Bukarest (ADZ) - Zu dem monatlichen Treffen der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (DRAHK) am Dienstag hatten die Veranstalter diesmal den deutschen Botschafter Andreas von Mettenheim ins Bukarester Novotel-Hotel geladen. Der Botschafter sprach über das deutsch-rumänischen Verhältnis vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Beziehungen und auch über den verschobenen Schengenbeitritt Rumäniens sowie die neue deutsche Energiepolitik.
Der Kammerpräsident Radu Merica begrüßte die Anwesenden mit einer Anekdote, demnach hätte man vor über zwanzig Jahren geglaubt, Rumänien wäre der Mittelpunkt der Erde – jetzt hätte man manchmal den Eindruck sowohl volkswirtschaftliche als auch politische Entscheidungen wären fremdbestimmt. Diese Eindrücke wären allerdings falsch, entstanden aus der Froschperspektive der Zeiten, aber trotzdem: „Rumänien ist nicht der Mittelpunkt der Erde”, so Merica.
Der deutsche Botschafter Andreas von Mettenheim betonte gleich am Anfang seines Vortrags den guten Willen der rumänischen Partner offene Fragen innerhalb der Europäischen Union anzugehen. Ausdrücklich betonte er die Gemeinsamkeiten im deutsch-rumänischen partnerschaftlichen Verhältnis. Rumänien sei der Europäischen Union, entgegen anderslautender Töne, nicht zu früh beigetreten.
Ziel der europäischen Politik sei es weiterhin Vertrauen in die europäische Wirtschaft und Währung zurückzugewinnen. Von einer Euro-Krise wollte er ausdrücklich nicht sprechen. Durch das gerade beschlossene ESM-Regelwerk für den Euro-Krisenmechanismus werden demnach Lücken in der europäischen Finanzarchitektur geschlossen.
Dieser Mechanismus schaffe wichtige Rechtsicherheit. Durch den beschlossenen „Euro-Plus-Pakt“ soll die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden, die europäischen Staats- und Regierungschefs wollten damit die Märkte stärken. Rumänien habe vor Kurzem auf nationaler Ebene ähnliches beschlossen.
Die rumänische Regierung sei gerade im politischen Stresstest, sie habe sich sehr viel vorgenommen und die Stimmen die Haushaltsdisziplin zu lockern seien sehr laut. Deshalb müsse der externe Reformdruck aufrecht erhalten bleiben. Mettenheim hege die Hoffnung dass die Finanzmärkte die bisherige rumänische konsequente Strategie bei der Haushaltskonsolidierung weiter angemessen honorieren.
„Ich habe das Gefühl, die Schengen-Frage wird überschätzt“
In Bezug auf die Debatte zum verschobenen Schengenbeitritt Rumäniens erklärte Mettenheim: „Ich habe das Gefühl, die Schengen-Frage wird überschätzt”. Der Unterschied für die rumänischen Bürger sei doch nur, ob sie beim Einstieg ins Flugzeug ihren Reisepass vorzeigen müssten oder nicht.
Demgegenüber ständen enorme Anstrengungen, die Schengen-Außengrenze abzusichern. Das seiner Meinung für den Bürger weitaus wichtigere Thema sei die Freizügigkeit für rumänische Arbeitnehmer. Ob Deutschland diese bis Ende 2013, letzte mögliche zeitliche Einschränkung, weiter einschränke sei noch nicht klar.
Er machte deutlich, dass Deutschland den Schengenbeitritt Rumäniens unterstütze, erklärte aber auch, dass dies durch alle 27 Mitglieder der EU einstimmig beschlossen werden muss. Die neuen Flüchtlingsströme aus Nordafrika blieben nicht ohne Folgen auf die Stimmung innerhalb der Schengen-Staaten, auch wenn die Migrationsproblematik eigentlich nichts damit zu tun hat.
Vielmehr sei der Bericht der EU-Kommission im Juni zum Fortschritt der Reform in Justiz und Polizei entscheidend. In Berlin sei man vorsichtig optimistisch.
Erneuerbare Energien: Enormes Investitionspotential nicht ausgenutzt
Mettenheim schnitt auch kurz das veränderte Energiekonzept der deutschen Regierung an, der Atomunfall im japanischen Fukushima habe in Deutschland ein „energiepolitisches Erdbeben” ausgelöst in deren Folge sich die Regierungspolitik verändert habe. Der Bund und die deutschen Länder wollen nun schneller aus der Versorgung durch Kernenergie aussteigen. In diesem Punkt gebe es keinen deutsch-rumänischen Gleichklang. Die rumänische Regierung habe auf das Ereigniss spät reagiert und wolle unverändert an der Versorgung mit Kernenergie festhalten. „Gleichwohl werde der Druck zunehmen”.
Das enorme Investitionspotential bei erneuerbaren Energien in Rumänien sei noch nicht ausgenutzt. Deutschland könne seine Vorreiterrolle dabei ausspielen. Er resümierte, dass Deutschland in Rumänien trotz einzelner Meinungsverschiedenheiten als verlässlicher manchmal etwas sturer Partner gelte, der aber immer mit offenen Karten spiele.
Kurz sprach Mettenheim auch die deutsche Kulturförderung in Rumänien an. Es gebe bisher 40 entsandet Lehrer aus Deutschland an rumänischen Schulen. Er werde um jede einzelne Stelle kämpfen, doch sei es hier schon zu Kürzungen gekommen.