Nach einmonatigen Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft „Vatra“ und der Unternehmensleitung des Stahlwerks TMK aus Reschitza verkündete nun Iancu Muhu, der Gewerkschaftschef, ein beiden Seiten genehmes Ergebnis: die Löhne werden erhöht und Entlassungen werden, vorrangig durch Umschichtung des Personals, vermieden. Die Länge der Verhandlungen erklärt sich vor allem damit, dass alle Vorschläge und Zwischenergebnisse jeweils in Moskau und Köln, den Zentralsitzen des Stahl- und Rohreproduzenten TMK, gutgeheißen bzw. mit Bemerkungen versehen werden mussten. Zudem mussten die Etappenergebnisse mit den beiden Gewerkschaften am zweiten Standort, dem TMK-Hauptsitz in Rumänien, in Slatina, abgestimmt werden. Und zwischen den drei TMK-Gewerkschaften knirscht es.
Iancu Muhu: „Die Verhandlungen waren nicht leicht und diesmal haben die zwei Gewerkschaften aus Slatina die Addenda zum Tarifvertrag sogar etwa drei Tage vor uns in Slatina unterzeichnet, wie sie übrigens fast alle Verhandlungsetappen, außerhalb der Absprachen mit uns, vorweggenommen haben. Vollauf zufrieden mit den Ergebnissen der Vertragsverhandlungen bin ich also nicht.“
Muhu führt die Nichterfüllung vieler Gewerkschaftsforderungen – genau wie auch die Unternehmensleitung – auf die gegenwärtige Krisensituation in Europa zurück, betont aber, dass „wir einige Rechte mehr für die Arbeitnehmer herausgeschlagen haben“.
Getrenntes Verhandeln brachte weniger
Ab dem 1. Februar verdient jeder Arbeitnehmer des Reschitzaer Stahlwerks pauschal um 60 Lei brutto mehr. Außerdem wird jedem eine Osterprämie von besteuerbaren 400 Lei, zum Tag des Hüttenwerkers (wie bei den Bergleuten, der Barbara-Tag) 380 Lei und 650 Lei Weihnachtsgeld ausgezahlt. Die Lohnzulage für Arbeit an Wochenenden und freien Tagen beträgt ab dem 1. Februar 75 Prozent. Zu alldem wird den Stahlwerkern ein Urlaubsgeld von 760 Lei (für zehn Tage Urlaub) ausgehändigt. Als Tagesgeld im Falle von Dienstreisen bekommt ein TMK-Arbeitnehmer 80 Lei/Tag (Unterkunftskosten werden voll und ganz verrechnet, ohne Obergrenze).
„Ursprünglich hatten wir Lohnerhöhungen von zehn Prozent gefordert“, erzählt Muhu, „dann sind wir auf eine Pauschalsumme von 100 Lei pro Arbeitnehmer runtergegangen. Es war ziemlich unfair, dass diese Tarifverhandlungen erstmals separat und auch nicht zeitgleich an den zwei Standorten in Rumänien stattgefunden haben und dass sich die drei Gewerkschaften zwischendurch nur schwer koordinieren konnten. Bei bisherigen Verhandlungen, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort geführt, haben die Gewerkschaften mehr durchsetzen können. Dessen müssen wir künftig Rechnung tragen. Zwischen unseren drei Gewerkschaften im rumänischen Teil des Konzerns gibt es keine gute Zusammenarbeit. Was dabei auf das Patronat zurückzuführen ist oder was an den Menschen hängt, die die Gewerkschaften führen, das habe ich noch nicht so recht heraus.“
Viele Lohnzulagen und Urlaubsgeld
Als Folge der eben abgeschlossenen Tarifverhandlungen beträgt der Brutto-Mindestlohn im Reschitzaer Stahlwerk gegenwärtig 1450 Lei. Die Kosten der Urlaubs- und Kurkarten übernimmt zu 50 Prozent die Firma – mit vorheriger Genehmigung der Firmenleitung und der Gewerkschaft – ebenso die Fahrtkosten in den Urlaub auf jedwelchen öffentlichen Verkehrsmitteln. Muhu berichtet, dass gegenwärtig bei TMK der Höchstwert einer Urlaubskarte, die teilvergütet wird, bei 2500 Lei liegt.
Nachdem 80 TMK-Arbeitnehmer – die im Energiesektor von TMK angestellt waren (TMK hat die Stauseen und Wasserkraftwerke mit übernommen, die vorher dem Hüttenkombinat CSR gehört hatten und vor zwei Jahren an den tschechischen Energiekonzern CEZ verkauft) – zu den Tschechen von CEZ übergewechselt sind, hat die Reschitzaer Gewerkschaft „Vatra“ noch 760 Mitglieder – praktisch ausnahmslos alle Arbeitnehmer des Stahlwerks sind Mitglieder dieser Gewerkschaft.
„Die Übergewechselten gehören nun zu einer Gewerkschaft des Energiebereichs mit Sitz in Craiova“, erklärt Muhu. „Froh darüber sind sie nicht, denn ihnen wurde fürs Überwechseln viel versprochen und nichts davon ist gehalten worden. ‘Vatra’ hat dabei nichts Materielles verloren, denn ich war schlau und habe vor ihrem Wechsel gefordert, dass das Quantum ihrer Beitragszahlungen aufs ‘Vatra’-Konto überwiesen wird. Das ist geschehen. Um die ehemaligen Kollegen tut es mir aber leid.“
2012 werden rund 60 Arbeitnehmer von TMK in Rente gehen. Restrukturierungen/Entlassungen von Personal werden 2012 nicht getätigt, aber ein Teil der Arbeitnehmer wird auf das Stahlwerk und die Stranggussanlage umdisponiert.
Ein bisschen zur Erinnerung
In den Zeiten nach der Wende, als das Reschitzaer Hütten- und Walzwerk CSR noch staatlich war und auch nach der ersten – gründlich misslungenen – Privatisierung durch die amerikanische Consultingfirma Noble Ventures hatte die Gewerkschaft „Vatra“ unter Führung von Iancu Muhu durch ihre bewalttätigen Protestaktionen rumänienweit für Aufsehen gesorgt. Muhu und seine Zerstörertrupps haben Mitte der 90er-Jahre des abgelaufenen Jahrhunderts nicht nur die Scheiben am Parterre des Kreisratsgebäudes und der Präfektur im Reschitzaer Stadtzentrum eingeschlagen und die wachhabenden Polizisten (rechtlich folgenfrei) verprügelt, sondern eines Tages auch den feudalen Stuhl aus dem Amtszimmer des damaligen Präfekten Traian Zamfir auf den Balkon der Präfektur gestellt und mit Fäkalien verschmutzt, mit der Bemerkung: „Ein Präfekt ist zu nichts nutze, sein Stuhl ist besser: er stinkt wenigstens!“
Auch zahlreiche Straßen- und Verkehrsblockaden haben sie organisiert und sich wöchentliche Schlägereien mit Polizei und Gendarmerie geliefert.
Dieser Spuk, der den Ruf von Reschitza als ehrlich-arbeitsame Arbeitnehmerstadt gründlich und langfristig geschädigt hat – bis zum heutigen Tag gibt es kaum ausländische Investitionen in Reschitza, nachdem auch die Banater Konsulate (allen voran das von Deutschland) und die Botschaften in Bukarest interessierten ausländischen Investoren damals geraten hatten, Reschitza als unsicheren Standort zu meiden –, hörte erst mit dem Verkauf des Hüttenwerks an die Russen von TMK (dahinter steckt u. a. der Oligarch Dmytry Pumpiansky) auf.
Die Russen haben – in auffälligstem Kontrast zu den Amerikanern von Noble Ventures – Punkt für Punkt ihre Vertragsverpflichtungen erfüllt und auch die Löhne der Arbeitnehmer kontinuierlich erhöht. Dadurch ist es still geworden um die Gewerkschaft „Vatra“ und ihren (auf alle Fälle charismatischen und von seinen Gewerkschaftsmitgliedern unverändert sympathisierten) Anführer Iancu Muhu.