Kleine und mittelständische Unternehmen – gefördert oder überfordert?

Der sogenannte Mittelstand ist eine tragende Säule einer Marktwirtschaft. Inzwischen große und weltweit bekannte deutsche Familienunternehmen mit jahrzehntelanger Tradition sind ein gutes Beispiel hierfür. Solche Gesellschaften beginnen ihre Entwicklung als kleine und mittelständische Unternehmen („KMU“), als Ausdruck der unternehmerischen Initiative einer oder mehrerer Personen, meist aus derselben Familie.
In der Europäischen Union genießen Schutz und Förderung von KMU hohe Priorität. So hat die Europäische Kommission 2008 den sog. „Small Business Act“, eine Zusammenfassung wichtiger Grundsätze und Empfehlungen zum Schutz der KMU, veröffentlicht.

Am 7.5.2013 fand bei der deutsch- rumänischen Industrie- und Handelskammer eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gesetzgebung zur Förderung von KMU“ statt, an der die hierfür zuständige Staatssekretärin Anca Laura Ionescu, Herr Dragoş Anastasiu, Herr Daniel Metz und der Unterzeichnende teilgenommen haben. Dies nehmen wir zum Anlass für den folgenden Beitrag.

„Small Business Act“

Der Small Business Act ist eine Mitteilung der Kommission an Organe und Ausschüsse der EU, dient aber zugleich als Ersuchen an die Mitgliedstaaten zur Ergreifung konkreter Maßnahmen zu Gunsten von KMU. Sie enthält Grundsätze, zu deren Umsetzung die Mitgliedstaaten zur Durchführung konkreter Maßnahmen ersucht werden, u. a.:

• Schaffung eines Umfelds, in dem sich Unternehmen in Familienbesitz entfalten können und sich unternehmerische Initiative lohnt;
• Gewährung einer zweiten Chance für rechtschaffene Unternehmer, die insolvent geworden sind;
• Beachtung des Prinzips „Vorfahrt für KMU“;
• öffentliche Verwaltungen sollen verstärkt auf Bedürfnisse von KMU eingehen;
• der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen, Finanzierungen und Beihilfen soll erleichtert werden;
• Qualifizierung und Innovation sollen gefördert werden.

Rumäniens Bemühungen

Rumänien hat die im „Small Business Act“ enthaltenen Grundsätze anerkannt, aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Seit Mai 2012 befindet sich ein Entwurf für Änderungen des Gesetzes 346/2004 zur Förderung der Gründung und Entwicklung von KMU in Diskussion. Er übernimmt die auf EU-Ebene formulierten Ziele detailliert, enthält allerdings kaum konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung in der Praxis.
Seither – und damit seit über einem Jahr – werden Änderungen der Gesetzgebung diskutiert.

Erforderliche Maßnahmen

Wie auf europäischer Ebene vorgeschlagen und z. T. in der o. g. Podiumsdiskussion erörtert, sollten u. a. die folgenden Maßnahmen ergriffen werden:

• Verankerung unternehmerischen Denkens als Ziel in Lehrplänen auf Schul- und Hochschulebene, entsprechende Lehrerausbildung;
• Beteiligung der Wirtschaft an dieser Ausbildung (idealerweise Einführung eines dualen Ausbildungssystems als Alternative zur Hochschule);
• Aufhebung steuerlicher Barrieren für die Übertragung von KMU innerhalb der Familie;
• Ausbau der „Politik der zweiten Chance“ und Senkung der Dauer üblicher Auflösungsverfahren;
• Beteiligung der Wirtschaft am Gesetzgebungsverfahren im Rahmen einer Arbeitsgruppe o. ä, die die Auswirkungen auf KMU auswertet („KMU- Test“);
• Schaffung einer zentralen Anlauf- und Beratungsstelle („One Stop Shop“), die KMU über Chancen und Möglichkeiten berät;
• Einbau des Prinzips „Vorfahrt für KMU“ in das Gesellschafts-, Vergabe-, Beihilfe- und Steuerrecht;
• Weiterer Ausbau der Finanzierungsmöglichkeiten für KMU, ggf. unter Beteiligung privater Finanzinstitute;
• Förderprogramme und steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung, Investitionsanreize durch steuerliche Vergünstigungen;
• Garantie der Einhaltung von Zahlungsfristen seitens der öffentlichen Hand durch Regelung von Verzugs- und Strafzinsen;
• Gezielte Förderung von Unternehmensgründungen im Bereich Umwelt, Nachhaltigkeit, innovative Techniken.

Zusätzlich ist es u. E. zum Schutz kleiner Unternehmen erforderlich, die 2013  eingeführte zwingende Einstufung als Mikrounternehmen abzuschaffen. Die meisten Unternehmen, die frisch gegründet sind und/oder einen Jahresumsatz von weniger als 65.000 Euro realisieren, schulden deswegen Steuern von 3 Prozent auf die Einnahmen, ungeachtet des Gewinns und ohne Aufwendungen absetzen zu können. Daher sind für sie die meisten Steueranreize sinnlos.

Fazit

Die o. g. Ziele sind abstrakt und bedürfen der Umsetzung durch konkrete und dauerhafte Maßnahmen und insbesondere deren Beachtung. Dies erfordert einen gut geschulten Beamtenapparat und ministeriumübergreifende Zusammenarbeit. Aber auch die Wirtschaft selbst ist zur Initiative aufgerufen, um das Bild des Unternehmers zu stärken. Für alle Beteiligten sind hierfür Engagement, Disziplin und Durchhaltevermögen unerlässlich.