„Leise flehen meine Lieder durch die Nacht zu dir“

Drei Damen aus Österreich, Rumänien und Frankreich brachten dem Enescu-Festival ein Ständchen

Schubert-Lieder mit der Singstimme einer Muttersprachlerin, noch dazu aus Wien, sind in Hermannstadt nichts Alltägliches. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Es ruckelte recht laut im beinah ausverkauften Parterre, als das Publikum nach seinem Stehapplaus ein letztes Mal Platz nahm, um sich an der Zugabe zu erfreuen. Denn es ist schwer von der Hand zu weisen, dass die 20 Jahre seit dem Wieder-Aufbau und der Neu-Einweihung dem Thalia-Saal mehr als nötig zugesetzt haben: die Stuhlreihen im einzigen Konzertsaal Hermannstadts, der obendrein auch noch an großbürgerliche Epochen erinnert, könnten ein Nachjustieren ihrer schon lange nicht mehr ausreichend soliden Verankerung im Teppichboden dringend gebrauchen, und der rote Innenanstrich für seinen Teil vermag über die viel zu große Anzahl Kratzer und gar manche Brüche in der Putzschicht darunter ebenso nicht mehr hinwegzutäuschen. Wobei all das Sonntagabend, am 14. September, im Kontrast zum Programm stand, das Schauspielerin Laëtitia Eďdo (Frankreich) als Gedicht-Rezitatorin, Sängerin Patricia Nolz (Österreich) und die in Wien beheimatete Pianistin Alexandra Silocea auf die Bühne zauberten. Um die Secession ging es, und was die drei Damen stellvertretend für das Enescu-Festival auch am Ort der Staatsphilharmonie Sibiu aufführten, empfahl sich natürlich als blühendes Beispiel makelloser Konzert-Gestaltung. Der Name „Ver Sacrum“ des Sonder-Instruments aus den Bösendorfer-Werkstätten passte dem Ereignis wie angegossen, das sich inhaltlich ohne streng aufgesetzten Prunk vom vorzeitigen Altern der Kulisse unterschied und sein Qualitäts-Versprechen einlöste. Allein die Zusage, eigens in den Bruken-thalmuseums-Hof einzuladen, war kurzfristig leider nicht mehr zu halten gewesen.

Dafür aber schuf Patricia Nolz schon gleich mit der ersten Strophe des Kunstlieds „Der Lindenbaum“ von Franz Schubert die richtige Stimmung, und an den „Trocknen Blumen“, dem „Ständchen“ und einem weiteren Lied auch auf das Flüstern hätte Gustav Klimt sich bestimmt lange nicht satthören können. Das mit 23-karätigem Gold verzierte „Ver Sacrum“-Klavier als Gemeinsamkeit Schuberts und Klimts, die einander niemals gekannt haben können? Warum nicht, wo „Bösendorfer“ seine Werkstätten im Todesjahr des Ersteren für eröffnet erklärte und beim Ableben des Anderen wiederum runde 90 Jahre Praxis und Erfahrung angesammelt hatte. Eindrücklich die Zahl und Schwere der Opern-Rollen, denen Patricia Nolz (Jahrgang 1995) gewachsen ist, weswegen ihre Bereitschaft zur Anpassung an ein weniger Kraftbeweis forderndes Genre umso mehr geschätzt zu werden verdient.

Viel mehr als nur eine statistische Information auf dem Plakat war erwartungsgemäß auch das Auftreten und Können von Alexandra Silocea, die mit Musik der Handschriften von Leoš Janácek, Franz Liszt und Claude Debussy weder den mittelgroßen „Ver Sacrum“-Flügel von „Bösendorfer“ überforderte noch den Zuschauern im Thalia-Saal Stücke präsentierte, denen es an Besonderheit gefehlt hätte. Spektakulär zur Sache ging es in der Tonsprache von Fazil Say und Martin Romberg, wofür Alexandra Silocea mehrmals im Stehen mit einer Hand Saiten vollständig abdämmte, um mit den Fingern der jeweils anderen auf den Tasten Klänge zu generieren, die sich wie echtes Zupfen anhörten. Ein Kunstgriff nicht bloß im Notenbild, sondern auch von der Pianistin des Abends, die keine Routine daraus machte.

Abgeklärt und doch ungemein packend las auf Englisch Laëtitia Eďdo mit ihrer rechten Hand bedächtig gestikulierend Lyrik von James Joyce, Alfred Edward Housman, Robert Frost und Khalil Gibran vor. „Trees“ („Bäume”) von Joyce Kilmer hob sie sich als das Beste für den Schluss auf: „Gedichte sind doch Narrentraum / Von Gott alleine kommt der Baum!“ (Übersetzung von Wolfgang Steinmann). Im Überleiten schließlich zu dem bald 100 Jahre alten Schlager „Irgendwo auf der Welt“ als Zugabe überraschte Laëtitia Eďdo durch völlig akzentfreies Vortragen des Eminescu-Klassikers „Somnoroase păsărele”. Geht es gut, hat man sich selbst vielleicht doch soweit, Misstrauen abzulegen und Fremd Geglaubtem seine Reverenz erweisen zu wollen. Irgendwo, irgendwie, irgendwann.