Oberster Gerichtshof entscheidet über Anfechtungsgründe gegen einen steuerlichen Verwaltungsakt

Das rumänische Gesetz Nr. 554/2004 über das Verwaltungsverfahren (nachfolgend Verwaltungsverfahrensgesetz VVG) regelt die Anfechtung gegen von rumänischen Behörden, einschließlich die Oberste Steuerverwaltungsbehörde ANAF, ausgestellten Verwaltungsakte, -Bescheide und -Beschlüsse.

Laut Art. 7 des VVG ist im Fall einer Anfechtung die Durchführung des sog. administrativen Vorverfahrens erforderlich; dies bedeutet, dass die Person, die sich durch einen an sie gerichteten individuellen Verwaltungsakt in ihrem Recht oder berechtigten Interesse verletzt fühlt, vor der Anrufung des zuständigen Verwaltungsgerichts und innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Verwaltungsaktes bei der ausstellenden Behörde oder gegebenenfalls der hierarchisch übergeordneten Behörde ein Widerspruchsverfahren (rum. plângere prealabilă) durchlaufen muss. Sollte die Person mit dem erlassenen Widerspruchsbescheid nicht zufrieden sein, so ist sie berechtigt, innerhalb von sechs Monaten Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.

Bisherige uneinheitliche Praxis der rumänischen Verwaltungsgerichte

Eine der wichtigsten Fragen, die im Kontext der Anfechtung von Verwaltungsakten gestellt wurde, ist, ob der Klageantrag auf die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geltend gemachten Gründe beschränkt werden muss oder ob andere Gründe, die im Widerspruchsverfahren nicht erhoben wurden, vor dem Gericht geltend gemacht werden können. Diese Frage wurde von den rumänischen Gerichten bisher unterschiedlich behandelt.

Genauer gesagt lautete eine erste in der Praxis vertretene Meinung, dass sowohl der Widerspruch als auch der Klageantrag gegen den Widerspruchsbescheid dieselben Gründe enthalten müssen.

Somit wurde die Auffassung vertreten, dass das Verwaltungsgericht nicht in der Lage sei, eine echte Rechtmäßigkeitsprüfung der angefochtenen Verwaltungsakte durchzuführen, wenn es dem Antragsteller erlauben würde, die ursprüngliche Begründung zu ändern und die Antwort auf den Widerspruch aufgrund anderer tatsächlicher oder rechtlicher Argumente anzufechten, die nicht Gegenstand der Prüfung der Behörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens waren.

Eine zweite Meinung vertrat, dass durch den Klageantrag auf Anfechtung des Widerspruchsbescheides und des entsprechenden Verwaltungsaktes neue Rechtswidrigkeitsgründe geltend gemacht werden können, die während des Widerspruchsverfahrens nicht geltend gemacht wurden. Es wurde somit argumentiert, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie der Zugang zur Justiz gewährleistet werden müssen, und somit soll sich der Geschädigte sowohl auf die ursprünglich genannten Rechtswidrigkeitsgründe als auch auf neue rechtliche Argumente berufen können, die bei der Formulierung des Widerspruchs nicht berücksichtigt wurden, weil diese z. B. später aufgetreten sind. Die Beschränkung auf die ursprünglich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Argumente, ohne die Möglichkeit zu bieten, sich der Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts der nachträglich dargelegten Argumente zu unterziehen, stellt eine Verletzung des Rechts auf freien Zugang zur Justiz und auf ein faires Verfahren dar.

Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) Rumäniens

In diesem Kontext entschied der OGH Rumäniens in einem Urteil, das am Ende Juni 2023 rechtskräftig und im Amtsblatt Rumäniens veröffentlicht wurde, dass die vor Gericht geltend gemachten Rechtswidrigkeitsgründe nicht auf diejenigen beschränkt sind, die in dem Widerspruch geltend gemacht wurden. Das Urteil ist ab dem Zeitpunkt der o. g. Veröffentlichung im Amtsblatt sowohl für die rumänischen Gerichte als auch für die staatlichen Behörden (insbesondere die steuerlichen) bindend; von nun an sollte die Rechtsprechung in dieser Angelegenheit einheitlich sein.

Im Wesentlichen erklärten die Richter, dass die Regeln der Steuerverfahrensordnung nur für das Widerspruchsverfahren gelten und daher nicht für die Anfechtungsklage. Wenn der Gesetzgeber die Anwendbarkeit bestimmter Regelungen auf die Anfechtungsklage erweitern wolle, dann müsse dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen werden. Somit finden auch für die Anfechtung von steuerlichen Verwaltungsakten die allgemeinen Bestimmungen des Art. 8 Abs. 1 VVG Anwendung, die vorsehen, dass die Gründe im Klageantrag nicht auf die im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Gründe beschränkt sind.

Fazit

Das Urteil Nr. 20/2023 des OGH schafft somit Klarheit und beseitigt die uneinheitliche bisherige Gerichtspraxis im Hinblick auf die Anfechtung von Verwaltungsakten; es ist insbesondere im Fall von Anfechtung gegen Steuerverwaltungsakte wichtig, da es sowohl für sämtliche rumänische Gerichte als auch für die Steuerbehörden bindend ist. 


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