Im Rahmen jedes Rechtsverhältnisses kann es vorkommen, dass sich die Parteien nicht an ihre Verpflichtungen halten und dafür z. B. auf Schadensersatz haften. Wenn es um die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber geht, wünschen viele Arbeitgeber den Einsatz von Vertragsstrafen bei bestimmten Pflichtverletzungen. Diese Praxis war in Lehre und Rechtsprechung lange Zeit umstritten; seit dem 12. Juli 2019 ist sie infolge eines Urteils des Obersten Gerichtshofes1 ausgeschlossen.
Charakter der Vertragsstrafe
Verursacht eine Person einer anderen schuldhaft einen Schaden, muss sie diesen grundsätzlich ersetzen, d. h. die andere Person so stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Dabei muss der Geschädigte die Höhe des zu ersetzenden Schadens beweisen.
Zivilrechtlich besteht die Möglichkeit, die Höhe des verursachen Schadens vorab, d. h. unabhängig von konkreten schädigenden Ereignis, vertraglich festzulegen. In diesem Fall entfällt grundsätzlich die Pflicht des Geschädigten, die Schadenshöhe zu beweisen. Liegen die weiteren Voraussetzungen für den Schadensersatz vor, kann er ohne weiteres die Zahlung der Vertragsstrafe geltend machen.
Dies macht die Vertragsstrafe natürlich bequem und attraktiv – vor allem in Fällen, in denen der Nachweis des Schadens schwierig ist, da dieser nicht (einfach) direkt messbar ist.
Auch im Arbeitsrecht liegt der Einsatz von Vertragsstrafen manchmal nahe, da es Fälle gibt, in denen die Ermittlung des konkret verursachten Schadens extrem aufwändig ist. Missachtet ein Arbeitnehmer beispielsweise eine Vertraulichkeitsverpflichtung, seine Treuepflicht oder ein Wettbewerbsverbot, muss der Arbeitgeber zur Ermittlung des verursachten Schadens teilweise extrem aufwändige Prüfungen durchführen.
Andererseits kommt der Vertragsstrafe auch eine gewisse abschreckende Wirkung zu. Kennt ein Arbeitnehmer das konkrete finanzielle Risiko, das mit einer Pflichtverletzung verbunden ist, sieht er eher davon ab, als wenn die Pflicht ohne konkrete Sanktion im Arbeitsvertrag geregelt ist. Somit kann die Vertragsstrafe aus Sicht des Arbeitgebers auch als Schutz vor pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitnehmers angesehen werden.
In einigen Rechtsordnungen, z. B. der deutschen, wird die Vertragsstrafe daher oft in der arbeitsrechtlichen Praxis angetroffen.
Besonderheiten im rumänischen Arbeitsrecht
Das rumänische Arbeitsrecht enthält einige hierfür relevante Besonderheiten. U.a. besagt das Arbeitsgesetzbuch, dass:
- der Arbeitnehmer aufgrund der zivilrechtlichen Regelungen für materielle Schäden in Verbindung mit der Arbeit, die er seinem Arbeitgeber schuldhaft verursacht, haftet2;
- der Arbeitgeber (nur) dann die Höhe eines solchen vom Arbeitnehmer verursachten Schadens feststellen und bewerten und den Ersatz des Schadens im Einvernehmen der Parteien verlangen kann, wenn der Schaden fünf gesetzliche Mindestgehälter (d. h. derzeit 10.400 Lei) nicht übersteigt3;
- der Arbeitnehmer auf seine gesetzlich anerkannten Rechte nicht verzichten darf, eine anderweitige Vereinbarung ist nichtig4;
- der Arbeitgeber in Arbeitsverfahren stets die Beweislast trägt5.
Liegen die Voraussetzungen zum zweiten Punkt nicht vor, benötigt der Arbeitgeber grundsätzlich einen Vollstreckungstitel für den Ersatz des Schadens6.
Das Urteil
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung Folgendes festgehalten:
- Grundsätzlich muss im Arbeitsrecht ein Schaden sicher existieren und im Zeitpunkt der Bewertung ein messbares Ausmaß haben. Dies setzt eine konkrete Schadensermittlung voraus.
- Diese Ermittlung obliegt grundsätzlich den Gerichten.
- Art. 253 Abs. 3 und 4 Arbeitsgesetzbuch erlauben nur im Sonderfall eine außergerichtliche Feststellung, diese ist jedoch nicht im Voraus zulässig, sondern muss im Einzelfall erfolgen.
- Die Beweislastregel im Arbeitsrecht wird durch eine Vertragsstrafe verletzt.
- Nicht zuletzt stellt eine Vertragsstrafe ein aus Sicht des Gerichts unzulässiges Druckmittel dar.
Aufgrund Art. 38 (vgl. o.) ist eine Vertragsstrafenregelung damit nichtig.
Fazit
Was bisher von der wohl herrschenden Meinung vertreten wurde, wurde nun durch den Obersten Gerichtshof bestätigt. Arbeitgeber dürfen zu Lasten der Arbeitnehmer keine Vertragsstrafen einsetzen. Auch wenn dies für sie in der Praxis schmerzhaft sein kann, ist die Entscheidung verbindlich.
1 Înalta Curte de Casație și Justiție, Urteil Nr. 19 vom 12.05.2019, Amtsblatt 573 vom 12.07.2019
2 Art. 254 Abs. 1
3 Art. 254 Abs. 3 und 4. Liegt der Schaden innerhalb dieser Höhe, kann der Arbeitgeber eine Schadensfeststellung und –Bewertung aufstellen und im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer die Tilgung des Schadens mindestens 30 Tage danach festlegen.
4 Art. 38
5 Art. 272
6 In der Praxis wird es häufig vorkommen, dass Arbeitnehmer dennoch freiwillig auch höhere Beträge ersetzen.
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