Lungenkrebs im Fokus: Temeswarer Studie deckt dramatischen Anstieg auf

KI-gestützte Auswertung von über 4000 Fällen offenbart regionale Unterschiede

Dr. Cristian Oancea, Chefarzt für Pneumologie und Leiter des Krankenhauses für Infektionskrankheiten und Pneumologie in Temeswar

Einblick in das hochmoderne Bildgebungszentrum des Temeswarer Krankenhauses: Die technische Ausstattung war entscheidend für die präzise Diagnostik in der Langzeitstudie zu Lungenkrebs.

Modernes Bildgebungszentrum des Krankenhauses mit PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie kombiniert mit Computertomographie)

Das Forschungsteam des „Victor Babeș“-Krankenhauses (im Bild) und der TU „Politehnica“ Temeswar wertete mithilfe künstlicher Intelligenz über 4000 Lungenkrebsfälle aus. Die Ergebnisse der Studie sollen künftig die Früherkennung und Patientenversorgung verbessern. Fotos: Victor-Babeș-Krankenhaus Temeswar

 

Eine zwölfjährige Analyse am „Victor Babeș“-Krankenhaus in Temeswar/Timișoara zeigt einen besorgniserregenden Anstieg der Lungenkrebserkrankungen – mit fast doppelt so vielen Fällen in den letzten Jahren. Mithilfe künstlicher Intelligenz wurden über 4000 Patientendaten ausgewertet und fünf Patientengruppen mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen identifiziert. Die Ergebnisse markieren einen Wendepunkt für die Krebsforschung in Rumänien – und fordern strukturelle Reformen im Gesundheitssystem.

Über 80 Prozent der Fälle von Lungenkrebs werden erst in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entdeckt. Lungenkrebs steht in Rumänien weiterhin an erster Stelle der Todesursachen bei onkologischen Erkrankungen und an zweiter Stelle der Inzidenz. Jedes Jahr werden landesweit über 12.000 neue Fälle von onkologischen Erkrankungen der Lunge entdeckt. So die Daten einer einzigartigen Studie in Rumänien, die am „Victor Babeș“-Krankenhaus Temeswar über zwölf Jahre durchgeführt wurde.

Das Temeswarer Krankenhaus für Infektionskrankheiten und Pneumologie hat eine retrospektive Studie zu Lungenkrebs unter Verwendung künstlicher Intelligenz durchgeführt. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit der TU „Politehnica“ erstellt. Die retrospektive Analyse umfasste eine Stichprobe von 4206 Patienten, bei denen innerhalb von zwölf Jahren Lungenkrebs diagnostiziert worden war und die im „Victor Babeș“-Krankenhaus in Temeswar behandelt wurden. Aus der Studie wurde der zweijährige Zeitraum der Pandemie, in dem das Krankenhaus vor allem Covid-19-Patienten behandelte, herausgenommen. Die Daten wurden mit mehreren Algorithmen verarbeitet, um relevante Muster zu identifizieren und die Population nach verschiedenen klinischen und demografischen Faktoren zu stratifizieren.

Ein Blick zurück: Zwölf Jahre Lungenkrebs in Temeswar

„Die Studie erstreckt sich über einen langen Zeitraum von zwölf Jahren, und aus der Analyse der Daten haben wir festgestellt, dass es in den letzten fünf Jahren einen dramatischen Anstieg von 80 Prozent bei der Zahl der Patienten gab, bei denen eine onkologische Erkrankung diagnostiziert wurde. Unsere Analyse zeigt, dass dieser Anstieg reale epidemiologische Veränderungen widerspiegelt, die über die einfachen Einflüsse von Störungen im Gesundheitssystem hinausgehen. Dies wird sowohl durch die Überalterung der Bevölkerung in der Region als auch insbesondere durch die Verbesserung der Diagnosemöglichkeiten unterstützt. Wir haben es geschafft, im Victor-Babeș-Krankenhaus ein hochmodernes Bildgebungszen-trum einzurichten, das zwei CT-Geräte und zwei MRT-Geräte, darunter ein 3-Tesla-Gerät, umfasst, was uns bei der bildgebenden Diagnose von Krebserkrankungen sehr hilft. In absoluten Zahlen ausgedrückt hatten wir zwischen 2013 und 2024 5145 Krankenhausaufnahmen mit der Dia-gnose eines primären Lungenneoplasmas und 4206 einzelne Patienten, die im Krankenhaus behandelt wurden. Darüber hinaus haben sich die Fälle in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt, ich beziehe mich auf den Zeitraum 2022-2024, in dem wir 624 Fälle pro Jahr verzeichneten, gegenüber dem Zeitraum 2013-2020, in dem 345 Fälle pro Jahr diagnostiziert wurden. Und für 2025 steigt die Zahl weiter an. Die Prognose für dieses Jahr liegt bei 700 neuen Fällen“, so Dr. Cristian Oancea, Chefarzt für Pneumologie und Leiter des Krankenhauses für Infektionskrankheiten und Pneumologie in Temeswar. 

Im modernen Bildgebungszentrum des Krankenhauses wurde 2024 auch das erste PET-CT einer staatlichen Gesundheitseinrichtung in Westrumänien in Betrieb genommen. Die PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie kombiniert mit Computertomographie) zählt zu den modernsten medizinischen Bildgebungsverfahren. Das Gerät ermöglicht die Früherkennung von Tumoren und liefert anatomische und morphologische Informationen zum untersuchten Organ.

Welche Vorerkrankungen besonders häufig?

Die Studie konnte durch un-überwachte maschinelle Lernverfahren unterschiedliche Phänotypen von Patienten identifizieren und die Einflussfaktoren charakterisieren, darunter demografische Veränderungen, Veränderungen im Gesundheitssystem und geografische Unterschiede. Aus der Analyse der Komorbiditäten ging beispielsweise hervor, dass bei Chronisch Obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) der direkte Einfluss zwischen 44 und 80 Prozent liegt, während Asthma einen Einfluss von bis zu 15 Prozent hat. Eine weitere Atemwegserkrankung, das Emphysem, hat einen direkten Einfluss von bis zu 42 Prozent, Bronchiektasen zwischen 18 und 31 Prozent. Alle Zahlen stehen jedoch in unterschiedlichem Maße mit der Umweltverschmutzung in Zusammenhang.
„Leider haben wir den Höhepunkt noch nicht erreicht, da wir über die Exposition gegenüber verschiedenen Faktoren sprechen, wie Rauchen, Asbest usw., aus den Jahren 1990 bis 2000. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Lungenkrebsfälle bis 2035 weiter stark ansteigen wird. Um diese Geißel zu bekämpfen, wären neben öffentlichen Maßnahmen weitere Schritte erforderlich, darunter die Standardisierung und digitale Vereinheitlichung der Meldung von Erkrankungen, die Erstellung einer digitalen Onkologiedatenbank, die Einführung eines Systems zur digitalen Archivierung pathologischer Bilder, der breite Einsatz von Telemedizin, die Einrichtung von Satellitenzentren in dicht besiedelten Gebieten für multidisziplinäre Grundversorgungsleistungen sowie die Entwicklung einer Onkologiedatenbank auf Kreisebene. Ich möchte den Spezialisten der „Politehnica“-Universität danken, die uns auf der Grundlage unserer Daten und unter Verwendung künstlicher Intelligenz bei der Durchführung dieser Studie unterstützt haben“, sagt Prof. Dr. Cristian Oancea.

Geografie als Risikofaktor

Für die Durchführung der Studie wurden Informationen aus dem digitalen System des Krankenhauses entnommen, wobei bestimmte Daten wie die Einstufung des Raucherstatus und die Berechnung der Exposition in Standard-Paketen verwendet wurden, die von drei unabhängigen klinischen Forschern unter Verwendung validierter Protokolle manuell erstellt wurden. „Die computergestützte Analyse verarbeitete gleichzeitig 761 klinische, pathologische und geografische Merkmale der Patienten – von den Basisdaten (Alter, Geschlecht) bis hin zum genetischen Profil der Tumoren. Der Algorithmus identifizierte selbstständig Muster in dieser riesigen Datenmenge, ohne dass wir die Analyse durch Annahmen der Forscher beeinflusst hätten, und deckte fünf verschiedene Patientengruppen mit unterschiedlichen therapeutischen Bedürfnissen auf. Die Validierung durch mehrere statistische Methoden bestätigte, dass diese Gruppen nicht zufällig sind, sondern echte Unterschiede in der Erkennung und Entwicklung der Krankheit darstellen. Die Geokodierung der Patienten ermöglichte die Analyse der räumlichen Verteilung der Krankheit, wobei der Wohnort zum Zeitpunkt der Einweisung in vier Kategorien eingeteilt wurde: das Stadtzentrum von Temeswar, Vororte, ländliche Gebiete im Kreis Temesch und Fälle außerhalb des Kreises. Dieser Ansatz lieferte interessante Details, wie beispielsweise die Konzentration von starken Rauchern in ländlichen Gebieten“, sagt S.L. Dr. Ing. Versavia Ancuța von der TU „Politehnica“ Temeswar. 

Die Studie, die in der internationalen Fachzeitschrift „Cancer”, einer der renommiertesten Publikationen im Bereich der Onkologie, veröffentlicht wurde, hat auch gezeigt, dass das Victor-Babeș-Krankenhaus zu einem regionalen Referenzzentrum für Lungenonkologie geworden ist. Über 37 Prozent der Patienten mit Lungenkrebs, die in der Gesundheitseinrichtung untersucht und behandelt werden, kommen von außerhalb des Verwaltungskreises Temesch. Die Ergebnisse der Temeswarer Studie machen also deutlich: Lungenkrebs ist in Rumänien nicht nur eine medizinische Herausforderung, sondern auch eine strukturelle. Frühdiagnose, digitale Vernetzung und gezielte Prävention müssen zur Priorität werden – besonders in ländlichen Gebieten mit hohem Risiko.