Hermannstadt – Bei Ștefan Radu Crețu geht es mit maximaler Ehrlichkeit zur Sache, und wer es noch immer nicht gewusst hatte, konnte sich am frühen Freitagabend, dem 10. Mai, in der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst zur Eröffnung seiner Ausstellung „Unsaved Species“ ein sehr genaues Bild davon machen: am lautesten unter allen Exponaten drängt sich die „Tired orix antelope“ auf, und tatsächlich reißt der Januar 1983 geborene Protagonist mit zig Arbeiten wie der elektromotorisch gesteuerten müden Antilope, die aus ihrem rasenden Galopp auf der Stelle gar nicht herausfinden mag, die sonst ziemlich fest verschlossene Türe zwischen Kunst und technischem Tüfteln ein. Dass dabei auch die ein eoder andere konservative Weltbeziehung ihre Relevanz einbüßt, erschließt sich binnen wenigster Minuten und braucht nicht weiter erklärt zu werden. Ștefan Radu Crețu für seinen Teil jedoch ist nicht darauf aus, den Schaden, den alte Gewohnheiten beim Hinschauen nehmen können, zu betonen. Obwohl die weltweite Erderwärmung mit-unter dazu führt, dass einem Berg wie jenem in seiner aktuellen Ausstellung „Unsaved species“ der dringend zum Skifahren nötige Schnee ausgeht und ein Dinosaurier-ähnliches Tier auf Skiern steht, die sich auf braunem Untergrund natürlicherweise nicht vom Fleck rühren. „Aber nicht wie eine Tragödie müssen wir diese Tatsachen auffassen, selbst wenn manches fatal ist“, sagte Ștefan Radu Crețu seinem Publikum in Hermannstadt/Sibiu, wo er freischaffend lebt. Ein Museums-Angestellter habe ihn noch morgens beim Aufbauen vor dem Abend der Vernissage „nach dem Ort meiner Ingenieurs-Ausbildung“ gefragt. „Und schleichend bin ich auch ein wenig zum Ingenieur geworden“, räumte der an der Universität für Kunst und Design Klausenburg/Cluj-Napoca studierte Keramiker und 2016 in Bukarest promovierte Bildhauer ein, dessen Schaffens-Auswahl der jüngsten drei Jahre noch bis zum zweiten Juni-Tag in der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst zu sehen ist. Sie zeigt „einen Kindheits-Traum, den ich jetzt ausgereift erlebe.“ Was Ștefan Radu Crețu von klein auf gerne durch die Zeit retten wollte, tut er heute als erwachsener Gestalter von „Unsaved Species“. Kein Wunder, dass seine aus Plexiglas, Plastik, Metall, Steinen, Holz und allerhand Geräteschrott konstruierten sowie durch Elektromotoren bewegten Tiermodelle am Eröffnungsabend auch staunende Blicke von Kinderaugen auf sich zogen. Fiktives mit Köpfchen macht Sinn, und in der Kombination mit lebensechten Maßstäben erst recht. Da lohnt auch die auf Papier 30 Meter lange und sehr gekonnt phantastische Nahrungskette („Paper trophic chain“) von Zeichner Ștefan Radu Crețu im Zweitraum derselben Museums-Abteilung ein Vorbeischauen. „Keine Angst vor Nicht-Verstehen“, wirft der Ausstellende beruhigend ein, der seinem Publikum gerne die Zeit gibt, zeitgenössischer Kunst nach und nach auf den Geschmack zu kommen.