Banat-prägende Literatur im XX. Jahrhundert

Vier Schriftsteller im Mittelpunkt: Otto Alscher, Alexander Tietz, Peter Jung und Adam Müller-Guttenbrunn

Als mich Anfang Mai der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, bat, den Festvortrag zu den diesjährigen Heimattagen der Deutschen im Banat zu halten, stellte ich mir gleich die Frage, was ich als Banater Berglanddeutscher in so einem Festvortrag wiederspiegeln bzw. unterstreichen sollte. Er soll ja ausgeglichen sein und das gesamte Banat mit seinen facettenreichen Brücken (…) berücksichtigen.

Akzeptiert hatte ich nach einigen Sekunden Gedankenüberrumpelung, doch die Gedankenplage kam erst später. Drei volle Tage hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, was ich unterstreichen soll. (…) Schließlich und endlich kam mir der Rückhalt durch meinen Beruf, den ich seit dem 1. Mai 1995 ausübe: Bibliothekar für die Deutsche „Alexander Tietz“-Bibliothek in Reschitza. Also etwas mit dem Banat und seine prägenden Schriftsteller.

Nur keine Angst: Ich werde nicht über alle Schriftstellerinnen und Schriftsteller deutscher Sprache im historischen Banat, also zwischen der Donau im Süden, den Ostkarpaten im Osten, der Marosch im Norden und der Theiß im Westen sprechen. (…) Ich werde über vier Schriftsteller zu sprechen - aus jedem Verwaltungskreis des rumänischen Banats einer.

Beginnen möchte ich mit dem südlichsten Zipfel des Banats, also mit Orschowa im rumänischen Verwaltungskreis Mehedintz.

Otto Alscher ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des Banats. Geboren am 8. Januar 1880 in Perlas / Theiß (heute Wojvodina, Serbien), hat Otto Alscher 1904 die Graphiker-Schule in Wien absolviert und ist bereits ein Jahr später ins Banat zurückgekehrt und hat sich in Orschowa, in der „Gratzka”, ein Häuschen eingerichtet. Im Laufe seiner Lebensjahre ist er immer wieder an diesen Ort zurückgekehrt, für ihn ein Ort der Besinnung und der Inspiration. Seine Wege führten ihn nach Budapest, Belgrad, Temeswar und Lugosch, wo er Zeitungen und Zeitschriften herausbrachte, leitete oder als Journalist daran mitbeteiligt war.

Sein erster Band erschien 1909 in Stuttgart. Weitere Bücher erschienen in Berlin, München  und Temeswar. Seine berühmtesten Werke waren die Jagd- und Tiergeschichten. Dadurch wurde er im ganzen deutschen Sprachraum bekannt und geschätzt.

Otto Alscher starb verhungernd in Târgu-Jiu, im Internierungslager der Kommunisten, am 30. Dezember 1944. Posthum erschienen seine Bücher in Bukarest und München.

Anlässlich des 50. Todestages des Schriftstellers enthüllte der Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza” mit Hilfe des damaligen bundesdeutschen Konsuls Uwe Zorn am 10. Dezember 1994 eine zweisprachige Gedenktafel am Rathaus in Orschowa.

Ein Fragment aus Otto Alschers Beschreibung der „Gratzka“ bei Orschowa, der Anfang der Kurzgeschichte „Der Bär im Sommersegen“ lautet so:

„Der Bergwald atmet in schwerer, heißer Mittagsruhe. Er geht so steil hinab, als stiege er aus der Erde letzter Tiefe auf. Jenseits fern dunkeln andere Wälder, blauen Berge im Sonnenglast schwimmend. Zikaden schrillen, scharf und kreischend, als suchten sie mit aller Macht die Ruhe des Waldes zu zerreißen.“(…)

Wir fahren nun mit unserer literarischen Reise Richtung Norden fort und kommen zu meiner Heimatstadt Reschitza.

Alexander Tietz wurde in Reschitza am 9. Januar 1898 in einer Intellektuellenfamilie geboren. Nach dem Studium in Temeswar und Budapest kehrte er als Lehrer in seine Heimatstadt zurück. Er war einer der anerkanntesten Erzieher deutscher Muttersprache des XX. Jahrhunderts in Reschitza, der seinen Schülern die Liebe zur Heimat, Kultur, Tourismus und Umweltschutz beibrachte. Die Liebe zum Banater Bergland verhalf ihm in seiner Suche nach Volksgut im Banater Bergland, das ihm auch die Bekanntheit im deutschsprachigen Raum erbrachte.

Er starb am 10. Juni 1978 infolge eines Verkehrsunfalls in seiner Heimatstadt Reschitza und wurde ebenfalls hier, zwei Tage später, am Friedhof Nr. 5 unter großer Anteilnahme beerdigt.

1995 wurde in Reschitza die Deutsche „Alexander Tietz”-Bibliothek offiziell eröffnet. Heute gehört sie zum Jugend-, Dokumentations- und Kulturzentrum „Alexander Tietz“. 2005 wurde vor dem Zentrum eine Büste Alexander Tietz‘ enthüllt. 2004 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft post mortem des Munizipiums Reschitza verliehen.

Geschätzt für seine 9 Eigenbände (4 posthum - davon 3 mehrsprachig übersetzt) und zahlreichen Veröffentlichungen in verschiedenen Publikationen und Bänden im In- und Ausland, bleibt Alexander Tietz die bekannteste deutsche Persönlichkeit des Banater Berglands des XX. Jahrhunderts.

Ich zitiere nun Alexander Tietz:

„Das Banater Bergland weist durch seine stürmische geologische Vergangenheit einen außergewöhnlich mannigfaltigen Reichtum an Landschaften auf.

Aus drei Elementen setzt sich das Bild dieses Landschaftsgebietes zusammen:

Erstens, im Westen, das von altersher abgeholzte, grüne, mit Szallaschen besprenkelte Hügelland, das, von oben gesehen, einer erstarrten wogenden See gleicht: es ist das Vorland des Gebirges; … zweitens, im Osten, der Bergwald, der von den wasserreichen, aus Urgestein bestehenden Hängen des Semenik über ungezählte Kämme, Gräben und Täler flutend, sich gegen Sonnenuntergang hinabsenkt; und drittens, das Banater Kalksteingebirge, das sich vom Rande der Ebene nach Süden bis zu der Unteren Donau dahinzieht. (…)

Für die Banater Schwaben im Kreis Temesch wählte ich Peter Jung aus. Warum? Weil wir heute und hier die Banater Hymne gehört haben.

Am 1. April 1887 in Hatzfeld, damals Österreich-Ungarn, geboren wirkte Peter Jung zunächst als Kaufmann in Budapest. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kehrte er 1919 in seinen Heimatort zurück und übernahm die Schriftleitung der „Hatzfelder Zeitung”. 1928 wechselte er nach Temeswar, in die Redaktion der „Banater Deutschen Zeitung“, um von 1931 bis 1941 wieder als Schriftleiter der „Hatzfelder Zeitung“ tätig zu sein. Von 1945 bis 1949 war er Mitarbeiter der „Freiheit“ (Temeswar), der „Temesvarer Zeitung“ und des „Neuen Wegs“ (Bukarest).

Bekannt geworden ist Peter Jung, der sich als Autodidakt Zugang zur Literatur verschafft hatte, vor allem als Dichter. Die unermessliche Liebe zu seiner engeren Banater Heimat, die Verbundenheit mit der Landschaft und seinem Volksstamm und ein tiefer Glaube sind die Quellen, aus denen Jungs Dichtung schöpft. Er ist der Heimatdichter der Banater Schwaben schlechthin. Jung hat etwa 12.500 Gedichte geschrieben, davon ist aber nur ein geringer Teil in verschiedenen Publikationen und in den bisher erschienenen sieben Gedichtbänden - davon 5 posthum - veröffentlicht worden.

Gestorben ist Peter Jung am 24. Juni 1966 in Hatzfeld. Im vergangenen Jahr gedachte man seiner anlässlich des 50. Todestages auf Initiative des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“.

In Hatzfeld erinnern eine Gedenkplatte an dem Haus, in dem er wohnte und dichtete, und eine 2001 im Stadtzentrum enthüllte Büste an den begnadeten Dichter und kämpferischen Journalisten.

Vorlesen möchte ich nun sein Gedicht „Mein Heimatland, Banater Land”, vertont durch Wilhelm Ferch und Josef Linster, heute die Hymne der im Banat lebenden Deutschen:

„Mein Heimatland, Banater Land

Das Land, wo meine Wiege stand,

Wo Wohl und Weh mein Herz empfand,

Der junge Tag mir zugelacht,

Als ich in Mutters Arm erwacht,

Der Wachtel Schlag, der Lerche Sang

Mir in die zarte Seele klang

Und all der Fluren holdes Grün

Als eine Zauberwelt erschien:

Das Land, das ist das schönste Land!

O Heimatland! Banater Land!

Gott segne dich, der segnen kann,

Er segne Kind und Weib und Mann!

(…)

Und zum Schluss komme ich zu Adam Müller-Guttenbrunn, der im heutigen Kreis Arad geborene Schriftsteller, mit dessen Namen das Temeswarer „Adam Müller“-Guttenbrunn“-Haus, am 4. Mai 1994 festlich eröffnet, das deutschsprachige Lyzeum in Arad, seit 1999 unter diesem Namen bekannt, aber auch die Gedenkstätte in seiner Heimatgemeinde, in Guttenbrunn, heute Zăbrani, 1970 gegründet, in Verbindung steht.

Geboren wurde er am 22. Oktober 1852 in Guttenbrunn, wo er auch den Schulunterricht begann. Es folgten Temeswar, Hermannstadt und Wien, wohin er 1879 endgültig übersiedelte.

Im Jahr 1883 begann Adam Müller-Guttenbrunn in Wien seine journalistische Tätigkeit bei der „Deutschen Wochenschrift“, ab 1886 dann bei der „Deutschen Zeitung“.

In den Jahren 1893 - 1896 war er Direktor des neugegründeten Wiener Raimundtheaters, in den Jahren 1898 - 1903 des ebenfalls neugegründeten Kaiserjubiläums-Stadttheaters. Ab dem Jahr 1903 war er nur mehr schriftstellerisch und journalistisch engagiert.

1922 wurde er Ehrendoktor der Wiener Universität und einige Tage später Ehrenbürger Wiens. Ferdinand I., Rumäniens König, zeichnete den Dichter ebenfalls 1922 mit dem rumänischen Verdienstorden „Bene Merenti“, erster Klasse, aus.

Adam Müller-Guttenbrunn starb in Wien am 5. Januar 1923. Er wurde in einem Ehrengrab der Stadt Wien begraben. Auf seinem Geburtshaus in Guttenbrunn steht eine Gedenkplatte, 1921 enthüllt, während im Gemeindepark desselben Ortes eine Büste enthüllt wurde.

Schriftstellerisch hat sich Adam Müller-Guttenbrunn als Dramaturg in Wien im Jahre 1881 erstmals mit dem Stück „Des Hauses Fourchambault Ende“ Erfolg geschaffen. 1907 besuchte er seine Geburtsstätte Guttenbrunn, was ihm den Ansporn gab, seine großen Werke zu schreiben. Adam Müller-Guttenbrunn hat insgesamt 82 Romane und Theaterstücke geschrieben. Erschienen sind auch aus seiner Feder über 3.000 Feuilletons, kulturpolitische und literaturkritische Aufsätze.

Adam Müller-Guttenbrunns Rolle bei der Findung der eigenen Ethnie unserer Volksgruppe sei hier besonders zu betonen. Er war eben auch Politiker und Kämpfer für unser von der Madjarisierung bedrohtes Volkstum. Seine wichtigen Romane sind auch  aus dieser Sicht zu betrachten.

Und nun ein Zitat aus Adam Müller-Guttenbrunn. Es sind die ersten Sätze seines berühmten Romans „Glocken der Heimat“:

Das Schwabendorf lag still und friedlich in der warmen Aprilsonne. Alles war draußen in den Riedfeldern und in den Weingärten; die große Arbeit des Jahres hatte wieder begonnen, und sie war eine Lust nach dem langen, milden Winter, der heuer von südlicher Harmlosigkeit gewesen und fast gar keine Beschwerden gebracht hatte. Österliche Auferstehung!“ (…)

Warum diese Aufzählung von vier verschiedenartigen Schriftstellern, die Teile oder das gesamte Banat im Laufe ihrer Lebenszeiten, aber auch danach, bis heute geprägt hatten / haben? Weil jeder Einzelne von ihnen seine / unsere Heimat (…) durch sein Schreiben, ob es um Prosa oder um Vers geht, maßgebend beeinflusst hat und es bis heute tut. Wir, die Banater Deutschen, wären viel, viel ärmer, wenn wir diese Schriftsteller und viele andere nicht hätten. Vergessen wir also nicht, dass Heimat auch unser Schrifttum bedeutet. Dafür sollen wir uns auch in Zukunft einsetzen: Das möchte ich mit meinem Festvortrag am heutigen Tag bekräftigen.

(Redaktionell gekürzt: Siegfried Thiel)