Erhöhter Verbraucherschutz bei Kaufverträgen

Am 28. Dezember 2021 sorgte Rumänien für eine Überraschung bei der Umsetzung zweier EU-Richtlinien, die ab Januar 2022 einheitliche Kaufbedingungen in allen Mitgliedstaaten schaffen sollten. Unternehmen müssen sich schnellstens damit befassen, um ihre Gewährleistungsbedingungen und AGB an die neuen Regelungen anzupassen.

Hintergrund

Da Kaufgeschäfte immer mehr digitale Elemente enthalten und Verbraucher überall in der EU ähnlich geschützt werden müssen, entstand die sog. „Warenkaufrichtlinie“1, die den Verbraucherschutz der EU-Mitgliedstaaten beim Verkauf „klassischer“ Ware (selbst wenn mit digitalen Mindestelementen, wie z.B. Smart-TV und Mobiltelefone) angleichen soll. Gesondert regelt die „Digitale-Inhalte-Richtlinie“2 das Kaufgeschäft bei digitalen Produkten (wie Apps, Spiele, E-books u.a.). 

Obwohl Rumänien im August 2020 Gesetzesentwürfe hatte, konnte es die Umsetzungsfrist (30. Juni 2021) nicht einhalten, sodass am 30. Dezember 2021 Dringlichkeitsverordnungen notwendig waren. Die zwei rumänischen Regelungen (DVO Nr. 140 bzw. 141/2021) sind nicht abgestimmt, weichen von ursprünglichen Gesetzesentwürfen ab und sind stellenweise unverständlich. Die beiden Rechtsakte treten am 1. Januar 2022 bzw. am 9. Januar 2022 in Kraft. 

Vertragsmäßigkeit bedeutet u.a. Funktionalität und Interoperabilität

Sicherlich ist jedem bekannt, dass der Verkäufer/ Unternehmer gegenüber Verbrauchern für die Vertragsmäßigkeit der verkauften Ware haftet. Dabei gelten als „Ware“ auch diejenigen Produkte, die digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten oder damit verbunden sind und ohne welche die Waren ihre Funktionen nicht erfüllen.

Bei Waren mit digitalen Elementen gilt eine sog. Updateverpflichtung, wonach die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit auch nach Übergabe der Kaufsache gewährleistet werden muss. Etwaige Nutzungseinschränkungen, z.B. bei Verwendung unterschiedlicher Software, sind klar anzuzeigen, sodass der Verbraucher gleich erkennt, ob die Ware dem gewünschten Zweck entspricht. Daher empfiehlt es sich, dass Verkäufer ihre Informations- und Lieferpflichten bzgl. (Sicherheits-) Aktualisierungen bei Rechtsgeschäften ab dem 1. Januar 2022 klar definieren.

Gewährleistung

Die letzten 16 Monate wurde in Rumänien heftig debattiert, inwiefern die Gewährleistungsfristen beim Warenkauf verlängert werden sollen. Laut Entwurf haftete der Verkäufer für Neuware fünf Jahre lang, was unrealistisch war. Beruhigenderweise ist die Regierung in letzter Minute hiervon abgekommen, sodass die üblichen Gewährleistungsfristen im B2C-Geschäft, d.h. zwei Jahre für Neuware und mindestens ein Jahr für Gebrauchtware, bleiben.

Unklar ist dennoch der Hintergrund der rumänischen Abweichung im Falle von Waren mit digitalen Elementen, welche zusammen mit einer fortlaufenden Bereitstellung des digitalen Inhalts oder der digitalen Dienstleistung angeboten werden. Für den digitalen Teil gelten kürzere Gewährleistungsfristen als für die Ware selbst, was u.E. nicht im Sinne der Warenkaufrichtlinie liegt.

Mangelvermutung

Zugunsten der Verbraucher wurde die sechsmonatige Frist für die Vermutung, dass ein Mangel der Kaufsache bereits beim Kauf vorlag, verlängert; nun beträgt diese im Einklang mit der Warenkaufrichtlinie grundsätzlich ein Jahr. Dies bedeutet, dass die Beweislast nun ein Jahr nach der Lieferung dem Verkäufer obliegt: Er muss in diesem Zeitraum nachweisen, dass die fehlende Vertragsmäßigkeit nicht vorlag oder auf die Nutzung durch den Verbraucher zurückzuführen ist, um seine Haftung auszuschließen.

Abweichende Bestimmungen der „Digitale-Inhalte-Richtlinie“

Obwohl in Sachen Vertragsmäßigkeit ähnliche Regelungen auch für die Bereitstellung von digitalen Produkten gelten, betrifft die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren nur „klassische“ Ware. Für digitale Produkte und Dienstleistungen, die auf dem rumänischen Markt angeboten werden, blieb eine verlängerte Gewährleistung von fünf Jahren geregelt, wie ursprünglich für beide Produktkategorien vorgeschlagen. Es ist unklar, ob es sich um ein Versehen handelt, oder diese längere Frist absichtlich festgelegt wurde.

Fazit

Die Last-Minute-Umsetzung der EU-Richtlinien wirft für in Rumänien tätige Unternehmen praktische Fragen auf, da die Rechtsakte nicht voll abgestimmt sind. Es ist zu erwarten, dass die beiden Dringlichkeitsverordnungen anlässlich ihrer Genehmigung per Gesetz weitere Änderungen erfahren. Bis dahin sind eine Prüfung der vorhandenen AGB und Gewährleistungsbedingungen sowie eine vorsichtige Herangehensweise geboten. 

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1  Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG.
2  Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen.

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