dringenden“ Rechtssachen (deren Liste auf der Website jedes einzelnen Gerichts veröffentlicht wurde) statt. In der Praxis geschah dies allerdings uneinheitlich: Es gab Fälle, in denen Gerichte kurz vor dem Verhandlungstermin telefonisch mitteilten, dass Verhandlungen stattfanden. Andererseits wurden bestimmte Sachen, z. B. Insolvenzen, nicht von allen Gerichten als dringend betrachtet.
Einige Termine konnten sogar per Video-konferenz gehalten werden (und eine besondere Vereinbarung diesbezüglich konnte den Gerichten mitgeteilt werden).
Die Quarantäne, Isolation oder Behandlung einer der Parteien wegen der COVID-19-Pandemie stellt einen Vertagungsgrund dar. Weist das Gericht einen solchen Antrag wegen hoher Dringlichkeit des Falls ab, muss es die Entscheidung verschieben und es den Parteien ermöglichen, Schriftsätze einzureichen.
Ein Blick in die Zukunft
Der Ausnahmezustand hat bewiesen, dass viele Dienstleistungen der rumänischen Gerichte online funktionieren. Hoffentlich wird diese Erkenntnis die Pandemie überleben. Auch Anwälte können so die bisherigen stundenlangen Wartezeiten, z. B. beim Archiv auf Kopien aus den Akten, vermeiden. Dies wirkt sich nicht nur auf ihren Gesundheitsschutz, sondern auch auf ihre Zeit und die Kosten der Mandanten positiv aus!
Anhängige und nicht „besonders dringende“ Streitigkeiten werden automatisch wieder aufgenommen, und die Parteien werden elektronisch geladen. Inboxen und vor allem Spam-Ordner sind aufmerksam zu prüfen, um nach dem 15. Mai keine Termine zu verpassen.
Natürlich wird die Situation einen gewissen Stau verursachen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits die Absicht geäußert, die Gerichtsferien im Sommer zu reduzieren und im Juli 2020 weiter zu arbeiten. Weitere Gerichte sollen ähnliche Maßnahmen ergreifen; eine einheitliche Information ist noch nicht erhältlich.
Wir erwarten darüber hinaus eine Welle neuer Verfahren insbesondere in folgenden Bereichen:
- Insolvenz (viele Unternehmen werden sich von der Wirtschaftskrise nicht erholen können);
- Arbeitsstreitigkeit (die zu erwartenden Kündigungen dürften Unzufriedenheit auslösen und zu Streitigkeiten führen);
- Steuer- und Verwaltungsstreitigkeiten (z. B. unterliegen Subventionen, die zurzeit gewährt werden, einer nachträglichen Prüfung. Etwaige Rückforderungen dürften zu Anfechtungen führen);
- Streitigkeiten zwischen Banken und Verbrauchern (infolge der Massenanträge auf Stundungen von Darlehen);
- Zwangsvollstreckungen (sowohl in verwaltungsrechtlichen als auch steuerrechtlichen Sachen) und die damit verbundenen Anfechtungen – infolge der Wiederaufnahme der zurzeit suspendierten Zwangsvollstreckungsverfahren;
- Streitigkeiten aus Verträgen im B2B- und B2C-Bereich wegen Zahlungsunfähigkeit, z. B. Miet- oder Lieferverträge.
Es bleibt spannend.
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