Es ist geschehen: die Regierung überträgt zum 1. Januar 2018 die Sozialabgaben vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer. In der Privatwirtschaft bewirkt dies unmittelbar eine erhebliche Senkung des Nettoeinkommens sämtlicher rumänischen Arbeitnehmer. Alle rumänischen Arbeitgeber müssen daher schnellstmöglich erwägen, inwieweit sie dies durch Gehaltserhöhungen abfangen. Arbeitsrechtlich ist dies allerdings mit auf den ersten Blick unsichtbaren Problemen verbunden. Wie geht man daher möglichst rechtssicher vor?
Hintergrund
Trotz heftiger Proteste seitens Wirtschaft und Gewerkschaften hat die Regierung die o. g. Maßnahmen am 10. November durch eine Dringlichkeitsverordnung1 (nachfolgend „DVO“) geregelt. Die Änderungen umfassen – wie berichtet – u. a. die nahezu vollständige Verlagerung der Sozialabgaben den Arbeitnehmer. „Gegenfinanziert“ wird dies teilweise durch Reduzierung der Lohnsteuer von 16 auf 10 Prozent.
Erhöhte Pflichtabgaben des Arbeitnehmers senken naturgemäß dessen Netto-Gehalt. Um das Nettoniveau beizubehalten, müsste auch eine Erhöhung des Brutto-Gehalts erfolgen: diese ist zwar für Staatsangestellte zwingend, für den privaten Sektor jedoch nicht. Es ist zu erwarten, dass die Wirtschaft die Erhöhungen durchführen wird.
Herausforderungen
Eine Erhöhung des Brutto-Gehalts, die die Beibehaltung des Nettoverdienstes sichert, ist grundsätzlich ohne erhebliche zusätzliche Kosten des Arbeitgebers möglich. Allerdings sind hiermit einige Probleme verbunden. Diese wurzeln einerseits in den Auswirkungen der Änderungen und andererseits in der Art und Weise, in der diese geregelt wurden. Im Einzelnen:
- Der Erhöhungsbetrag ist für jeden Mitarbeiter gesondert zu berechnen.
Der genaue Prozentsatz, um den das Bruttogehalt anzuheben ist, um das Nettoniveau beizubehalten, bestimmt sich je nach Höhe des Gehalts und der persönlichen Umstände, sodass für jeden Arbeitnehmer eine gesonderte Rechnung zu erstellen ist.
- In manchen Bereichen ist die Erhöhung nicht kostenneutral möglich.
Dies betrifft lohnsteuerbefreite Tätigkeiten, da in diesen Fällen die Belastung durch erhöhte Sozialabgaben mangels Lohnsteuerpflicht nicht ausgeglichen werden kann. Hier kann der Effekt nur durch eine weitere Erhöhung des Bruttogehalts ausgeglichen werden. Dies führt jedoch insgesamt zu einer Erhöhung der Gesamtkosten um ca. 7 Prozent beim Arbeitgeber. Betroffen sind Gehaltseinkünfte:
•aus IT-Programmierung
•aus Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten
•behinderter Arbeitnehmer in bestimmten Fällen
•bestimmter Tätigkeiten von Saisonarbeitern.
Die Regierung hat laut Presse Maßnahmen hiergegen in Aussicht gestellt.
- Die Erhöhung ist vor dem 1. Januar 2018 herbeizuführen.
Infolge der letzten Änderung des Arbeitsgesetzes vom August 2017 (wir berichteten) sind Zusatzurkunden zu Arbeitsverträgen neuerdings vor dem Eintritt der Änderung abzuschließen.
- Alle Änderungen müssen im Arbeitnehmerregister eingetragen werden.
Alle Änderungen der Vergütung müssen im sog. „Revisal“ eingetragen werden – spätestens am Tag vor deren Inkrafttreten; d. h. bis zum 29. Dezember 2017.
- Das „versteckte“ Problem: die Absicherung des Arbeitgebers für den Fall, dass die Maßnahmen später modifiziert oder zurückgenommen werden.
Die Verlagerung der Sozialabgaben bzw. Lohnsteuersenkung erfolgten durch Dringlichkeitsverordnungder Regierung. Diese muss nach Inkrafttreten durch ein Gesetz entweder bestätigt – oder abgeändert bzw. gar völlig zurückgewiesen werden. Es ist demnach ohne Weiteres denkbar, dass die DVO in nur wenigen Monaten geändert oder wieder rückgängig gemacht wird. Sollte dies wieder zu einer Erhöhung des Nettogehalts führen (das wahrscheinlichere Szenario als dasjenige einer Reduzierung), wäre jeder Arbeitgeber, der die Gehaltserhöhung mit seinen Mitarbeitern durch einfache Zusatzurkunde „nach dem Standardmuster“ vertraglich vereinbart hat, auf deren Zustimmung zur erneuten Reduzierung angewiesen. Würde diese verweigert, könnte der Arbeitgeber in diesem Fall keine einseitigen Gehaltskürzungen durchsetzen.
Es bedarf hier einer Lösung, die für beide Seiten des Arbeitsverhältnisses fair ist. Diese ist im Einzelfall zu ermitteln.
Fahrplan für Arbeitgeber
Arbeitgeber müssen sich nun sehr schnell vorbereiten. Die noch 2017 erforderlichen Maßnahmen sind:
• Berechnung des konkreten Bedarfs für die Erhöhung in jedem Einzelfall
• Ermittlung, ob die Erhöhung kostenneutral sein oder unabhängig davon die Nettovergütung absichern soll
• Grundsatzentscheidung, ob und wann Gehaltserhöhungen durchgeführt werden
• Entscheidung über die Gestaltung (kollektive oder individuelle Vereinbarung; Art und Weise der Erhöhung etc.) im Hinblick auf die mögliche spätere Rückgängigmachung
• Erstellung der Unterlagen
• Abschluss und Revisal-Eintragung.
Fazit
Die Problematik der Sozialabgaben verursacht in den kommenden sechs Wochen nicht nur viel administrative Arbeit, sie ist auch mit erheblichen rechtlichen Problemen verbunden, die einer raschen Klärung und Entscheidung bedürfen.
1 Dringlichkeitsverordnung (Ordonanță de Urgență) Nr. 79/10.11.2017
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