„Die Minderheiten müssen sich solidarisch zeigen, die, denen es gut geht, mit jenen, denen es nicht so gut geht und diese wiederum mit jenen, denen es noch schlechter geht“, appellierte Hunor Kelemen an die Teilnehmer des Kongresses der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN). Um dies deutlich zum Ausdruck zu bringen, haben die FUEN-Vertreter während ihrer Generalversammlung in Klausenburg/Cluj-Napoca am 20. Mai mehrere Resolutionen angenommen, welche einerseits Druck auf die entsprechenden Staaten ausüben und andererseits den betroffenen Minderheiten Unterstützung zeigen sollen. Die FUEN als größter Dachverband der autochthonen, nationalen ethnischen Minderheiten in Europa vertritt über 90 Mitgliedsorganisationen in 32 Ländern, insbesondere auf europäischer Ebene. Allein in der Europäischen Union gehören rund 60 Millionen Menschen einer ethnischen oder sprachlichen Minderheit an.
Auf Vorschlag der Organisation der Aromunen Comunitatea Armână din România nahmen die FUEN-Vertreter eine Resolution an, welche die rumänische Regierung auffordert, die Aromunen als nationale Minderheit entsprechend der rumänischen Verfassung anzuerkennen, damit diese die Möglichkeit erhalten, ihr sprachliches, kulturelles, religiöses und geistiges Erbe besser zu schützen. Darüber hinaus soll die rumänische Regierung das Gesetz Nr. 176/2013 abschaffen, welches Aromunen als Rumänen definiert, sie soll Daten über die tatsächliche Anzahl von Aromunen in Rumänien veröffentlichen und aromunischsprachige Radio- und TV-Programme senden. Der rumänische Staat bezeichnet die Aromunen als zu den „Rumänen aus aller Welt“ zugehörig und negiert damit ihre eigenständige ethnische Identität. In einer weiteren Resolution verurteilt die FUEN die Verhaftung und Verbannung des Leiters des türkischen Kulturvereins in Griechenland. Mustafa Kaymakci wurde am 30. August 2016 von der griechischen Polizei verhaftet, aufgrund eines Beschlusses vom 18. Juli 2016 zur Verweigerung der Einreise. Laut des Kultur- und Solidaritätsvereins der Türken auf Rhodos, Kos und den Dodekanes-Inseln (ROISDER) wurde Kaymakci auf Rhodos, wo er am 27. August in Griechenland eingereist war, vorher nicht über diesen Beschlusses informiert und eine Kopie des Beschlusses wurde ihm auch zum Zeitpunkt seiner Verhaftung in Kos nicht vorgelegt. Er wurde erst freigelassen, nachdem er eine Erklärung unterschrieben hatte, dass er nicht gegen die griechischen Behörden klagen würde.
Darüber hinaus fordert die FUEN Griechenland auf, die Diskriminierung und Einschüchterung der türkischen Gemeinschaft in West-Thrakien zu stoppen, ihnen Autonomie in Bildung und Religion entsprechend des Lausanner Friedensvertrages von 1923 zu gewähren sowie Türken und Griechen gleichermaßen zu behandeln. Griechenland gehört zu den Staaten, die die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen nicht unterzeichnet haben. Der ROISDER vertritt die auf den Inseln lebende türkische Minderheit. Ihre Zahl wird auf 2000 bis 6000 Personen geschätzt. Die rund 100.000 Türken in West-Thrakien, im Norden Griechenlands, werden unter anderem von der Föderation der West-Thrakien-Türken in Europa und der Partei Freundschaft, Gleichheit und Frieden vertreten.
Weiterhin fordert die FUEN Albanien auf, die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen zu ratifizieren, mazedonischsprachige Sendungen im öffentlichen Fernsehen zu zeigen, finanzielle Hilfe für mazedonische Kultur- und Bildungsaktivitäten zu gewähren und in Siedlungen mit einem Anteil an Mazedoniern von mehr als 20 Prozent Bildung in der Muttersprache zu ermöglichen, was insbesondere die Regionen Golloborda und Gora betrifft. Laut dem letzten Zensus von 2011 leben nur 5512 Mazedonier in Albanien, allerdings wurde nur den Bürgern in der Gemeinde Pustec die Möglichkeit gegeben, sich offiziell als Mazedonier zu bezeichnen. Schätzungen gehen von mehreren Zehntausend Mazedoniern in Albanien aus. Entsprechend des mazedonischen Vereins „Ilinden“ aus Tirana bedeute die Verwaltungsreform des Jahres 2015 einen Rückschritt für die Umsetzung der Rechte der mazedonischen Minderheit in den Regionen Golloborda und Gora, da sie fortan nicht mehr gesonderte Verwaltungseinheiten darstellen.
Eine Resolution zur Gewährung der Nutzung der Muttersprache betrifft auch Rumänien und die Slowakei. Der Ungarnverband UDMR und die Ungarische Bürgerliche Partei sowie die Partei der ungarischen Gemeinschaft in der Slowakei (MKP) wiesen gemeinsam darauf hin, dass ein Großteil der europäischen Staaten die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen zwar ratifiziert hat, eine Gesetzesanwendungsmethodik in vielen Ländern allerdings noch nicht erarbeitet wurde. Die Interpretation der Charta erfolge häufig nicht wie vorgesehen, mit dem Resultat, dass die Gesetzgebung alles verbietet, was die Charta nicht explizit vorschreibt. Die Resolution drängt darauf, dass die Staaten, welche die Charta ratifiziert haben, die Bestimmungen beachten und den Minderheiten das Recht auf eine Ausbildung in der Muttersprache und die Verwendung der Muttersprache in der Verwaltung garantieren. Die Slowakei hat die Charta im Jahr 2001 ratifiziert, ist jedoch ihren Verpflichtungen in vielen Bereichen nicht nachgekommen. Laut den ungarischen Vertretern gibt es andauernde schwere Mängel in ihrer Rechtsdurchsetzung im Bereich der Rechte der nationalen Minderheiten. Rumänien hat die Charta 2007 ratifiziert, jedoch Sprachenrechte in vielen Fällen noch nicht durchgesetzt.
Auch wird Rumänien dazu aufgefordert, endlich eine Lösung für die Roma-Gemeinde in Pata Rât (Klausenburg) zu finden. Vor mehr als sechs Jahren wurden 76 Roma-Familien ohne legale Prozedur aus dem Zentrum von Klausenburg vertrieben und in Baracken nahe der städtischen Mülldeponie ins Pata-Rât-Viertel umgesiedelt. 2014 stufte der Rumänische Rat zur Bekämpfung von Diskriminierung die Aktion der Stadtverwaltung als ethnische Diskriminierung ein. Auch ermahnte die FUEN alle europäischen Staaten, dass auch den Roma die grundlegenden Menschenrechte zu gewähren sind. Gewaltsame Vertreibungen von Roma finden immer wieder in Europa statt – im Sommer 2016 in Bulgarien und Italien.
Besonderes Augenmerk legte das FUEN-Präsidium auf die Ukraine, den Austragungsort des Kongresses 2019. In einer Resolution betont die FUEN, dass die Herausbildung einer ukrainischen Identität sowie sprachliches Erbe und die Förderung von Minderheitenrechten sich nicht ausschließen. Obwohl die Ukraine alle zentralen internationalen Konventionen zum Schutz und zu den Rechten von Minderheiten ratifiziert hat, sind sie längst nicht für jede Gruppe angemessen umgesetzt. Gerade in den vergangenen beiden Jahren wurde das Thema Minderheiten in der Ukraine stark politisiert, die Minderheiten selbst manipuliert und gegeneinan-der ausgespielt. Die FUEN kritisiert insbesondere Versuche, Bildung in der Muttersprache, Minderheitenrechte und Medien in den Minderheitensprachen zu beschneiden. Die ukrainischen Behörden sind aufgefordert, „die konsequente Umsetzung und weitere Förderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für nationale Minderheiten zu unterstützen, insbesondere in den Bereichen Sprachenrecht sowie Bildung, und von jedem Versuch Abstand zu nehmen, die Verwendung von Minderheitenrechten zu begrenzen und stattdessen deren vollständige Anwendung zu garantieren“, heißt es in der angenommenen Resolution. Aufgefordert werden auch die Europäische Union und der Europarat, die ukrainischen Behörden zu beobachten und die Regierung an ihre Zusagen bezüglich Anwendung europäischer Minderheitenschutzbestimmungen zu erinnern sowie das Land bei der Umsetzung zu unterstützen. Die Ukraine ist reich an ethnischen Minderheiten. Neben der durch den Ukraine-Krieg in den Medien allgegenwärtigen russischen Minderheit bekennen sich weitere fast 2 Millionen Menschen zu einer anderen Ethnie als der russischen oder ukrainischen, darunter rund eine halbe Million Rumänen/Moldauer, eine Viertelmillion Krimtataren sowie rund 160.000 Ungarn.