Im Juni 2024 kündigte der rumänische Wettbewerbsrat zum ersten Mal eine Untersuchung wegen des mutmaßlichen Missbrauchs einer überlegenen Verhandlungsposition durch einen Lieferanten von Flüssigsauerstoff zum Nachteil eines Krankenhauses von Amts wegen an. Kurz darauf folgte eine unangekündigte Prüfung bei einem Unternehmen der Pharmabranche. Auch weitere Situationen, etwa die von Kfz-Werkstätten, deren Reparaturrechnungen im Rahmen von Haftpflichtversicherungsfällen nach dem Gesetz in vollem Umfang vom Versicherer akzeptiert werden müssen, gerieten in den Fokus des Wettbewerbsrates.
Bis vor Kurzem fiel nur der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unter die Zuständigkeit des Wettbewerbsrats. Hinzu kommt nun die Ausnutzung einer „überlegenen Verhandlungsposition“.
Rechtslage
Aufgrund Art. 6 des Wettbewerbsgesetzes (Gesetz Nr. 21/1996) ist ein Unternehmen in einer marktbeherrschenden Stellung, wenn es einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent hat (relative gesetzliche Vermutung). Bereits 2022 wurde das Gesetz 11/1991 gegen den unlauteren Wettbewerb geändert und auch die „überlegene Verhandlungsposition“ eingeführt, deren Ausnutzung als unlauterer Wettbewerb gilt.
Definition
In einer überlegenen Verhandlungsposition befindet sich ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen bei Vorhandensein von:
(a) Merkmalen des Marktes, die für das Auftreten erheblicher Ungleichgewichte durch Faktoren wie die spezifische Struktur der Produktions- oder Vertriebskette, Anfälligkeit für äußere Faktoren und Verderblichkeit oder Saisonalität geeignet sind, sowie
(b) einer besonderen Beziehung zwischen ihm und anderen Unternehmen, die auf verschiedenen Märkten tätig sind.
Der unter (b) genannte Zusammenhang wird von der Wettbewerbsbehörde auf Grundlage folgender kumulativen Kriterien analysiert:
- das Bestehen eines unausgewogenen Kräfteverhältnisses, das auf Faktoren wie Marktanteil oder Markenbekanntheit zurückzuführen ist;
- die Bedeutung der Geschäftsbeziehung für die Tätigkeit des anderen Unternehmens aufgrund von Faktoren wie dem erheblichen Anteil seiner Verkäufe oder Erwerbe an der Tätigkeit des anderen Unternehmens, der entscheidenden Rolle seiner Produkte oder Dienstleistungen für die Ausübung der Tätigkeit des anderen Unternehmens oder dem Vorhandensein erheblicher Investitionen des anderen Unternehmens zur Erfüllung der bestehenden Geschäftsbeziehungen;
- das Fehlen einer gleichwertigen Alternativlösung für das andere Unternehmen.
Der Missbrauch der überlegenen Verhandlungsposition fällt nur dann in den Regelungsbereich des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb fällt, wenn er geeignet ist,
- dem anderen Unternehmen einen erheblichen Schaden zuzufügen und
- den Wettbewerb auf dem Markt durch Handlungen oder Unterlassungen zu beeinflussen, wie z. B. bei:
– ungerechtfertigter Verweigerung der Lieferung oder des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen;
– Nichtbeachtung von Vertragsklauseln über Zahlung, Lieferung oder Kauf;
– Auferlegung ungerechtfertigt belastender oder diskriminierender Bedingungen in Bezug auf den Vertragsgegenstand;
– ungerechtfertigter Beendigung von Vertragsbeziehungen.
Unabhängig davon wird der rumänische Wettbewerbsrat nur dann tätig, wenn das öffentliche Interesse an einem ordnungsgemäßen Funktionieren des Marktes beeinträchtigt ist. Dies wird wiederum anhand der folgenden Kriterien bewertet:
- Ausmaß der sozialen Gefahr;
- Wichtigkeit oder Größe des Wirtschaftszweigs, Zahl der an der Handlung beteiligten Unternehmen und der betroffenen Unternehmen;
- Dauer der unlauteren Wettbewerbspraxis.
Bei festgestellter Zuwiderhandlung drohen Bußgelder in Höhe von 50.000 bis 500.000 Lei für juristische und zwischen 5500 bis 11.000 Lei für natürliche Personen.
Fazit
Die Ausnutzung der überlegenen Verhandlungsposition ist bereits seit Längerem geregelt, wurde bis dato allerdings weder geprüft noch sanktioniert. Die aktuelle Änderung der Haltung der rumänischen Wettbewerbsbehörde führt natürlich zu Unsicherheiten auf dem Markt, da sie zu Beschwerden beim Wettbewerbsrat führen können (und dürften).
Zu bedenken ist hierbei, dass es viele wirtschaftlich gerechtfertigte Situationen der Störung der Geschäftsbeziehungen gibt – z. B. die Absicht, das Vertriebsnetz umzustrukturieren, Änderungen in der Politik zur Prämiengewährung an Händler, Lieferanten mit nur einem Kunden usw., die der Situation entsprechend betrachtet werden müssen und keiner Sanktion unterliegen sollten.
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass der Wettbewerbsrat Untersuchungen aufgrund dieser neuen Vorschriften eingeleitet und veröffentlicht hat. So wird sich eine Verwaltungspraxis bilden, die von den Akteuren auf den verschiedenen Märkten berücksichtigt werden kann und auch die Rechtspraxis beeinflussen wird. Zunächst ist allerdings zu erwarten, dass alle verhängten Sanktionen vor Gericht angefochten werden.
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